Ludwigshafen. Sollte man ihn auf nur zwei Begriffe reduzieren, so wären es für den Jubilar diese: Charme und Schnauze. Als man sich im Wagner-Jubeljahr 2013 in Theatern gleich rechts und links des Rheines über einen neuen „Ring des Nibelungen“ Gedanken machte und Mannheims damalige Generalintendantin Regula Gerber beschied, Hansgünther Heyme solle linksrheinisch doch lieber ein Rahmenprogramm zur Nationaltheater-Tetralogie von Achim Freyer gestalten, konterte er gewohnt schlagfertig: „Ich bin für vieles in Ludwigshafen angetreten, aber bestimmt nicht, um das Begleitprogramm für Mannheim zu machen!“ Wohl wahr.
Er, der am 22. August 1935 in Bad Mergentheim geboren wurde, zählt seit den 1960er Jahren zu den wichtigen Theatermachern in Deutschland. Der in Mannheim und Heidelberg aufgewachsene Regisseur, Ausstatter, Schauspieler und Intendant war also schon vor seiner zehn Jahre währenden Intendanz im Theater im Pfalzbau (2004-2014) jemand mit großer Vergangenheit.
Hansgünther Heyme prägte das deutsche Theater über Jahrzehnte
Regisseur an der Berliner Schaubühne, den Münchner Kammerspielen und am Zürcher Schauspielhaus, Oberspielleiter in Wiesbaden, Schauspieldirektor in Köln, Stuttgart und Essen, Generalintendant in Bremen und über zehn Jahre Leiter der Ruhrfestspiele Recklinghausen: eine lange Erfolgsstrecke nicht ohne heftiges Stolpern und kräftigen Theaterdonner.
Wer sie forschen Schrittes zurücklegte, ist Hansgünther Heyme, der mit 68, einem Alter, in dem andere die Füße hochlegen oder mit Studiosusreisen durch fremde Länder pilgern, in Ludwigshafen nochmals antrat, um seine umfangreiche Erfahrung dem Pfalzbau zur Verfügung zu stellen. Die Aufgabe, der er sich im Pensionierungsalter stellte, war keine einfache: die gehaltvolle Bespielung eines Theaters in Geldnöten, ohne festes Ensemble, das sich zudem kurz nach seinem Antritt in einer notwendigen wie kostspieligen Sanierungsphase befand.
Doch der hochengagierte Theatermann rührte eifrig die Trommel. Bei Theaterfesten versteigerte er medienwirksam Backsteine gegen Spenden, wirkte jovial bei den „Leuchtturm“-Diskussionen in der Region mit, begrüßte vor Vorstellungsbeginn allabendlich die Besucher im Pfalzbau und gab im Frühjahr 2005 mit Laura Fortis „Pessach“ sein Regiedebüt als Pfalzbauintendant sogleich mit einer deutschen Erstaufführung.
Nichts Geringeres als hohe Weltkunst wollte er linksrheinisch zeigen, inszenierte mit Gästen „Dantons Tod“, das Gilgamesch-Epos und mit Wagners „Ring des Nibelungen“ auch noch große Oper, was einigen Stadtpolitikern dann doch zu hoch hinausging und zu einer Nichtverlängerung seines Vertrages mit Auslauf zum 31. Dezember 2014 führte.
Engagement in Ludwigshafen brachte internationale Akzente
Von anderen Novitäten, die er präsentierte, profitierte Ludwigshafen kräftig: Der Spielclub mit jugendlichen Theaterspielern, die Festwoche Türkei, den internationalen Choreographiewettbewerb „no ballet!“ und vor allem die Festspiele Ludwigshafen mit hochrangigen Gastspielen prägten sein Ludwigshafener Jahrzehnt, das auch eine Rückkehr war. Trotz seiner etappenreichen Deutschlandreise kennt der Schauspieler, Regisseur und Intendant die Rhein-Neckar-Region bestens: Von hier startete er seinen Weg über die Bühnenbretter der Republik.
Bereits 1956 war er Regieassistent bei Erwin Piscator in Mannheim, spielte am Nationaltheater kleinere Rollen und war von 1958 bis 1963 auch in Heidelberg engagiert, wo er zuvor Germanistik, Philosophie und Soziologie studiert hatte. Politisches Bewusstsein, aktuelle Deutungen und historische Analysen bildeten von Anfang an die Grundmotivation seiner Theaterarbeit, die bundesweit mit Schiller- und Ibsen-Inszenierungen sowie mehreren Antikenprojekten Anerkennung fand. Weggefährten und Kritiker attestieren ihm durchweg die Qualitäten eines „engagierteren Kämpfers des politischen Theaters“. Dass er sich damit auf seinem langen beruflichen Weg nicht nur Freunde gemacht hat, ist verständlich.
Heyme besitzt einen so forsch-trockenen wie entwaffnenden Humor, schätzt die klare Sprache, die er selbst spricht; ein verquälter Kulturdiplomat war er nie. Ihn als streitbar und streitlustig einzuschätzen, ist für einen profilierten Theatermann durchaus als Kompliment zu verstehen. Nach seinen großen Stationen machte Heyme im letzten Jahrzehnt überregional vor allem mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen Furore, die er ab 1991 leitete und zu einem europäischen Festival mit internationalen Gastspielen und respektablem Ruf entwickelte.
Zum 90. Geburtstag blickt er auf eine umfangreiche Karriere zurück
Fünf Einladungen zum Berliner Theatertreffen und etliche Leitungspositionen an deutschen Bühnen sind eine hübsche Bilanz für ein Theaterleben und einen 90. Geburtstag. Verbringen wird er ihn mit seiner Familie in einem Kölner Pflegeheim, wo er aufgrund der Folgen eines Schlaganfalls seit zwei Jahren lebt. Es gehe ihm so weit gut, bestätigte uns sein Sohn Titus telefonisch. Von hier, wo seine große Theaterkarriere begann und endete, gratulieren wir ihm herzlich.
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