Gastronomie

Betreiberwechsel im Blau in Mannheim nach 29 Jahren: "Das Blau darf nicht sterben"

Seit 1995 hat Ingo Zielske das Blau im Mannheimer Jungbusch betrieben. Doch nun ist Schluss. Vier Stammgäste übernehmen die Kneipe und wollen, dass die Seele ihres „Wohnzimmers“ erhalten bleibt.

Von 
Kai Plösser
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Ingo Zielske (2. v. l.), bisheriger Besitzer des Blau, und seine Nachfolger: Jan Schuhmacher (l.), Daniel Mannsperger (M.), Ertan Kotan (2. v. r.) und Stefan Wagner. 

© Kai Plösser

Mannheim. 29 Jahre stand Ingo Zielske hinter der Theke im Blau und hielt den Laden am Laufen. Doch nun ist Schluss. Die Türen der Kneipe im Mannheimer Jungbusch bleiben für die Gäste aber geöffnet. Schon zum 1. September des vergangenen Jahres hat Zielske das Blau in die Hände von Daniel Mannsperger, Stefan Wagner, Ertan Kotan und Jan Schuhmacher gelegt - keine Unbekannten in der Kneipe, gehören sie doch als Stammgäste sozusagen zum Inventar des Lokals.

Betreiber des Blau in Mannheim macht nach 29 Jahren Schluss

Zielske dagegen hat genug vom Blau - zumindest, was seine Rolle hinter der Theke angeht. „Weil ich nicht jünger werde. Der Job ist anstrengend“, begründet der 66-Jährige. „Bis früh morgens an der Theke stehen, dann noch aufräumen, das war früher super“, erinnert er sich zwar gerne zurück. Aber: „Dein ganzes Leben dreht sich dann nur noch um die Kneipe. Es hat Spaß gemacht. Aber es wurde immer schwieriger.“

Das Blau hat ziemlich eingeschlagen. Das war am Anfang sensationell.
Ingo Zielske ehemaliger Betreiber des Blau

1995 hatte Zielske den Laden in der Jungbuschstraße, das damalige Rheinfels, übernommen. „Das Blau hat ziemlich eingeschlagen. Das war am Anfang sensationell“, blickt er zurück. Zu dritt waren sie da noch, Zielske ist jedoch als einziger übrig geblieben. Der Mietvertrag habe sich immer automatisch um ein Jahr verlängert. „Aber nur, weil man immer vergessen hat, pünktlich zu kündigen“, erzählt er lachend: „So gingen dann die Jahre ins Land.“

Lange Suche nach geeigneten Nachfolgern im Blau

Zielske bereut aber nichts, außer, „dass ich kein Logbuch geführt habe“, sagt er. „Ich habe bestimmt viele lustige Sachen vergessen.“ Dennoch fällt es ihm nicht schwer, loszulassen. Im Gegenteil: „Ich bin froh, dass ich das Ding jetzt los bin.“ Schon länger habe er mit dem Gedanken gespielt, das Blau aufzugeben. Mangels passender Interessenten habe er aber „notgedrungen“ noch vier, fünf Jahre dranhängen müssen. „Dann seid Ihr Gott sei Dank gekommen“, sagt Zielske und meint seine vier Nachfolger. „Die Jungs haben mich quasi gerettet.“

Wenn ich das voller Überzeugung alleine übernommen hätte, ich hätte nach einem Jahr keinen Bock mehr drauf gehabt
Ertan Kotan einer der neuen Betreiber des Blau

Denn Mannsperger (51), Wagner (61), Kotan (56) und Schuhmacher (56) sprangen in die Bresche, nachdem zuletzt im Sommer 2023 wiederholt geeignete Interessenten kurzfristig abgesprungen waren. „Ingo war sehr geknickt an der Theke, als er mir damals sagte, dass das nicht klappt“, erzählt Mannsperger. Er habe dann mit Wagner über die Situation der Kneipe geredet. Beide waren sich schnell einig, im Oktober 2023 stand schließlich endgültig fest: „Das Blau darf nicht sterben.“

Halb mit im Boot war da bereits Schuhmacher: „Es ging ums Überleben des Blau. Es ist unser Wohnzimmer“, sagt er. Seinen Entschluss hatte er nach etwas Überlegung im Februar 2024 endgültig gefasst. „Im Prinzip war klar, dass ich nicht fehlen darf, wenn das auf mehrere Schultern verteilt wird - ich liebe die alle“, erklärt Schuhmacher seine Beweggründe. Kotan kam ebenso im Februar 2024 hinzu. Seine Entscheidungsfindung bei einem Besuch im Blau hatte sich deutlich unkomplizierter gestaltet: „Aus Spaß haben wir ihn gefragt: ,Hast du Bock aufs Blau?’ Und Ertan so: ,Ja klar, mache ich’“, erzählt Mannsperger.

Neue Betreiber stemmen den Betrieb im Blau gemeinsam

„Ab dann ging es ratzfatz“, erläutert Kotan. Die Einarbeitung und Übergabe seien reibungslos verlaufen. Was jedoch alle aufgrund mangelnder gastronomischer Erfahrung unterschätzt hätten, sei der enorme Aufwand im Hintergrund, den der Betrieb einer Kneipe mit sich bringt. „Ganz ehrlich: Wenn ich das voller Überzeugung alleine übernommen hätte, ich hätte nach einem Jahr keinen Bock mehr drauf gehabt“, ist sich Kotan sicher.

Um so glücklicher sind sie, dass sie die Kneipe nun zu viert stemmen. Nicht des Geldes wegen haben sie den Laden übernommen, betonen sie, sondern damit das Blau in seiner jetzigen Form weiterbestehen kann. „Wir haben alle Vollzeitjobs und müssen kein Geld hiermit verdienen. Der Laden muss sich nur irgendwie tragen können“, erläutert Wagner. Von den Zahlen, die das Lokal schreibe, könne man eh nicht leben, sagt Zielske. Nicht umsonst hat er nebenbei Pakete ausgefahren.

Blau in Mannheim: Tolerantes Miteinander und rauer Charme fernab des Mainstreams

Dass Zielskes Nachfolgern das Blau am Herzen liegt, ist nicht von der Hand zu weisen. Kotan etwa kommt schon seit der Öffnung 1995 ins Blau, Schumacher und Mannsperger seit gut 15 Jahren. Groß etwas ändern am Konzept ihres Wohnzimmers wollen sie nicht. „Die Seele des Blau soll natürlich bleiben“, sagt Mannsperger. Schuhmacher verweist auf das tolerante Miteinander unter den „bunt gemischten“ Gästen und sagt: „Außer Nazis sind alle willkommen.“

„Und es soll abgeranzt bleiben“, schiebt Schuhmacher entschieden hinterher. Zwar musste der in die Jahre gekommene Kachelofen weichen, zudem wird die Theke altersbedingt ausgetauscht. Ansonsten aber soll der raue Charme fernab des Mainstreams, den Zielske dem Blau verpasst hat, bleiben. Das gilt auch für das alternative Musikprogramm. Weiterhin sollen DJs auflegen und „geile“ Konzerte stattfinden.

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Auch Zielske wird künftig öfters auf der Bühne zu finden sein. Seit September ist der Schlagzeuger bereits drei Mal mit seinen zwei Bands Apach-o-matic und Multi Relax Foundation aufgetreten. Doch auch als Gast will er in der Kneipe vorbeischauen. Ob er sich eigentlich noch zuhause fühlt im Blau, will Kotan in dem Zusammenhang wissen: „Es ist besser als früher“, sagt Zielske und scherzt: „Ich muss jetzt nicht mehr nach dem Klopapier gucken.“

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