Albumreview Hip-Hop

Das Cover und der Titel "Rap über Hass" sind noch das Beste am neuen Album von K.I.Z.

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Keineswegs auf Kuschelkurs: Das neue K.I.Z.-Werk "Rap über Hass". © Vertigo Berlin

Berlin. Das Beste am neuen Album von K.I.Z.? Leider vor allem das kuschelig-niedliche Cover und der Titel „Rap über Hass“. Der bezieht sich auf die Schlagzeile "27 Minuten Hass auf Veranstaltung gegen Hass", mit der sich die „Bild“-Zeitung über den Auftritt der Berliner beim #wirsindmehr-Festival in Chemnitz empörte. Im Bundestag sekundierte der AfD-Fraktionsgeschäftsführer Bernd Baumann: „Das ist so gewaltverherrlichend. Das ist so deutschfeindlich, das ist so christenfeindlich ..." Eine Steilvorlage, die das Anarcho-Trio aus Berlin liebend gern aufnimmt und einfach zur Albumeröffnung am Anfang des Titelsongs zitiert. Die erste Zeile kommt dann gewohnt aus der gewohnt asozialen „VIP aus der Psychiatrie“-Perspektive: „K.I.Z! Es sind dreißig Grad, aus dem Benz kommt Babygeplärr. Denn ich brate mir den Säugling gerade medium-rare. ,Ich werd' dich umbringen‘ steht in meinem Tinder-Profil“. Schon krass, aber irgendwie kennt man’s langsam zur Genüge.
In der Rammstein-Falle
K.I.Z. stecken nach den Studiovorgängern „Urlaub fürs Gehirn“ (2011) und „Hurra die Welt geht unter“ (2015), zwei der wichtigsten deutschsprachigen Alben des Jahrzehnts, offensichtlich in derselben Falle wie Rammstein: Im Zeitalter, wo blutrünstiger Netflix-Horror, mehrfach vom realen Nachrichtenhorror überholt wurde, ist Provokation als künstlerische Basis ausgereizt. Das Trio hat zusätzlich das Problem, dass es nicht wie andere Rap-Crews überwiegend pubertierende Hormonbomben bedient, für die alles witzig und vieles neu ist. Kein ganz kleiner Teil des K.I.Z.- Publikums gehört zur links-woken Social-Media-Blase und diffamierende Sprache wird dort immer kritischer gesehen, wenn nicht sogar bekämpft. Das geht nicht ganz spurlos an den bislang doch sehr kompromisslosen Texten der Band vorbei: Sogar dieses Trio infernale scheint über die Grenzen des Sagbaren nachzudenken und streut plötzlich für die ganz Dummen und  Irone-Blinden. Erklärzeilen in den krassen Stoff;  etwa dass man die verbalen Gewaltorgien bitte nicht wörtlich zu nehmen habe: „Ich rappe über Hass, in fast jedem Lied. Rap über Hass, das ist mein Gebiet. Gewalt ist keine Lösung und das soll sie auch nicht sein.“
Nach Tareks großartigem Solo-Debüt „Golem“ (2020) hätte man eigentlich erwartet, dass sich K.I.Z. trotz diesem Spagat ähnlich souverän neu erfinden. Nach dem alten Bandmotto: Das Ganze ist noch größer als die Summe seiner Teile. Das Gegenteil ist der Fall, zumindest textlich Schon das im Dezember 2020 nur als Download veröffentlichte Mixtape „Und das Geheimnis der unbeglichenen Bordellrechnung“ war schlichtweg langweilig. Genitalwitze als roter Faden, da erwarten viele von großartigen Textern mit abgründigem Humor einfach mehr. Das wird umso deutlicher, weil die musikalische Professionalisierung ungebremst weitergegangen ist, die Sounds vielfältiger, elektronischer  und auch etwas  glatter geworden sind. An der Produktion von Drunken Masters und Nico ist nur auszusetzen, dass sie inhaltliche Leerstellen umso deutlicher ausleuchtet. Für die wuchtig und groß gewordenen Live-Shows von K.I.Z. qualifizieren sich auch nur zwei bis drei der zwölf neuen Songs. Immerhin: Im Schlusssong „Kinderkram“ ist etwas Selbstreflektion angesagt „Ist das noch Pubertät oder schon Midlife-Crisis?“ Das heißt noch lange nicht, dass K.I.Z. künftig wie ihre  „Idole von damals“ rappen sollen, die „klingen wie Vermögensberater“. (Vertigo Berlin)

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