Das Interview

Markus Altmeyer: Abenteuer im magischen Mannheimer Museum

Der Schriftsteller Markus Altmeyer wohnt seit 1. April in der Alten Feuerwache Mannheim. Im Interview erzählt er, was er als „Feuergriffel“-Stipendiat die nächsten Monate tun wird.

Von 
Stefan M. Dettlinger
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Frisch in die Alte Feuerwache gezogen: Der „Feuergriffel“-Stipendiat Markus Altmeyer in seinem Schreibdomizil. © Markus Proßwitz | masterpress

Mannheim. Am 1. April hat der neue Mannheimer „Feuergriffel“-Stipendiat seine Wohnung in der Alten Feuerwache bezogen. Wir haben ihn gleich getroffen.

Herr Altmeyer, als Neuling im Kinder- und Jugendbuchbereich: Was wird Ihnen bei Ihrem Projekt am wichtigsten sein?

Markus Altmeyer: Das könnte ein schmaler Grat werden. Wichtig wird daher sein, auch die Abenteuergeschichte als Unterhaltungsgenre ernstzunehmen. Ich möchte versuchen, die Welt der Kunst über die Gefühle der Kinder zugänglich zu machen, ohne dabei zu didaktisch und museumspädagogisch zu wirken.

Aber Abenteuer und Unterhaltung – das war doch nie ein Widerspruch …

Altmeyer: Das stimmt. Ich meinte das auch eher in Abgrenzung beispielsweise zu einer Art erzählendem Sachbuch über Kunst und Psychologie. Die Gefahr besteht vielleicht, wenn man zu sehr vom Thema her denkt. Umso wichtiger ist es, die unterhaltsame Prämisse, in den Gemälden des Museums aufregende Abenteuer erleben zu können, ernst zu nehmen und eine spannende und gut geplottete Geschichte zu erzählen, die uns dann en passant in die Tiefen der Kunst und des Unbewussten führt.

Genau, es geht ja um ein magisches Museum, in dem man Bilder betreten kann. Ist da ein Hauch Harry Potter drin?

Altmeyer: Leider muss ich zugeben, dass ich einer der wenigen Menschen bin, die bisher nicht sehr tief in das Harry Potter-Universum eingetaucht sind. Aber vielleicht nehme ich ja die Recherche für dieses Projekt zum Anlass, das zu ändern. Sie würden mir die Lektüre empfehlen?

Können Sie 600 Millionen verkaufte Exemplare überzeugen?

Altmeyer: Tatsächlich überzeugt mich quantitativer Erfolg erstmal nicht per se. Der Markt produziert ja nicht nur Gutes. Als Drehbuchautor werde ich immer wieder mit Fernsehquoten konfrontiert. Hier gibt es definitiv keine positive Korrelation zwischen Erfolg und Qualität. Manchmal hat man den Eindruck, das Gegenteil könnte der Fall sein. Aber sagen Sie’s nicht weiter.

Neuer Mannheimer Stadtschreiber Markus Altmeyer

  • Der Autor: Markus B. Altmeyer, 1984 in Mannheim geboren, studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft sowie Psychologie und Pädagogik in München und Köln und Drehbuch in Hamburg.
  • Die Werke: Er nahm an der Darmstädter Textwerkstatt unter Kurt Drawert teil, schrieb zahlreiche Drehbücher für ARD und ZDF und entwickelte Hörspielserien. Seine Kurzprosa erschien in Literaturzeitschriften, Anthologien und Tageszeitungen. Unter dem Pseudonym Frédéric Breton veröffentlichte er den Kriminalroman „Paris und die Mörder der Liebe“.
  • Das Wirken: Als Lehrbeauftragter der Universität zu Köln unterrichtet er Serienentwicklung und Krimischreiben. Er ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland, DDV, DAfF und Syndikat e.V. Altmeyer lebt mit seiner Familie in Neustadt an der Weinstraße.
  • Der Stadtschreiber: Altmeyer hat angekündigt, auf seinem Instagram-Kanal (@edelfeder.official) regelmäßig von seiner Arbeit aus der Alten Feuerwache zu berichten.

Kein Problem, wir veröffentlichen es ja nur als Interview…

Altmeyer: … die Sender sehen das natürlich anders. Was Harry Potter betrifft: Die Lektüre des ersten Bandes vor einigen Jahren hat mich durchaus zum Weiterlesen ermuntert. In meinem Stapel ungelesener Bücher sind die anderen Bände aber dennoch irgendwie untergegangen – bis jetzt.

Es war ja auch nur ein Querverweis, weil es bei Potter lebendige Zeitungen mit filmischen Bildern gibt, in denen gespielt und gesprochen wird …

Altmeyer: Das klingt auf jeden Fall spannend und sympathisch.

Auch bei Ihnen handelt es sich um literarische AR, also augmented reality. Braucht Literatur das?

Altmeyer: Ist Literatur nicht immer schon auch eine Art erweiterte Realität? Ist nicht das, was die Kinder mit den Gemälden machen, dasselbe wie das, was die Leserinnen und Leser mit den Büchern machen? Letztlich ist es eine Geschichte über die Magie der Rezeption, die sich nicht in Passivität erschöpft.

Das stimmt schon. Aber es ist doch ein Unterschied, ob die in einem Buch beschriebenen Gegebenheiten in der Realität passieren könnten, oder ob Menschen aus Bildern heraus steigen wie bei Murakami, was ja seinen magischen Realismus ausmacht. Das ist ja gar nicht so weit weg von Ihrem Projekt, oder?

Altmeyer: Ja, das stimmt. Allerdings habe ich mir darüber im Vorfeld gar keine Gedanken gemacht. Wahrscheinlich, weil magische Elemente im Kinderbuch ohnehin konventioneller sind als in der Erwachsenenliteratur.

Da es Ihr erstes Kinderbuch ist: Haben Sie ein Vorbild, was die literarische Behandlung Ihres Themas angeht?

Altmeyer: Was das Thema der Depression betrifft, fand ich die Bilder ziemlich stark, die Matthew Johnstone in „Mein schwarzer Hund“ gefunden hat. Ein sehr inspirierendes Buch, auch wenn es kein reines Kinderbuch ist und schon gar kein Roman. Literarisch und erzählerisch bin ich seit der eigenen Kindheit ein großer Freund von Astrid Lindgren. Auch wenn einige Geschichten von ihr nicht so gut gealtert sind, schafft sie es doch immer wieder, sehr eigensinnige Figuren mit spannenden Abenteuern und progressiver Pädagogik zu verbinden. Das ist ein Anspruch, den ich auch selbst verfolgen möchte – ohne mich mit ihr vergleichen zu wollen.

Apropos Pädagogik – was möchten Sie die Kinder oder Jugendlichen denn lehren?

Altmeyer: Es soll natürlich kein pädagogisches Buch im engeren Sinne werden, aber die Geschichte lebt auch von den Streifzügen durch die Kunstgeschichte, verbunden mit der Frage, wie man den eigenen Gefühlen einen Ausdruck verleiht.

Also ein Hoch auf den künstlerischen Ausdruck des Menschen?

Altmeyer: Ja, das kann man nicht laut genug sagen. Es gibt viele gute Gründe, das Mängelwesen Mensch skeptisch zu betrachten. Aber die künstlerische Ausdrucksfähigkeit gehört doch eher zu den Plus-Punkten.

Wie werden Sie Ihre Mannheimer Zeit zwischen April und Juni praktisch verbringen? Pendeln? Ganz hierher ziehen?

Altmeyer: Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Ich möchte schon die Ruhe und Abgeschiedenheit der Turmwohnung möglichst produktiv für die Schreibarbeit nutzen. Die Geschichten arbeiten ja auch nach „Feierabend“ in einem weiter und das können sie während eines Aufenthaltsstipendiums, bei dem man rund um die Uhr gedanklich in der eigenen Fiktion leben kann, am besten. Gleichzeitig bin ich natürlich auch dankbar für die geografische Nähe zu meiner Familie, die mir sicherlich mehr Heimatbesuche ermöglichen wird, als wenn ich die Geschichte in irgendeinem Leuchtturm in Schleswig-Holstein schreiben müsste.

Aber das genau könnte ja auch der Nachteil sein für eine zielgerichtete Klausur, oder?

Altmeyer: Ja, absolut. Ich schließe auch nicht aus, dass diese innere und äußere Zerrissenheit zu einer Lähmung führen kann. Ich werde es herausfinden. Es ist auch ein Experiment, wie Schreibprozesse und -routinen für mich eigentlich immer einen experimentellen Charakter haben. Ein Leben lang versucht man herauszufinden, wie es eigentlich am besten funktioniert.

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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