Bad Dürkheim. Der sechste Elwenfels-Roman steht in den Läden: „Weinbergblut“ entwickelt die wohl erfolgreichste Regionalkrimireihe der Kurpfalz sehr zeitgemäß weiter – ohne das liebenswerte Lokalkolorit dieses mystisch angehauchten Dörfchens im Pfälzerwald zu verspielen. Diese Entwicklung macht die Serie von Band zu Band lesenswerter. Auch das Zusammenspiel des Autorenpaars Britta und Chako Habekost verändert sich: Der pfälzische Slang und die Hymnen auf das örtliche Lebensgefühl des in Mannheim geborenen Kabarettisten werden in der Schreibwerkstatt in der gemeinsamen Wahlheimat Bad Dürkheim immer besser austariert mit der durchdachten Erzählstruktur der routinierten Krimi-Autorin. Auf Chako-typische Knallersprüche aus der deftigen pälzer Volkseele wird natürlich nicht verzichtet Der Beste: „Ich hab uff emol Tinnitus in de Auge. Ich seh bloß noch Pfeife.“
Detektiv-Geschichten mit Mystery- und Soap-Opera-Anteilen
Britta Habekost hat zuletzt mit dem Historien-Thriller „Der Untergang von Thornton Hall“ ihren bisher stärksten Roman veröffentlicht. „Weinbergblut“ entwickelt eine ähnliche Sogwirkung. Die Mischung macht ihn dabei so unterhaltsam: Das „Whodunnit“, die unvermeidliche Frage des Detektivromans „Wer ist der Mörder?“, ist nur eine von vielen Hauptsachen. Es gibt Soap-Opera-Aspekte wie die Liebesbeziehung des in Elwenfels gestrandeten Hamburger Ex-Polizisten Carlos Herb, der Verbrechen förmlich anzuziehen scheint, mit der Winzerin Charlotte. Zwei, drei Mystery-Aspekte durchziehen die gesamte Serie, deren Bände man trotzdem unabhängig voneinander lesen kann. Und das Autorenpaar ist fast so radikal wie die Köpfe hinter Serien wie „Game Of Thrones“, wenn es darum geht, sich von Liebgewordenem zu trennen.
So ist Elwenfels im sechsten Band längst nicht mehr die geheimnisvoll abgeschiedene Dorfidylle. Im Gegenteil: Es wird überrannt von Touristen aus aller Welt. Dasselbe hatte Neuseeland nach dem Erfolg der „Herr der Ringe“-Filmtrilogie erlebt oder Dubrovnik durch „Game Of Thrones“. Das im Asterix-Sinne sehr gallische Dorf Elwenfels wird durch diesen Run gespalten: In Traditionalisten, die um die Lebensart und Geheimnisse des Walddorfs fürchten, und Geschäftstüchtige, die gut daran verdienen. Einer der vorangegangenen Mordfälle war verfilmt worden vom Streaming-Dienst Flixnet. Und die Serie Village Of The Wicked“ war so erfolgreich, dass die Besucher scharenweise einfallen. Die Krimi-Autorin Isolde Halbermond quartiert sich sogar dauerhaft in Elwenfels ein.
Das Dorf macht dem Horrorfilmreifen Titel der Flixnet-Serie alle Ehre, als der auf Touren durch Lost Spaces spezialisierte Influencer Kevin Möck im Keller der örtlichen Weinstube ein Geheimnis wittert. Professionell ausgerüstet wie ein Höhlenforscher dringt er nachts ein und: „Sein Herz schlug ihm jetzt bis zum Hals, wie immer als ,The Intruder‘, wie sein Onlineprojekt hieß, wenn er in verlassene Gebäude einstieg, Ruinen erkundete, in verlassene Gefilde vordrang. Dieser Rausch der Ungewissheit! Er war süchtig danach.“ Der Rausch endet abrupt und tödlich auf der Kellertreppe.
Letzte mysteriöse Momente live auf YouTube
Möcks mysteriöse letzten Momente erleben seine Follower – und Gegner – live via YouTube mit. Dementsprechend schnell ist die Polizei aus Ludwigshafen vor Ort. Carlos Herb gerät in einen Interessenkonflikt, weil er die Wirtin der Weinstube zu schützen versucht – obwohl er eigentlich vorhat, in den Staatsdienst zurückzukehren. So entspinnt sich die Krimihandlung unterhaltsam zwischen Elwenfels-Idylle und virtuellem Raum. Flixnet, äh Netflix, sollte sich die Elwenfels-Romane mal genauer anschauen.
Zum Buch
Britta & Christian Habekost: „Weinbergblut“ . Piper. 348 Seiten. 14 Euro)
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