Mannheim. Den Streifzug quer durch Malstile rundet ein „Pigcasso“ ab. Nein, das ist kein Tippfehler! So hieß nämlich jene Schweinedame, die mit Pinsel in der Schnauze ziemlich farbenfroh Leinwände füllte, abstrakt versteht sich. Jakob Schwerdtfeger, Erfinder der Kunstcomedy, bringt bei seinem Auftritt an kunstsinnigem Ort, nämlich in der Mannheimer Kunsthalle, die saustarke Malerin näher. Aber eigentlich präsentiert er wortreich auf der Leinwand von Menschen kreierte Meisterwerke, die jeder kennt und doch neu kennenlernt - weil der Blick des Mittdreißigers ziemlich anders ist.
„Kunst kommt von können, nicht von wollen, sonst müsste es ja Wunst heißen“, lautet ein Klassiker-Spruch des Komikers Karl Valentin. Bei seinem ganz speziellen Nachfolger Schwerdtfeger mutiert diese zu „Lunst“. Ja, über Kunst darf man lachen, findet der Kunsthistoriker, der gleichwohl Kunst kein bisschen der Lächerlichkeit preisgibt - dafür reichlich Lust darauf macht. Beispielsweise bei seinem Sechs-Minuten-Quickie zu sechs Jahrhunderten Kunstgeschichte mittels köstlicher Kurzdefinitionen. Also Barock ist, wenn es üppig gülden prunkt, während beim Rokoko die Malerei so wirkt, wie Raumspray riecht.
Revolution, die im schwarzen Quadrat springt
„Ich sehe was, was Du nicht siehst, und das ist Kunst“ – diesen Titel hat der Wahl-Frankfurter aus Hannover seinem Buch gegeben, das es zum Erstaunen des Autors in die Spiegel-Bestsellerliste gebracht hat. Klar liest er daraus vor - und passend zur Quadratestadt Auszüge aus dem Kapitel über das „Schwarze Quadrat“ des Avantgardekünstler Malewitsch, das es erst zur Revolutionärin und dann zur Ikone der Malerei des 20. Jahrhunderts bringen sollte.
In dem knallvollen Saal direkt neben der Ausstellung „Die Neue Sachlichkeit“ sieht das Publikum ebenfalls etwas, was es ohne den leidenschaftlichen „Kunstjunkie“ nicht sehen würde. Beispielsweise, dass jener Schimmel, der Napoleon auf dem heroischen Historiengemälde von Jacques-Louis David mit irr blickenden Augen und geblähten Nüstern über die Alpen trägt, „wie auf Koks“ erscheint.
Und wer schaut schon so genau hin, was in Wartezimmern von Ärzten hängt?! Also ein Druck des Selbstporträts von Vincent van Gogh mit Ohr-Verletzung bei einem HNO-Arzt, der gehe gar nicht, findet Schwerdtfeger. Hingegen kann er sich eine dramatische Szene, wie der biblische Samson mit dem Löwen ringt und diesem das Maul aufreißt, ziemlich gut bei einem Zahnarzt vorstellen. Und ein Kandinsky-Werk, das „visueller Fahrstuhlmusik“ gleicht, empfiehlt er für all jene Arztpraxen, in denen Patienten erst einmal herunterkommen sollten. Beispielsweise mit Herzkasper beim Kardiologen.
Kunstbanausen und Kunstnerds willkommen
Das müsse er häufig auch, einen Gang runter schalten, erzählt der energiegeladene Comedian und verrät, dass er genau deshalb die von Jan Vermeer gemalte „Dienstmagd mit Milchkrug“ zu seinem Lieblingsbild gekürt hat – „denn die ist komplett im Moment und ruht in sich“. Dafür kommt das Publikum nicht zur Ruhe, jedenfalls beim schrägen Themen-Hopping, das Konzentration erfordert. Allerdings dürften wenige jener Kunstbanausen und Kunstnerds, die Schwerdtfeger ebenfalls unterhalten möchte, in die Kunsthalle gekommen sein.
Bei einer der eingeblockten Fragerunden soll der Kunstervermittler erklären, ob er künstlerische Intelligenz der künstlichen für überlegen hält. Solange KI vorgegebene Regeln befolgt, statt diese zu brechen, ist Schwerdtfeger überzeugt, werde wohl der Mensch die Nase kreativ vorn haben.
Comedy über Kunst
Der Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger hat das Genre der Kunstcomedy erfunden. Zunächst trat er ab 2012 bei Poetry Slams und als Freestyle-Rapper auf.
Nach dem Studium arbeitete er im renommierten Städel-Museum in Frankfurt als Kunstvermittler. In dieser Zeit wurde sein Digitorial über „Monet und die Geburt des Impressionismus“ mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnet.
Der 36-Jährige hat Kunst verwoben mit Humor auf der Bühne wie in sozialen Medien und auch als Autor zu seinem Markenzeichen gemacht. wam
Eine regelrechte Spürnase, fast wie von einem Trüffelschwein beziehungsweise von „Pigcasso“, zeichnet den Kunstcomedian aus, wenn es gilt, Gemälde aufzuspüren, die auf den zweiten Blick Komik offenbaren: wie Raffaels weltberühmte „Schule von Athen“, in der selbst große Philosophen auf Marmorstufen voneinander abschreiben, als seien sie Pennäler auf Holzbänken. Dass legendäre Motive wie die zwei „Engel der Sixtina“ heutzutage als werbende Konsumbotschafter unterwegs sind und uns dabei auch schon mal am Allerwertesten vorbeigehen, demonstriert der Mann im Hemd mit einschlägig bedrucktem Klopapier. Motto: Putten am Po.
Als Finale seines Soloprogramms „Meisterwerk“ verblüfft das Multitalent als Freestyle-Rapper. Dafür hat er sich über ein Dutzend Begriffe zurufen lassen. Die bei solch einem Abend nahe liegende „Mona“ bringt er in seinem Spontantext genauso unter wie das Kunststückchen und die Wäscheklammer samt dem Elefanten. Das Publikum zeigt sich von dem gerappten „Wimmel(wort)bild“ begeistert.
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