Baden-Württembergische Theatertage

Was ist Heimat? Diese Antwort gibt ein Gastspiel in Mannheim

In „Haydi! Heimat!“ erfinden die Protagonisten ihr ganz eigenes Heimatgefühl. Das Gastspiel der Badischen Landesbühne war in der Mannheimer Feuerwache zu sehen.

Von 
Christina Altmann
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Kim Vanessa Földing als Ella und Douglas Morgan Brown als Kemal. © Manuel Wagner

Mannheim. Was ist Heimat? Ein Ort, an dem ein Mensch geboren wurde, hinein in eine Familie, die ihm ein Heim gibt? Folglich wären dann alle, die ihren Geburtsort und ihre Familie verlassen, heimatlos? Die Schauspielerin und Autorin Katja Hensel hat sich in ihrem Stück „Haydi! Heimat!“ mit dieser Frage auseinandergesetzt und dabei auch Themen wie kulturelle Identität, Zugehörigkeit, Sprache, Generationenkonflikt angedeutet. Im Rahmen der 27. Baden-Württembergischen Theatertage war das Stück nun als Gastspiel der Badischen Landesbühne Bruchsal im Studio der Mannheimer Feuerwache zu sehen.

„Haydi“ ist Türkisch und bedeutet so viel wie „Los, auf geht’s!“ – es suggeriert nicht nur die Migration der vielen Menschen, die nach Deutschland kamen, sondern auch das Werk „Heidi“ von Johanna Spyri, das bereits im 19. Jahrhundert zum Welterfolg aufstieg. Hier nimmt das Buch einen wichtigen Platz ein, denn es ist sowohl ein Symbol für die verlorene Heimat mit all ihren Kindheitserinnerungen, als auch für eine neu aufgebaute Zukunft in der Fremde.

Das Stück erzählt von Freundschaft, Geborgenheit und Kummer

Kemal, ein Junge aus einer türkischstämmigen Familie, aber in Deutschland geboren, wohnt gut behütet von Eltern und Oma in einem Hochhaus. Auf dem Hausflur trifft er Ella, die ganz oben mit herrlichem Blick über die Stadt lebt. Ihre schwer beschäftigte Mutter ist ständig fort, sodass Ella allein den Tag verbringt und froh ist, Kemal zu sehen. Gemeinsam erkunden sie ihre Umgebung, erfinden Geschichten, schaffen sich eine ungezwungene Welt.

Auch Johanna Spyris Heidi hat auf der Alm beim Alpöhi eine neue Welt erfahren. Ihre Geschichte ist das Lieblingsbuch von Kemals Oma. Unglücklicherweise hat er es vor Wut zerrissen, als er erfuhr, dass Ella wieder einmal ihrer Mutter in eine andere Stadt folgen musste. Der Kummer von Kemal und Ella war groß, der seiner Oma über das zerrissene Buch noch größer, denn es war ihre Heimat.

„Wir basteln ein neues“, beschließt Kemal – ein Buch mit neuen Inhalten und Bildern, fort von Vogelgezwitscher und Grillenzirpen, die aus dem Off durch den Raum tönten. Auf geht’s, eine neue Heidi muss her, eine neue Heimat, die man sich selbst schaffen muss.

Das beste Beispiel für diese Einstellung brachte der herrlich illustre Karl. Seine Heimat war der Einkaufswagen, der ihm Geborgenheit gab und vor jeglichen Diskriminierungen abschirmte. Seine Ungezwungenheit plädiert dafür, sich in unserer globalisierten, multikulturellen Welt ein Zuhause einzurichten.

Auseinandersetzung mit Heimat – und deren Verlust

„Haidy! Heimat!“ offenbarte sich hier, inszeniert von Jan Käfer, als heiteres Stück für Jugendliche ab acht Jahren, das dazu auffordert, sich mit dem Gedanken der Heimat und deren Verlust auseinanderzusetzen. Das Bruchsaler Ensemble aus Douglas Morgan Brown (als Kemal), Kim Vanessa Földing (als Ella), Michaela Finkbeiner (als Oma und Mutter) und Tim Tegtmeier (als Vater und Karl) überzeugten auf einer kreativen Bühne (Imke Paulick) voller umwerfender Möbel.

Das Stück wurde in Zusammenarbeit mit dem Türkischen Elterverein Bruchsal konzipiert und ursprünglich zweisprachig gedacht. Hier wurde darauf verzichtet und das Türkische nur am Rand eingeflochten.

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