Schauspiel

Premiere am TiG7: „Wir haben nur die Menschen!“

Premiere der feministischen Pandora-Produktion „Guts“ im Mannheimer Theaterhaus TiG 7.

Von 
Christel Heybrock
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Unschwer zu erkennen, was bei "Guts" im Theaterhaus G7 in der Kritik steht. © Christian Kleiner

Mannheim. Volles Foyer im TiG 7, das neue Stück „Guts“ ist zur Premiere offenbar ausverkauft, als die Nachricht verkündet wird, dass nach dem 30. Juni zwei Prozent Fördergelder gestrichen seien, und das betreffe nicht allein das TiG 7. Drohen weitere Kürzungen und wie soll es langfristig weitergehen? Kann sich eine freie junge Szene dann noch halten?

Das Pandora-Team beweist mit der dritten Produktion „Guts“, dass kritisches Nachdenken über soziale Klischees und Widersprüche zu seiner künstlerischen DNA gehört - vielleicht gibt die finanzielle Situation das Thema eines vierten Stücks ab, sofern es weiter gehen kann? Bisher hat man sich auf Kinder- und Jugendthemen fokussiert, und auch „Guts“ (Innereien) richtet sich an Zuschauer ab 16. Wobei auch Ältere nicht fehl am Platz sind, denn es geht allgemein um das Leben von Frauen. Obwohl in der Vorankündigung von „Horror“ und „Gänsehaut“ die Rede ist, wirkt das Tempo der Veranstaltung keineswegs schwindelerregend, die teils erschreckende Thematik lässt eine Tiefendimension zu.

Stammen Text und Dramaturgie von Laura Álvarez, das Lichtdesign von Vivian Schöchlin und der Sound von Jonas Werling, so stehen lediglich zwei Frauen auf der Bühne – Anna Göbel und Lena Ritthaler, beide ausgebildet an der Theaterakademie Mannheim, aktiv über Pandora hinaus. An Requisiten braucht es nur Licht, fetzige Takes aus Film, Fernsehen und Videos, eine Zinkbadewanne sowie einen mitunter farbig angestrahlten, transparenten Plastikvorhang, auf dem vor Beginn weibliche Hände zu sehen sind.

Persephone und Antigone – antike Figuren der Gegenwart

Als Instrumente des Berührens und des Festhaltens spielen die Hände unaufdringlich auch anschließend eine Rolle, ebenso wie der Vorhang, der wie eine soziale Haut die Darstellerinnen von der Lebensrealität trennt – es ist diese Haut, die sie in ihrer Vorprägung als Frau behindert. In einer irren Szene erscheint Maria, den Vorhang als zerknautschten Madonnenmantel überm Kopf, und beruft sich auf das Jungfernhäutchen, das bei der Zeugung Jesu erhalten blieb, im Gegensatz zu anderen Frauen, deren Empfängnis ja befleckt sei. Und das Thema Haut spielt bei Frauen noch eine andere Rolle – was ist mit Cellulitis?

Der Freien Kunstszene Mannheims drohen Kürzungen: auch das ein Grund für heftige Verzweiflung. © Christian Kleiner

Die Gleichzeitigkeit sozialer Klischees über Epochen hinweg gibt der Produktion den Drive, die Gleichzeitigkeit von Verletzungen und Bindungen, denen Frauen unterworfen sind.

Mit blutigen Händen, mit selbst- und fremdverursachten Verletzungen agieren die beiden über Phasen hinweg, zitieren, tot in der Badewanne, die antike Persephone oder erinnern, die Badewanne zum Rednerpult hochgestellt, an die Verurteilung der Antigone: Frauen, die sich außerhalb politischer Norm bewegen, geht es heute nicht besser. Schließlich analysieren sie ihre Mutterrolle und deren Widersprüche… „und wenn du das alles hinter dir hast, kommt die Menopause“, letztlich eine Befreiung, die eine Frau zur Person macht über das Geschlecht hinaus.

„Und die Menschen?“ – „Die Menschen sind Scheiße…“ – „Die Menschen sind alles, was wir haben. Wir haben nur die Menschen.“ Herzlicher Beifall, Blumen für das Team, dem man eine stabile Zukunft wünschen möchte. hey

Freie Autorin MM Kulturredaktion 1974-2001, Fachgebiet Bildende Kunst

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