Mannheim. Auf Rosen gebettet ist diese Institution nie gewesen. Dass sie gegenüber einer vom Land getragenen staatlichen Akademie zumal in finanzieller Hinsicht einen großen Standortnachteil hatte, weiß jeder, der die Freie Kunstakademie Mannheim (FKAM) in jüngerer Zeit im städtischen Herschelbad besucht hat. Der Sanierungsstau war seit langem zu spüren und schlug sich nicht zuletzt in den Nebenkosten nieder. Die scheidende Direktorin Juliane Huber nennt deren jährlich Höhe, zuletzt 30.000 Euro, im Gespräch als einen Grund für die Insolvenz, über die diese Redaktion bereits berichtet hat. Der zweite Grund sind rückläufige Anmeldezahlen für das gebührenpflichtige Studium – ein Phänomen, das laut Huber in jüngerer Zeit auch staatliche Akademien zu spüren bekamen.
Statt das 40-jährige Bestehen der seit 1996 im Jugendstilbau des Herschelbads miet-, aber eben nicht nebenkostenfrei beheimateten Institution zu feiern, gilt es nun, sie abzuwickeln. Laut Huber sollen aber ebenso noch Kunststudierende im Abschlusssemester zum Examen gebracht werden wie die Kommilitonen im Studiengang Kunstpädagogik. Und die von der Akademie betriebene Jugendkunstschule, allein deretwegen die FKAM von Stadt und Land gefördert wurde, sollte in jedem Falle fortgeführt werden.
Keinen Raum für Kunst auf Franklin gefunden
Gegründet, um dem künstlerischen Nachwuchs in der Region eine Perspektive zu geben, hat sich die FKAM nie als ernsthafte Konkurrenz zur nächstgelegenen, renommierten staatlichen Kunstakademie in Karlsruhe verstanden. Am Zweck der Einrichtung bestand dennoch kein Zweifel – und das gilt bis heute. Die Zukunft der Akademie war aber ohnedies mit Fragezeichen versehen. Nur bis 2026 war der Verbleib im Herschelbad in U3 zugesagt. Überlegungen, sich gemeinsam mit den Druckwerkstätten des Bundesverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler auf dem Franklin-Areal anzusiedeln, haben sich längst zerschlagen, wie die Gemeinderätin Birgit Reinemund (FDP) bestätigt, die dem als Träger fungierenden Freundeskreis der Akademie vorsteht.
Einen Neuanfang hätte die FKAM also ohnehin wagen müssen. Dass er durch die jüngste Entwicklung leichter und wahrscheinlicher geworden wäre, lässt sich nicht behaupten. Aber eine Initiative von ehemaligen Dozenten und Studierenden der FKAM lässt sich dadurch nicht beirren. Wie heißt es doch bei Hölderlin, in der „Patmos“-Hymne, so formschön: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Nun gilt es zu zeigen, dass dem nicht nur eine poetische Wirklichkeit entspricht. Der im April neu gegründete „Verein der Akademie der Bildenden Künste Mannheim e.V.“ teilt tatkräftig mit: „Aus dem Schock entstand Bewegung.“ Man unterrichte schon jetzt weiter, „in privaten Ateliers, im öffentlichen Raum und wo auch immer Platz ist“.
Es gehe um einen kompletten Neustart, bestätigt der Sprecher der Initiative, der auch als Videokünstler und Leiter der Galerie „Strümpfe“ bekannte Eric Carstensen. Involviert seien bereits über 40 Personen, darunter weitere namhafte Kunst- und Kulturschaffende wie der Fotograf Claus Stolz und Bildhauer Francisco Klinger Carvalho. Viele Gespräche würden geführt, sagt Carstensen, mit dem Insolvenzverwalter, der Stadt und dem Land, denn es gilt, drängende Fragen zu klären – zu einer möglichen Förderung, aber auch bezüglich einer künftigen Bafög-Regelung oder zum Aufenthaltstitel einzelner Studierender.
Festhalten an der bewährten Dreiteilung
Dass die Zukunft der Initiative sich vor allem an Finanzfragen bemisst, ist klar – ebenso, dass deren Klärung angesichts der Sparbeschlüsse der Stadt und eingetrübter wirtschaftlicher Perspektiven schwierig wird. Die Initiatoren einer künftigen Kunstakademie setzen jetzt auf Crowdfunding, erbitten Spenden und suchen nach finanzkräftigen weiteren Unterstützern. Bei allem Neuanfang möchte der Verein laut Carstensen an der bewährten Dreiteilung festhalten: Die Ausbildung freier Kunstschaffender gilt es ebenso zu ermöglichen wie die von Kunsterziehern sowie ein Kursangebot für Jugendliche.
Mögen die Initiatoren auch unter ungünstigen Voraussetzungen den Neuanfang wagen, so haben sie doch Pfunde, mit denen sich wuchern lässt: Kreatives Potenzial ist Kunstschaffenden ja ohnehin zu bescheinigen, zudem die Erfahrung, sich freiberuflich über Wasser zu halten. Und legen nicht ohnehin schwierige Zeiten auch neue Wege in der Kulturpolitik nahe? Sparvorgaben sind schnell artikuliert, sie überzeugten aber umso mehr, wenn weitergehende konzeptionelle Pläne der Kulturpolitik den alten und neueren Institutionen einen überarbeiteten Rahmen böten.
In einer Mitteilung der Initiative heißt es: „Die neue Akademie steht für Offenheit, Transparenz, moderne Kunstvermittlung und einen festen Platz für alle, die sich künstlerisch bilden wollen – unabhängig von Alter, Herkunft oder Lebenslage.“ Man will hier nicht nur junge Studierende ansprechen. Tatsächlich hat das alte Motto des Kulturpolitikers Hilmar Hofmann einer „Kultur für alle“ nichts an Berechtigung eingebüßt. Und der vom Verein beschworene Geist von „Solidarität, Entschlossenheit und dem festen Willen, weiterzumachen“ wirkt in dürftiger werdenden Zeiten noch erst recht berechtigt. Man darf also mit Spannung erwarten, welche Früchte diese Initiative noch tragen kann.
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