Interview - Clueso freut sich auf sein Auftaktkonzert beim Zeltfestival Rhein-Neckar auf dem Mannheimer Maimarktgelände.

Clueso: "In Mannheim hatten wir immer die geilsten Konzerte"

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Clueso freut sich auf sein Auftaktkonzert beim Zeltfestival Rhein-Neckar auf dem Mannheimer Maimarktgelände. © Christoph Koestlin

Deutschpop-Songwriter Clueso spricht im Interview über seinen Auftritt beim Zeltfestival auf dem Maimarktgelände am Mittwoch, 25. Mai, seine Heimatstadt Erfurt und eine Begegnung mit AfD-Politiker Björn Höcke.

Clueso, Glückwunsch! Ein neues Album schlicht „Album“ zu nennen, wie Sie es zuletzt getan haben, passiert selten. Die Idee hatte Benjamin von Stuckrad-Barre - was hat Sie daran überzeugt?

Clueso: Was ich daran wirklich mochte, war, dass es eines der unaufdringlichsten Statements ist, die man sich denken kann heutzutage. Vor allem nach der Reise, die ich selbst unternommen habe, mit so vielen Singles vorab, fand ich es cool, zu sagen: „Hey, Leute, physischer Tonträger! ALBUM! Ich bin auch ein Fan der Vinyl-Form und generell von Alben. Und ich muss gestehen, ich traue Künstlern nicht, die kein Album machen, sondern nur noch einzelne Tracks streamen lassen (lacht).

Nach dem sehr leisen „Handgepäck 1“ (2018) ist das neue Werk nun eine andere Welt, viele Songs entstanden mit gefragten Songwritern im Team. Hätte man Ihnen vor fünf Jahren diese Musik vorgespielt - hätten Sie es als Clueso-Album erkannt?

Clueso: Nicht als Clueso-Album, aber ich hätte viele Sachen schon sehr gefeiert. Weil ich in dieser Welt schon immer mit einem Auge und einem Ohr sehr zu Hause war, fand ich viele Sachen schon sehr gut, die in diese Richtung produziert worden sind. Ich fand Drake immer cool, Anderson.Paak und diverse Trap-Künstler. Der Stein kam ins Rollen mit den Produzenten Decco und Alexis Troy, die den größten Einfluss auf das Album gehabt haben.

Der Party-Sound kontrastiert oft hart zu Ihrem fast traurigen Gesang. Sie wirken wie der Typ, der gerade von der großen Liebe verlassen von seinen Freunden zum Feiern mitgeschleppt wurde….

Clueso: Ich finde selbst Partys melancholisch. Selbst da bin ich der Beobachter und schau mir alles an, was so passiert. Selbst das hat etwas Schöntrauriges. Ich wurde ein bisschen in diese Welt mitgeschleift durch die Beats. Diese Mucke funktioniert sehr über Vibes. Wenn es losgeht, wirst Du direkt reingezogen. Genau das wollte ich haben.

Auftakt fürs Zeltfestival am 25. Mai

  • Der frühere Rapper, Produzent, Sänger und Songwriter Clueso wurde am 9. April 1980 in Erfurt als Thomas Hübner geboren. Seit 2001 hat er neun Studioalben veröffentlicht, das jüngste mit dem Titel „Album“ im Oktober 2021.
  • Er ist Teil der 9. Staffel von „Sing meinen Song – das Tauschkonzert“, die bis 14. Juni jeweils um 20.15 bei Vox läuft.
  • Clueso eröffnet das 6. Zeltfestival Rhein-Neckar am Mittwoch, 25. Mai, um 19 Uhr. Abendkasse (AK): 52 Euro.
  • Das weitere Programm: Do., 26.5., 17.30 Uhr: Meute, Cari Cari, u.a. (AK: 43 Euro). Fr., 27.5., 17 Uhr: X-Over Mannem Festival! mit Guano Apes, Clawfinger, Emil Bulls, Dog Eat Dog, VP-1 (AK: 50 Euro). Sa., 28.5., 16 Uhr: DasDing Festival mit Provinz, Majan, Jeremias, Schmyt, 01099 u.a. (Vorverkauf ab 49,90 Euro plus Gebühren). So., 29.5., 14.30 Uhr: Punk in Drublic mit NOFX, Pennywise u. v. a. (Vorverkauf 61 Euro plus Geb.). Fr., 03.6., 18 Uhr: OG Keemo – Süd Süd Fest (AK: 35 Euro). Sa., 04.6., 18 Uhr: Bosse (AK: 55 Euro). Di., 14.6., 19 Uhr: Simple Minds (AK: 60 Euro). Mi., 15.6., 19 Uhr: Dermot Kennedy (AK: 52 Euro) Sa., 18.6., ab 14.30 Uhr: Delta Bash Festival u.a. mit Beartooth (AK: 55 Euro). Mi., 22.6., 18 Uhr: Marc Rebillet (AK: 45 Euro). Do., 23.6., 19 Uhr: Faber (AK: 45 Euro). Fr., 24.6, 18.30 Uhr: Cat Power, Mogli und Licia (Vorverkauf 35 Euro plus Gebühren). So., 26.6., 16 Uhr: Deine Freunde (Vorverkauf 32 Euro plus Geb.).
  • Vorverkauf unter zeltfestivalrheinneckar.de

Melancholische Partylaune als Form von Corona-Eskapismus?

Clueso: Die ersten zwei Partys, die ich seit Pandemiebeginn erlebt habe, waren der absolute Absturz, weil alle so ausgehungert waren. Das war fast schon Karneval-Feeling nach dem Motto „Es gibt kein Morgen“. Es hatte was Entladendes, aber noch nicht so richtig Befreiendes. Aber es ist natürlich eine große Sehnsucht da. Wir waren eingesperrt in irgendwelchen Studios, sind über die Straße gelaufen, und keiner war da.

Mit dem Hamburger Rapper Bozza haben Sie das Stück „Heimatstadt“ aufgenommen. Was hält Sie eigentlich in Ihrer Geburtsstadt?

Clueso: Das frage ich mich eigentlich auch. Erfurt hat einfach viele Sonnentage, das ist mir aufgefallen. Anders als in Berlin. Und sobald die Sonne scheint, ist es natürlich überall schön. Aber es ist krass, wie besonders es dann dort aussieht. Diese engen Gassen, und dann am Fluss sitzen. Ich wohne einen Steinwurf vom Domplatz entfernt. Ich setze mich gern nachts auf die Stufen und gucke runter. Außerdem habe ich ja meine ganze Kindheit in Erfurt verbracht. Mich erdet das so. Aber ich denke oft: „Jetzt reicht es aber auch, ich geh jetzt mal nach Hamburg.“ Ich finde, in anderen Städten gibt es auch geilere Buden. In Erfurt muss man richtig gucken, und die Preise sind so angestiegen.

Ist Ihnen in Erfurt eigentlich schon mal AfD-Rechtsaußen Björn Höcke begegnet?

Clueso: Vorweg: Erfurt ist nicht repräsentativ für Thüringen, was die AfD angeht. Ich habe ihn mit seiner Security tatsächlich mal auf dem Platz vor dem Landtag gesehen. Wir haben uns die Wiese angeschaut, weil wir dort das „Zusammenstehen“-Konzert machen wollten. Zufällig war da gleichzeitig eine AfD-Demo. Es ist erschreckend, dass er überhaupt keinen Hehl daraus macht, wie nah der an den Figuren von damals dran ist. Wenn er da mit seinen Stiefeln und seinem Langmantel über die Wiese läuft. Und offenkundig nicht mal mehr damit spielt, sondern es ernst meint. Das ist schon gruselig.

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Im Westen spitzt sich das Image speziell von Thüringen und Sachsen als rechte Nester zu. Empfinden Sie 299 000 AfD-Wähler unter 1,7 Millionen Wahlberechtigten in Thüringen bei der Bundestagswahl als viel oder wenig?

Clueso: Ich finde es viel. Ich denke aber manchmal: „Ach, lass’ die doch mal eine Weile machen, damit alle sehen, wie dämlich das ist.“ Es gibt manchmal nichts Erhellenderes, als zu sagen: „Okay, mach du! Hier hast du die Mütze, und du kannst jetzt einen halben Tag mal sagen, wo es langgeht.“ Und dann wirst Du merken, die Hälfte der Leute hat keinen Bock. Denn um Menschen zu führen, gehört mehr dazu. Da muss man auf Leute warten, da muss man vorausschauend fahren, cool bleiben. Und man muss einen hohen moralischen Kodex haben. Aber das haben die nicht. In der Realität ist es aber natürlich sehr gefährlich Leute einfach machen zu lassen. Ich hoffe, dass diejenigen, die mit solchem Gedankengut liebäugeln das noch rechtzeitig checken!

Geht die im Vergleich größere Resonanz von AfD, Rechtsextremismus, Corona-Leugnern und Verschwörungsprofiteuren auf die Renitenz zurück, die mitunter gegen Stasi und Staat üblich war?

Clueso: Ich kann es mir nicht so richtig erklären. Manchmal bin ich so desillusioniert, weil ich dahinter ein paar Prozent Logik vermisse. Wenn man sieht, wie schnell Leute wütend werden. Dabei handelt es sich aber um so ein oberflächliches Hochgeschaukel. Und daraus wird dann irgendwann eine Meinung. Viele steuern leider immer mehr in so eine Meinung rein, weil sie nicht nur übers Wetter reden wollen und doch bitte irgendjemand die Schuld haben muss, dass sie zu DDR-Zeiten nicht Archäologe werden konnten oder dass sich nach der Wende der Kapitalismus als solch brutales Monster entpuppt hat. Und oftmals mehr Probleme als Optionen da stehen. Daran muss bitte jemand Schuld haben. Entweder die da oben oder die da unten. Und das ist noch nicht einmal die reine Boshaftigkeit. Es wird sich einfach reingesteigert.

Sie haben viel vor, nehmen bei „Sing meinen Song“ teil und eröffnen in Mannheim das Zeltfestival.

Clueso: Ja, es passiert so viel grade.Für „Sing meinen Song“ wurde ich viele Jahre angefragt, ich habe immer abgesagt, weil ich wollte, dass mein Album fertig ist, bevor ich so was mache. Jetzt freue ich mich besonders wieder vor Publikum auf der Bühne zu stehen! In Mannheim hatten wir immer die geilsten Konzerte.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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