Neue EP der Popakademikerin

Soffies Leben und Werk nach „Für immer Frühling“

Darum konzentriert sich Wahl-Mannheimerin auf ihrem neuen „Kurzalbum“ auf positive, psychologische Inhalte

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Die Sängerin Soffie steht auf einer Straße in der Mannheimer Innenstadt. Bild: Boris Roessler/dpa © Boris Roessler/dpa

Mannheim. Soffie ist im Februar 2024 mit „Für immer Frühling“ einer der größten Hits gelungen, die je im Umfeld der Mannheimer Popakademie entstanden sind. Das beutet nicht nur 60 Millionen Klicks und 1,1 Millionen monatliche Hörende allein beim Streamingdienst Spotify, die nur von Stars wie Alice Merton, Joris, Crada oder Paula Carolina übertroffen werden. Noch dazu, wurde der fröhliche Ohrwurm mit dem undogmatisch migrationsfreundlichen Text via TikTok zur Hymne der Pro-Demokratie-Demontrationen - was nicht nur eine bekennende Die-Linke-Wählerin wie Soffie als Auszeichnung empfinden muss. Die Schattenseite: Kübelweise Hass und Häme aus der rechten Filterblase. Vielleicht klingt „Unterwegs“, das neue Kurzalbum der Wahl-Mannheimerin deshalb ganz anders.

Die meisten der sechs Tracks haben eigentlich eine aufmunternde fröhliche Grundstimmung wie das folgenreiche „Für immer Frühling“. Das Tempo und die Beats sind zum Beispiel beim Opener „Jana“ anregend, es gibt später auch mal fröhliche Deutschpop-Chöre, aber auch originell-orchestrale Sound-Effekte. Aber falls Euphorie aufkommt, wird sie mitunter konterkariert von fast lakonisch gestimmtem Lead-Gesang. Selbst wenn Soffie im zweiten Lied den euphorischen Refrain „Ich hab endlos, endlos Energie“ singt, klingt das etwas gedimmt. Was reizvoll ist.

Die Texte psychologisieren nach innen und außen

Die Texte psychologisieren, richten sich mitunter selbstanalytisch nach innen: So reibt sich der Inhalt von „Energie“ spannungsreich an der wuchtigen, nasch vorn drängenden Produktion: „Es reicht ein kaputter Draht / Ein Riss in der Fassade / Früher gab es Tage / Hab‘ für andere gestrahlt / Ich hab‘ mich vergraben, zu lange abgewartet / Den Preis dafür gezahlt / Hab‘ Angst, dass ich versage, könnt es nicht ertragen / Hab‘ den Himmel schwarz gemalt.“ Dann folgt der Refrain: „Ich war ausgebrannt, hab‘ gar nichts mehr gefühlt / Doch unter der Asche hat noch immer was geglüht / Ich will Feuer fang‘n, setz‘ die Füße auf den Beat / Heute hab‘ ich endlos, endlos Energie.“ Damit singt die 25-Jährige vermutlich einem Großteil ihrer von Pandemie, Kriegsfolgen und Polarisierung aus dem Herzen.

Und die Ex-Popakademikerin kann davon mehr als ein Lied singen: „Schalt mich an“ setzt das Thema fast nahtlos fort: „Bin zu hoch geflogen, in der Sonne verbrannt / Ich entzünde mich daran / Wenn ich zu glühen beginne, löschst du mich dann? (...) Jetzt zerschlag‘ ich alle Scheiben mit den allergrößten Stein‘n / Neue Haare, neues Mindset, ich werd‘ mich neu gestalten / Hier ist kein Platz mehr für Altes.“

Spätestens in der emotional sehr offenen Liebeskummerballade „Poltergeist“ zeigt die 1999 in Backnang geborene Sofie Aspacher, dass sie gesanglich aus der Masse der Nur-ein-weiblicher-Vorname-Acts à la Lotte, Lena, Leony herausragen kann: Sie beherrscht große Gefühle und stimmliche Kapriolen wie LEA, originelle Wendungen und Klangeffekte wie Mine, gepaart mit der Intensität von Cäthe.

„Heute trag‘ ich eine Haut / Härter als der Hass“

Der Titelsong „Unterwegs“ klingt regelrecht programmatisch, wie ein Dialog mit der nach wie vor wutschäumenden braunblauen Ecke im Internet: „Wovor hast du Angst? / Was wurde dir genommen, dass du deine müden Daum’n nicht vom Display lassen kannst?“, fragt Soffie. Und richtet den Blick kurz nach innen: „Wer bin ich? / Bin ich zu viel oder zu wenig?“. Um dann fortzufahren: „Dein Wunsch mir das zu sagen, ist der Spiegel deiner Seele / Gestern traf mich das, heute trag‘ ich eine Haut / Härter als der Hass, stärker als die Wut, egal wie laut.“ Es folgt der gesunde Rat: „Heb dir deine Worte bitte für den Therapeuten auf / Ich bin schon lange raus.“

Positive Energie: Popsängerin Soffie. © Boris Roessler/dpa

Dass die junge Frau nach den Folgen von „Für immer Frühling“ keine Lust darauf hat, eine Karriere als politische Liedermacherin zu forcieren, ist mehr als nachvollziehbar. Folgerichtig handeln die neuen Songs von allgemein positiven Themen: Aufbruch, Veränderung und dem Mut, Frieden mit der Vergangenheit zu schließen.

Eine zentrale Frage dazu formuliert sie in „Jana“: „Und wenn die Sonne untergeht, auch wenn dich niemand sieht, weißt du dann wirklich, wer du bist und für wen du gerade lebst?“ Zu ihrer neuen EP befragt, erläutert Soffie: „Es hat etwas Befreiendes, sich von dem zu lösen, was man nicht ändern kann, und voller Hoffnung in die Zukunft zu blicken. Ich möchte alle ermutigen, so laut wie möglich zu leben und sich niemals für ihre Gefühle zu schämen.“

Am 27. Mai im Gespräch in der Reihe Popakademie Talks

Dass sie weiterhin eingängige Refrains beherrscht, zeigen vor allem das vom Leben eines entfremdet lebenden TikTok-Users inspirierte „Jana“ (850.000 Spoty-Klicks) und „Energie“ (460.000). Soffies derzeit laufende Deutschland-Tour führt sie leider nicht in die Region. Am 24. Mai spielt sie im Spardawelt Eventcenter Stuttgart, am 25. Juli beim Fest in Karlsruhe. Immerhin kann man Soffie am Dienstag, 27. Mai, 19 Uhr, gemeinsam mit dem Hamburger Musiker Marlo Grosshardt beim Gespäch in der Reihe Popakademie Talks im Gespräch erleben.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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