Mannheim. Wie konnte das passieren? Eine ganze Epoche deutscher Malerei vorm Ersten Weltkrieg, ein Aufbruch an Licht, Farben und Lebensfreude – völlig unterbelichtet in der Kunstgeschichtsschreibung, in der nur einzelne Namen wie Max Liebermann, Fritz von Uhde, Max Slevogt oder Lovis Corinth geblieben sind. Vor vier Jahren löste eine Publikation des Kunstvereins von Barbara Hofkamp über den Mannheimer Maler Philipp Klein (1871-1907) offenbar eine Welle von Neugier und weiteren Recherchen aus, sodass jetzt alles wieder da ist: der Aufbruch gegen die Akademien, gegen düstere Paletten, gegen verkrustete Gesellschaftsstrukturen, in denen malende Frauen keine Chance hatten. Und es sind nicht nur Licht, Farben und Alltagsleben wieder da, sondern auch manch ein weiterer zu Unrecht vergessener Name.
In Kooperation mit dem Landesmuseum Hannover breiten die Reiss-Engelhorn-Museen in C4 anhand von 100 Bildern mit und rund um Philipp Klein aus, was private Leihgeber sowie Kunsthalle, Kurpfälzisches Museum und überregionale Institutionen aufbieten konnten. Kuratiert von Andreas Krock ist es eine opulente, wunderbar inszenierte Schau geworden – nach Themen geordnet auf farbigen Wänden, mit Zeitdokumenten in Vitrinen und einer Medienstation, auf der Besucher selber „malen“ können, unterstützt von KI.
Kaum ein bildträchtiges Thema ausgelassen
Das Titelmotiv des Katalogs zeigt offenbar den prustend beim Schwimmen auftauchenden Lovis Corinth, von Philipp Klein 1899 kongenial am Starnberger See verewigt. Klein hat kaum ein bildträchtiges Thema ausgelassen, Strandszenen, Reiter, Porträts, Stillleben, Landschaften, Atelierszenen mit entblößten Modellen (auch sonst widmete er sich liebevoll dem weiblichen Körper), aber auch jene sonnendurchfluteten Gartenterrassen, auf denen delikat gedeckte Kaffeetische einem das Herz aufgehen lassen – die Kunsthalle steuerte gleich zwei Damenporträts im Garten bei.
Man kann nicht umhin, einige Spitzenwerke zu erwähnen, wie das Szenenporträt der Sängerin Yvette Guilbert (1898) aus der Theatersammlung Köln. Im Gegensatz zu den stilisierten Darstellungen von Toulouse-Lautrec wird hier die kontrollierte darstellerische Power einer Persönlichkeit spürbar, die wie eine leuchtende Erscheinung aus dunklem Hintergrund auftaucht.
Meisterhaft das Spiel von Licht und Schatten beherrscht
Meisterhaft beherrschte Philipp Klein ohnehin das Spiel von Licht, zitternden Schatten und der farbigen Fülle subtilster Reflexe. Man wird fast zur Andacht aufgefordert vor dem kleinformatigen „Sonnenaufgang am Chiemsee“ 1893: menschenleere Weite zwischen Gelb- und Violett-Tönen, dem in der Mitte entstehenden Drama aufgehenden Lichts, indes in nebligem Graugelbviolett noch die feine Mondsichel schwimmt. Und Jahre später (1902) das atemberaubende Pastell „Ein Wintertag“ – wenn Sie geglaubt hatten, Schnee sei einfach nur weiß… nein, er ist blau gefleckt, und wenn Sonnenlicht auf vereistes Wasser, kahle Sträucher und einen Schuppen fällt, erhebt sich ein Rot, als stünden die Dinge in Flammen.
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