Den 6. Oktober 2025 wird Tobias Eckerlin wohl sein Leben lang nicht vergessen. Egal, was in der Karriere des in Schwetzingen geborenen Filmregisseurs noch passieren wird: Es wird der Tag gewesen sein, an dem Eckerlin den unter jungen Filmschaffenden so begehrten Student Academy Award bekommen haben wird. Über die auch als „Studenten Oscar“ firmierende Auszeichnung und seinen Film „A Sparrow‘s Song“ spricht Eckerlin im Interview.
Herr Eckerlin, der Studenten-Oscar für Sie - Gratulation. Sie sind wahrscheinlich total geflasht. Haben Sie denn schon ein Flugticket, um am 6. Oktober in New York vor Ort zu sein?
Tobias Eckerlin: Ja, ich bin wirklich überwältigt und freue mich riesig über die Auszeichnung. Die Flüge sind noch nicht gebucht, aber zusammen mit dem Kernteam planen wir gerade unsere Anreise.
Warum, glauben Sie, kriegen Sie den Award? Weil Ihr Film über Krieg und Empathie einen Nerv trifft - gerade jetzt in diesen Kriegs-, Krisen- und Trumpzeiten?
Eckerlin: Ich denke, da kommen mehrere Aspekte zusammen, da der Film auf mehreren Ebenen erzählt. Er spielt zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, könnte aber ebenso in einer anderen Krisensituation stattfinden. Mir war es wichtig, den wahren Kern der Geschichte beizubehalten, um eine stärkere Wirkung zu entfalten und sie leichter zugänglich zu machen. Meiner Ansicht nach ist es auch wichtig, aus Geschichte zu lernen.
Darum geht es im Großen, aber was sind die kleinen Themen, die menschlichen?
Eckerlin: Im Kern geht es darum, zu sich selbst zu finden und eine Krise oder ein Trauma zu überwinden, indem man anderen hilft. Besonders die inneren Verletzungen, die Menschen durch unterschiedlichste Extremsituationen erfahren können und die nach außen hin auf den ersten Blick nicht so sichtbar sind. Der Spatz symbolisiert dabei Hoffnung und Leben. Es geht auch darum, wie das Individuum in solch einer schweren Zeit zum Zusammenhalt beitragen kann. All das sind sicher Aspekte, über die sich viele Menschen gerade in den letzten Jahren Gedanken gemacht haben. Die Art und Weise, wie wir das in diesem Film erzählen und umgesetzt haben, zeichnet die Arbeit zusätzlich aus.
Die Oscar-Verleihung ist immer wieder zum Politikum geworden. Wie politisch dürfen Filme, darf Kunst, dürfen Ihre persönlichen Filme sein?
Eckerlin: „A Sparrow’s Song“ ist kein politischer Film – es ist ein menschlicher Film. Dennoch: Kunst kann, darf und manchmal muss sie politisch sein. Im Entstehungsprozess liegt das ganz beim Künstler. Sobald ein Werk jedoch veröffentlicht wird, hat der Künstler keine Kontrolle mehr darüber. Ab dann entscheidet das Publikum, wie politisch die Kunst wahrgenommen wird.
Es ist ja auch ein Animationsfilm. Warum haben Sie sich für diese Technik entschieden und gegen echte Schauspieler?
Eckerlin: Animation ist ein sehr durchdachter und langsamer Prozess, bei dem nichts dem Zufall überlassen wird, genau das liegt mir persönlich sehr. Außerdem ermöglicht sie, alles zu erzählen und darzustellen, was man sich vorstellen kann. Zum Beispiel einen kleinen Spatz, der zum Klavierspiel einer alten Frau singt. Der Animation liegt auch eine gewisse Konsistenz zugrunde: Für einen Film werden bestimmte Regeln festgelegt, und wenn man sich auf sie einlässt, kann man etwas ganz Wunderbares sehen. Und auch am Animationsfilm arbeiten echte Schauspielerinnen und Schauspieler mit, nicht nur als Sprecher:innen. Selbst die Animator:innen kann man als Schauspieler:innen betrachten. Es ist ein besonderes Medium.
Zehn Minuten Animationsfilm - wie viele Menschen arbeiten daran wie viele Stunden?
Eckerlin: Wir haben etwa drei Jahre an diesem Film gearbeitet. Das Kernteam bestand aus sechs Personen, insgesamt waren jedoch 56 Artists beteiligt. Allein an der Animation der Charaktere haben 22 Personen mitgewirkt. Als grober Richtwert werden etwa vier Sekunden pro Woche animiert. Es ist also ein sehr zeitintensiver Entstehungsprozess, aber einer, der sich lohnt.
Vier Sekunden pro Woche -– hochgerechnet auf einen großen Film von sagen wir 120 Minuten würde dessen Produktion 34 Jahre dauern… Für wann planen Sie Ihren ersten Longplayer?
Eckerlin: Im Schnitt dauert die Produktion eines abendfüllenden Animationsfilms etwa vier Jahre. Möglich ist das natürlich nur, wenn ein ausreichend großes Team dahintersteht. An solchen Projekten arbeiten unzählige Menschen, deshalb lohnt es sich, auch mal den Abspann genauer anzuschauen. Kurzfilme bieten ja einen wunderbaren Rahmen, um Geschichten zu erzählen, aber ich habe definitiv Interesse daran, auch einen Langfilm zu realisieren. Vielleicht wird das ja schon beim nächstes Projekt der Fall sein. Die Entwicklung wird es zeigen.
Tobias Eckerlin
- Tobias Eckerlin, geboren 1993 in Schwetzingen , ist Regisseur und CGI-Artist. 2018 erwarb er seinen Master of Arts in Kommunikationsdesign an der Hochschule Mannheim, wo sich sein kreativer Schwerpunkt von Fotografie über Live-Action bis hin zu CGI und Animation entwickelte.
- Im Jahr 2025 schloss er sein Studium an der renommierten Filmakademie Baden-Württemberg mit einem Diplom in Animationsregie ab. Als Diplomarbeit schrieb und inszenierte er den animierten Kurzfilm „A Sparrow‘s Song“.
- Am 6. Oktober 2025 erhält Eckerlin für „A Sparrow‘s Song“ den Student Academy Award (Studenten-Oscar ).
Sie haben jetzt vermutlich keine Probleme mehr, Fördergelder zu bekommen. Wie beurteilen Sie die Filmförderung in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern?
Eckerlin: Da „A Sparrow’s Song“ im Rahmen meines Studiums entstanden ist, hatte ich bislang eigentlich keinen direkten Kontakt zur Filmförderung und kann daher auch keinen Vergleich zu anderen Ländern ziehen. Was den Animationsfilm betrifft, braucht es in Deutschland aber einen anderen Blick. Hierzulande wird Animation meist noch als Medium für Kinder wahrgenommen. Das ist zwar ein wichtiger und wertvoller Aspekt, doch Animation kann so viel mehr sein. Ein Blick nach Frankreich oder nach Amerika zeigt, dass Animationsfilme dort ganz andere Möglichkeiten haben. Besonders in Frankreich genießen Animation und Kunst allgemein einen viel höheren Stellenwert in der Gesellschaft. Wenn man sich die aktuelle Entwicklung ansieht, merkt man, dass Animation ganz oben mitspielt und entsprechend auch in Deutschland neu gesehen werden muss.
Glauben Sie, dass mit den digitalen Entwicklungen, deren unendliche Möglichkeiten uns derzeit KI andeutet, der Film mit echten Menschen über kurz oder lang sterben wird?
Eckerlin: Nein, das glaube ich nicht. Digitale Entwicklungen haben in der Regel viele neue Möglichkeiten eröffnet, gerade im Hinblick auf Film. KI ist sicher eine andere Dimension, die natürlich auch Möglichkeiten eröffnet, aber auf vielen Ebenen auch Risiken mit sich bringt. Das muss man genau beobachten und stetig hinterfragen, vor allem, was dahintersteckt und wer das vorantreibt.
Was ist nötig?
Eckerlin: In meiner Erfahrung sind die Tools aktuell noch sehr limitiert. Sie erzeugen zwar etwas, aber nie das, was man im Kopf hat, und auch nicht in der gewünschten Qualität. Etwas ganz Essenzielles, das bei der Nutzung von generativer KI fehlt, ist der Schaffensprozess. Viel entsteht ja in der Umsetzung. Zum einen, weil man sich tiefer in ein Thema hineinarbeitet, und zum anderen durch die unterschiedlichen Perspektiven, die durch die Artists, die gemeinsam an einer Vision arbeiten, dazukommen. Genau darin steckt die eigentliche Magie, und das fällt weg.
Sie glauben, der Mensch wird das spüren?
Eckerlin: Ja, ich denke, das Publikum spürt das und wird lernen zu unterscheiden, welche Geschichten qualitativ von Menschen erzählt werden. Sicherlich wird es eine Übergangsphase geben, aber all die Menschen, die im Film- und Animationsbereich tätig sind, machen das aus Überzeugung und Leidenschaft – und genau das wird nicht verschwinden.
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