Kunsthalle

Mario von Bucovichs Werke: Von der Garage in Mexiko in die Kunsthalle Mannheim

Die Ausstellung in Mannheim zeigt Mario von Bucovichs faszinierende Fotografien von 1925 bis 1947.

Von 
Christel Heybrock
Lesedauer: 
Kuratorin Manuela Husemann in der Kunsthallen-Schau des Fotokünstlers Mario von Bucovich (1884-1947) mit sechs Motiven aus der Serie Marlene Dietrich von 1929. © Manfred Rinderspacher

Mannheim. Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Stellen Sie sich vor, Sie sehen zufällig ein Foto und sind völlig weg davon. Von dem Fotografen haben Sie noch nie gehört, dabei sind Sie Fotohistoriker! Sie können die Finger nicht mehr davon lassen. Sie reisen durch die halbe Welt auf den Spuren des Unbekannten, der Mario von Bucovich heißt, um herauszufinden, wer er ist und was er gemacht hat. Und dann finden Sie einen ganzen Nachlass – in einer Garage in Mexiko-City. Eigentlich ist der Krimi, wie Fotohistoriker Eckhardt Köhn den Vergessenen wieder entdeckt hat, einen eigenen Artikel wert.

Aber Mario von Bucovichs Fotografien gehören auch noch zu den Glanzlichtern der Jahrzehnte zwischen 1925 (als er anfing zu arbeiten) und 1947, seinem Todesjahr infolge eines Autounfalls. Eckhardt Köhn musste die Kunsthalle nicht lange davon überzeugen, dass eine Ausstellung nötig war: als Nachtisch zu den „Zwanziger Jahren“ und als erste Museumsschau von Bucovich überhaupt, die Kunsthalle besitzt sogar ein Foto aus der Berliner Zeit von ihm.

Buscovich konnte einfach alles: Porträt, Werbung, Industrie

Und was hat der Mann so gemacht? Einfach alles, in einer Qualität und mit einem Blick, die fast süchtig machen. Motive? Gesellschaftsporträts, Akte, Theater- und Filmleute, Tänzer, Industrieanlagen (die BASF ist auch dabei, die Bosch-Villa in Heidelberg), drollige Werbefotos für Odol und anderen Alltagskram, Städteansichten aus Berlin und Paris, Hochhäuser in New York, Landschaften, Spanien, mexikanische Bauern, Wolken und Wasser. Kuratorin Manuela Husemann ordnete die Bilder nicht nach Themen, sondern nach Bucovichs Lebensstationen, was dazu führt, dass nach den Sälen im Grafischen Kabinett sich wieder einmal das letzte Kabinett mit einer Überraschung öffnet: nach Jahrzehnten Schwarzweißfotografie plötzlich Farbe! Bucovich bediente damit amerikanische Mexiko-Touristen. Diese letzten Arbeiten zeigen sein Bewusstsein für neue Gestaltungsanforderungen, für das Denken in Farbakzenten statt in Licht- und Schattenwerten: für eine weiße Wolke, die sich auf blauem Wasser wiederholt, für weiß gekleidete Männer, die sich um eine rote Decke scharen.

Ausstellung „Berlin, Paris und anderswo“

  • Mario von Bucovich wurde 1884 in Pula/Österreich-Ungarn geboren und starb 1947 in Mexico-City .
  • Von Beginn war sein Leben von Ortswechseln geprägt, die Übernahme des Fotostudios Karl Schenker 1926, das ihn bei der Berliner Prominenz bekannt machte, hinderte ihn nicht, ab 1930 nach Paris, London und 1937 in die USA zu emigrieren. 1939 ließ er sich in Mexico -City nieder. Nach seinem Tod geriet er in Vergessenheit.
  • Die Schau „Berlin, Paris und anderswo“ in der Kunsthalle geht auf die Initiative des Fotohistorikers Eckhardt Köhn zurück.
  • Es ist die erste Museumsschau Bucovichs mit mehr als 200 Exponaten und fünf historischen Fotobüchern.
  • Kunsthalle Mannheim, Friedrichsplatz 4. Ausstellung vom 27. Juni bis 5. Oktober, Dienstag bis Sonntag und Feiertage 10-18 Uhr, Mittwoch 10-20 Uhr, jeden 1. Mittwoch im Monat bis 22 Uhr. hey

Der Kuratorin war auch bewusst, dass sich im Lauf des letzten Jahrhunderts unsere Sehgewohnheiten verändert haben, dass wir riesige Werbefotos und Szenen gewöhnt sind, auf denen etwas passiert. Bei Bucovich handelt es sich aber um kleinformatige Abzüge und Vintage Prints, bei denen man fast intim in die Szenerie hineinsehen muss statt nur darauf. Aber von Versponnenheit keine Spur bei ihm, im Gegenteil, vieles ist schräg, unbekümmert und atmet den Geist der Roaring Twenties. Wenn es Mut erforderte, einige Aufnahmen wandhoch zu reproduzieren und in den Raum zu hängen – dann hat er sich gelohnt. Bucovich ganz groß: das Spiel von Schatten und Silhouetten bei Menschengruppen auf einer städtischen Straße wird dem Betrachter erst in der Größe bewusst, die Lichter New Yorks auf wandhohen Hochhäusern – großartig! In Bucovichs kleinen Formaten schlummern Monumente, wahrscheinlich nicht nur bei Großstadtszenen, sondern auch bei Porträts der großen Stars wie Marlene Dietrich, Elisabeth Bergner und Gustav Fröhlich.

Auch beim Akt? Die Frage stellt sich nicht angesichts der Delikatesse, mit der Bucovich Konturen und Volumina von Körpern modellierte, sei es im Innenraum, sei es in der Landschaft, wo es schöne Beispiele der Integration von Körperformen in ein geschlungenes Wegenetz und Formen zwischen Land und Wasser gibt. Man kann Bucovichs Blick kaum definieren, er ist ausgerichtet auf den Moment wie auf die Dauer, auf Bewegung wie auf Gelassenheit, auf das Glitzern von Licht und die Tiefe dunkler Hauseingänge.

Fotoserie „Mexico Lindo“ als geistreich vertonte Diashow

Zum Schluss erwartet den Besucher noch eine vertonte Diashow wie in alten Zeiten – Bucovichs Fotoserie „Mexico Lindo“ wird jeweils in paarig angeordneten Beispielen an die Projektionswand geklickt. Die Kirchen, die Portale, Mauern und Menschen, Vegetation, die Farben und die Trockenheit der Landschaft, auch sie vertragen das vergrößerte Format. Bucovich, Wanderer zwischen Welten, war ein gefragter Fotograf, zu seinem „Berlin“-Band von 1928 schrieb kein Geringerer als Alfred Döblin das Vorwort. Dass Fotohistoriker Eckhardt Köhn ihn wieder entdeckt hat, kann nur der Anfang einer neuen Rezeption sein.

Freie Autorin MM Kulturredaktion 1974-2001, Fachgebiet Bildende Kunst

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke