Mannheim. Seltsam fremdartig wirken diese Bilder, mysteriös geradezu, und es scheint nicht übertrieben, in den verwaschenen Konturen auch etwas Geisterhaftes zu erahnen. Menschliche Köpfe bilden den Ausgangspunkt der Ölbilder des jungen japanischen Künstlers Shimpei Yoshida, einmal sind jedoch nur Hände zu sehen, und immer verweigern sich die Bilder einer Einordnung als Porträts, denn es sind hier keine Individuen zu identifizieren. Mehrfach sind die Personen nur von hinten abgebildet, und wo sie den Betrachtenden ihre Gesichter zuwenden, ist dieses kaum kenntlich, was besonders für die Augenpartie gilt. Keinem Blick begegnet man hier, aber auf ganz eigene Art ansprechend sind die Bilder der Serie „The Poetics of Silence“ (Poetik der Stille) dennoch.
Der 1992 geborene, in Tokio lebende Künstler hat schon mehrfach auch in Europa ausgestellt; ein Stipendium führte ihn nach Hamburg. Nun sind Arbeiten von ihm, kuratiert von Stefano Agresti, im Studio der Mannheimer Kunsthalle zu sehen. Einmal mehr lässt sich so eine reizvolle junge künstlerische Position kennenlernen, ermöglicht vom jungen Förderverein der Kunsthalle, den „ARTgenossen“. Im Zentrum der Arbeit des Japaners steht die Malerei und deren Tradition in Ost und West. Die traditionellen Frisuren der Personen heben sie aus dem Kontext der unmittelbaren Gegenwart, und die matten Farben können einen an neusachliche Malerei erinnern, die unscharfen Konturen aber auch an Gerhard Richter.
Shimpei Yoshida hat jedoch seinen eigenen Stil gefunden - und die Inspiration zu den Bildern fand er in einem auf dem Flohmarkt erstandenen Familienalbum mit Fotografien von ihm unbekannten Menschen. Das Album steht für eine Begegnung mit der Vergangenheit. Zeitliche Bezüge hinter sich zu lassen ist insgesamt ein Charakteristikum von diesem Bilderzyklus. Ins Jenseitige entrückt scheint hier alles, Raum und Zeit sind aufgehoben.
Nach einer Studio-Schau angekauft und jetzt im Jugendstilbau zu sehen
Bis 23. November ist der Zyklus nun im Studio des Museumsneubaus zu sehen. Und vielleicht findet sich danach eine Möglichkeit, um ihn für die Mannheimer Sammlung anzukaufen. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine junge Kunstposition der Kunsthalle nach einer Studio-Schau erhalten bleibt. So war es auch im Falle von Itamar Gov, dessen Videoinstallation „Breker CCTV“ vom Förderkreis der Kunsthalle erworben wurde und im Jugendstilbau der Kunsthalle im Rahmen der Neupräsentation der Sammlung zu sehen ist.
Diese Auseinandersetzung mit Kunst aus der Zeit des Nationalsozialismus im öffentlichen Raum nimmt hier einen zentralen Platz ein - und wurde ergänzt durch zwei Skulpturen von Künstlern, die während des Nationalsozialismus in Deutschland sehr geschätzt waren, Richard Scheibe und Hermann Geibel. Fast droht manches Kleinere unterzugehen angesichts von dieser Präsenz. In einem anderen Raum ist beispielsweise wieder Caspar David Friedrichs kleiner, feiner „Abend“ zu sehen. Nicht dem Land widmet sich der Maler hier, sondern dem Atmosphärischen darüber, der in sanftes Licht getauchten Luft, den Wolken, dem Himmel. Auch hier scheinen Raum und Zeit nahezu aufgehoben, und so ergibt sich ein reizvoller Bezug zur aktuell im Studio gezeigten „Poetik der Stille“.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-regionale-kultur-poetische-stille-kunsthalle-zeigt-shimpei-yoshida-_arid,2325881.html