Mannheim. Ob Alain Rüetschli immer noch seinen so herrlich eidgenössischen Nachnamen ablegen würde, um ihn auf der Bühne gegen Frei einzutauschen? Schließlich gilt als supererfolgreiches Markenzeichen, dass ein Schweizer typisch Deutsches lustvoll wie lästerlich, aber gleichwohl liebevoll ausleuchtet – und zwar so, dass seine Fans „echt nicht meckern können“, was laut dem Comedian jenseits der Alpenrepublik für höchstes Lob steht.
Innerhalb von sieben Monaten das Mannheimer Capitol einschließlich Empore zwei Mal komplett zu füllen – das ist keineswegs selbstverständlich und kündet davon, welch steile Karriere der gelernte Fliesenleger und ausgebildete Schauspieler seit ersten Erfahrungen bei Standup-Veranstaltungen im Jahr 2010 hingelegt hat.
Humorvolle Alltagsszenen und Klischeespielereien des Kabarettisten
Mehrere Säulen tragen seine Solo-Programme: Beim Erzählen von Geschichten aus dem schnöden bis schrägen Alltag blitzt das komödiantische Talent des Noch-41-Jährigen auf. Und dabei spielt der in Köln „germanisierte“ Eidgenosse gern mit Klischees. Beispiel: Separatoren vor der Supermarktkasse. Für Schweizer sei ziemlich verwunderlich, wenn bei Deutschen „eine Synapse durchbrennt“, weil jemand wagt, seinen Einkauf ohne Warenabteiler und damit ohne „Mein-und Dein“-Trenner, aufs Band zu legen.
Auch wenn sein aktuelles Motto „Alles neu“ lautet, ist Frei so frei, alte Pointen kreativ zu recyceln. Als Brüller erweist sich die Schilderung eines Shitstorms in sozialen Medien, nachdem er sich ziemlich sachunkundig über den Schmutzlöser „WD -40“ lustig gemacht hatte. Der Tausendsassa für Werkstatt und Heim sollte sich wie geschmiert zum Running Gag des Abends entwickeln. Überhaupt versteht sich der „Migrant“ aus dem Kanton Solothurn darauf, rote Fäden zu spinnen, die einen Abend durchziehen. Sein pseudo-erotisches Hüftkreisen inbegriffen.
Alain Frei
- Alain Frei (geboren am 6. März 1983 in Werdohl, Deutschland) ist ein Schweizer Comedian , Kabarettist und Autor.
- Bekannt wurde er vor allem durch seine Auftritte im Quatsch Comedy Club und als Mitglied der Comedy-Gruppe RebellComedy. Frei lebt und arbeitet in Deutschland, unter anderem in Köln und Berlin.
- Zu seinen erfolgreichsten Soloprogrammen zählen „Neutral war gestern“, „Mach dich Frei“, „Grenzenlos“ und „Alles muss raus“
Zur Freude des Publikums kommen Fans bei ihm stets groß heraus. Während der Pause nimmt er digital per Smartphone – „Ihr könnt auch eine Brieftaube schicken!“ - Quizfragen, Anregungen und Wünsche entgegen, die er im zweiten Teil witzig wie wortreich aufpeppt. Was wohl Liebhaberei mit dem Finanzamt zu tun hat? Der Entertainer spottet verblüfft, als er erfährt, dass sich ein als Liebhaberei betriebenes Geschäft steuerlich nicht absetzen lässt. Typisch deutsch eben. Dem Comedian genügt freilich auch weniger Kurioses zum abstrusen Fabulieren. Die Tatsache, dass eine Frau aus Nussloch angereist ist, lässt ihn köstlich „aus dem Loch pfeifen“.
Alain Frei: Überraschungen und Nachwuchsförderung im Comedy-Programm
Alain Frei ist stets für Überraschung gut: Erstaunlicherweise gleicht er sich zu Beginn der Show so gar nicht. Kein Wunder, Philipp Leinenbach kommt aus dem Dunkeln und tritt an die Rampe. Und später präsentiert sich Moritz Hohl. „Ich hätte mir in meiner Anfangszeit so etwas wie einen Coach gewünscht“, begründet der Comedian, warum er Kollegen, die noch nicht den Durchbruch geschafft haben, die Möglichkeit von Kurzauftritten gewährt. Und diese bereichern den Abend - was das Publikum mit Beifall belohnt. Aber klar, dass der frotzelnde Deutsch-Analyst aus der Schweiz, aber ohne Schwizerdütsch, den größten Applaus erhält - in Kombi mit glucksendem Kichern bis brüllendem Gelächter.
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