Nationaltheater

Mannheims Saison voller „Blockbuster“

Die Musikalische Akademie Mannheim startet mit der 247. Saison voller Meisterwerke und neuen Herausforderungen.

Von 
Stefan M. Dettlinger
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Sind stolz auf ihre Arbeit (v.l.): Vorsitzender Fritjof von Gagern, Generalmusikdirektor Roberto Rizzi Brignoli und Geschäftsführerin Eva Röthke. © Stefan M. Dettlinger

Mannheim. So viel Auflauf war noch nie bei diesem Ereignis. 17 Menschen sind gekommen, Opernintendant, Generalmusikdirektor, der Akademievorsitzende und sogar zwei Ehrenmitglieder der Musikalischen Akademie (Musaka). Fast wirkt es, als gelte es, die Wichtigkeit der Institution für die Stadtgesellschaft zu unterstreichen. Journalisten jedenfalls sind hier mit drei Protagonisten zwar keine bedrohte, aber eine verschwindende Minderheit, doch mit etwas Fantasie fühlt man sich wie bei einem Pressegespräch, schließlich: „Das wahre Zeichen der Intelligenz ist nicht Wissen, sondern Phantasie.“

Einstein trifft auf echte Handwerkskunst der Musik

Der Satz von Albert Einstein steht nicht nur am Anfang des Programmhefts, sondern auch wie ein Motto über dem, um das es hier eine gute Stunde lang gehen wird: die neue Saison der Rosengartenkonzerte des Nationaltheaterorchesters, das wieder eine Kammerakademie und acht Doppelkonzerte spielen wird, in denen echte Musik aus echter Fantasie mit echter Handarbeit kombiniert werden. 100 Prozent KI-frei, könnte man sagen, wobei: Im Design des Saisonhefts hat KI „etwas mitgeholfen“, wie die Gestalterin von Büro Schramm erläutert.

Es wird ab 6. Oktober die 247. Spielzeit sein. Die Reihe gibt es also fast seit dem Zeitpunkt, als der Kurfürst am 30. Dezember 1777 als „Herr der sieben Länder“ in Bayern sein Zwangsasyl antrat. Und ein (weniger kleiner) Ortswechsel steht auch der Musikalischen Akademie Mannheim bevor: Vom Goetheplatz 12 wird sie demnächst in die Hebelstraße 7 hinter dem Nationaltheater ziehen – vom Schöpfer des „Faust“ zum Erdenker der „Kalendergeschichten“.

Historische Premiere beim Mannheimer Mozart-Sommer

Einen gemeinsamen Geist (zwischen Akademie und NTM) spürt auch der Vorsitzende Fritjof von Gagern: „Es freut mich, dass das Nationaltheater und die Akademie unter (GMD) Roberto (Rizzi Brignoli, d. Red) mehr und mehr zusammenwächst“, sagt er und nennt als Beispiel die vielen Chorwerke, die man gemeinsam aufgeführt hat - zuletzt die zweifach ausverkaufte „Neunte“ von Beethoven.

In der kommenden Saison also wird es auch wieder eine Kooperation geben. Erstmals in den zurückliegenden 247 Jahren werde das Orchester im Rahmen des Mannheimer (Mozart)-Sommers spielen – zusammen mit dem NTM-Chor Mozarts „Requiem“ und der 40. Sinfonie in g-Moll.

Die Akademiekonzerte 2025/26

  • 6./7. Oktober: Ravel (Daphnis et Chloé, La Valse), Saint-Saëns (1. Cellokonzert), Mussorgski (Bilder einer Ausstellung). Roberto Rizzi Brignoli (Dir.), Daniel Müller-Schott, Cello.
  • 17./18. November: Bartók (2. Violinkonzert), Rachmaninow (2. Symphonie). Roberto Rizzi Brignoli, Olga Pogorelova, Violine.
  • 8./9. Dezember: Tschaikowski (1. Klavierkonzert), Strawinsky (Der Feuervogel). Ingo Metzmacher, Barry Douglas, Klavier.
  • 2./3. Februar 2026: Mahler (6. Symphonie). Rizzi Brignoli
  • 2./3. März 2026: Smetana (Die Moldau), Encke (Violinkonzert, UA), Dvorák (8. Symphonie). Michal Nesterowicz, Tianwa Yang (Violine).
  • 13./14. April 2026: Rossini (Ouvertüre aus: Semiramide), Weber (Fagottkonzert), Beethoven (7. Sinfonie). Nil Venditti, Rie Koyama, Fagott.
  • 11./12. Mai 2026: Strauss (Till Eulenspiegel, Zarathustra), Mozart (24. Klavierkonzert). Rizzi Brignoli, Alfredo Perl, Klavier.
  • 22./23. Juni 2026: Mozart (Requiem, 40. Symphonie). Rinaldo Alessandrini, Seunghee Kho (S), Julia Faylenbogen (A), Sung Min Song (T), Sung Ha (B), NTM-Opernchor.
  • 26. Juli 2026: Kammerakademie im Schwetzinger Schlosstheater zum Thema „Italienischer Barock“ mit Gottfried von der Goltz.

Von von Gagern kommen auch Sätze wie dieser: „Wir verstehen uns ja eigentlich als Breitbandkulturversorger. Wir bemerken aber, dass mehr und mehr nur noch „Blockbuster“ richtig funktionieren, während neu zu Endeckendes immer schwerer vermittelbar ist. Und schon sind die 17 Menschen in dem kleinen Raum mittendrin in der Spielzeit, die mit Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“, Rachmaninows 2. Sinfonie, Tschaikowskys 1. Klavierkonzert, Mahlers 6. Sinfonie, Smetanas „Moldau“, Beethovens 7. Sinfonie, Strauss‘ „Zarathustra“ und eben dem Requiem viel von der Sorte „100 Meisterwerke der Klassik“ zu bieten hat.

Den Mahler wird Roberto Rizzi Brignoli (RRB) dirigieren, er betont auch zugleich, dass es die Sinfonie ist, bei der im letzten Satz, dem Finale „Sostenuto – Allegro moderato – Allegro energico“, ein riesiger Hammerschlag die Rosengartendecke erschüttern wird. Es wird sein erster Mahler in Mannheim sein, man spürt: Er hat richtig Lust darauf. Überhaupt will er mit dem Orchester etwas Spezielles kreieren, „a special sound“, wie der Französisch sprechende Italiener auf Englisch erklärt, „das ist für mich sehr wichtig, dass es einen RRB-Sound gibt“, so RRB. Das erste Konzert widmet er Ravel zu dessen Geburtstag, und mit „Till Eulenspiegel“ und „Zarathustra“ wird der Strauss-Zyklus weitergedreht.

Finanzielle Herausforderungen trotz hoher Besucherzahlen

Ansonsten: Konzertmeisterin Olga Pogorelova wird Bartóks 2. Violinkonzert spielen, und natürlich ist auch eine Uraufführung wieder anberaumt: Thorsten Enckes Violinkonzert findet sich zwischen den Blockbustern von Smetana und Dvóraks „Achter“ wieder. Von Gagern dankt nochmals ausdrücklich der Unternehmerfamilie Limbourg, anwesend in Person von Christina.

Obwohl die Akademie insgesamt erfolgreich arbeitet und die derzeitige Auslastung für die ersten sechs Doppelabende bei knapp 82 Prozent steht (19.600 Besucher), geht es ihr nicht gut, denn die Ausgaben steigen schneller als die Einnahmen. Zudem: „Der Auszahlungsstopp der Stadt bis 30. Juni (wir berichteten) ist für uns ein massives Problem“, sagt von Gagern, die institutionelle Förderung (100.000 Euro) sei momentan nicht sichergestellt. Das sorgt „bei uns schon für schlaflose Nächte“, sagt er, während er Geschäftsführerin Eva Röthke ansieht. „Wir machen seit Jahren mit kleinem Budget große Kunst und haben eine Tendenz, die gegen den Bundestrend läuft. Wir arbeiten seit zehn Jahren mit demselben künstlerischen Honorar. Wir bezahlen wenig. Die Leute kommen nicht wegen der Gage.“ Die Akademie ist daher auch gezwungen, die Eintrittspreise anzupassen, vor allem in den höheren Preisklassen, in der Spitze kostet die Karte dann 55 Euro, Studi-Tickets (9 Euro) und günstige Karten (15 Euro) sind von der Erhöhung ausgeschlossen.

Zurück zur KI: Ein interessanter Essay von Martin Rohrmeier geht der Frage nach: Welche Bedeutung Musik im aufkommenden KI-Zeitalter haben wird. Das Studium des Programms lohnt also nicht nur der Blockbuster wegen, sondern auch als Synapsen-Gymnastik.

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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