Mannheim. Das Thema Macht hat viele Facetten, ihre Ausübung und ihr Missbrauch können auf vielen Feldern geschehen: zwischen Männern und Frauen, Eltern und Kindern, in Politik und Wirtschaft, im Beruflichen wie Privaten. Entsprechend groß war das Themenspektrum, das bei der Preisverleihung des Wettbewerbs „Erzähl mir was“ des „Mannheimer Morgen“ im voll besetzten Dalbergsaal der Stadtbibliothek verhandelt wurde.
Auch stilistisch waren die sechs Geschichten, die die Ausgezeichneten lasen oder lesen ließen, grundverschieden. Nicht nur Birgit Sandner-Schmitt, Vorsitzende des Förderkreises der Stadtbibliothek, war begeistert: „Da war vom Science-Fiction-Stück bis zum persönlichen Bericht alles dabei.“ Auch Peter Wagner, als guter Freund von Sieger Andreas Haller aus Heidelberg zur Lesung gekommen, beeindruckte das literarische Niveau: „Das hatte ich so nicht erwartet.“
„Ich finde es toll, dass wir dieses Forum bekommen“
Die Geehrten genossen die Wertschätzung, die ihnen in Form von Urkunden sowie Geldpreisen und Buchgutscheinen zwischen 600 und 100 Euro, vor allem aber durch die öffentliche Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde. „Ich finde es toll, dass wir dieses Forum bekommen – auch wenn ich bei Lesungen immer furchtbar nervös bin“, sagte Regina Rothengast. Die diesjährige Viertplatzierte war zum dritten Mal unter den Preisträgern des Schreibwettbewerbs, den der „MM“ im Corona-Lockdown 2020 ins Leben gerufen hatte und nun in Kooperation mit der Heinrich-Vetter-Stiftung, dem Wellhöfer-Verlag, der Stadtbibliothek und ihres Förderkreises zum sechsten Mal ausgeschrieben hatte.
Stefan Dettlinger, Leiter des Kulturressorts dieser Redaktion, entlockte den Autoren in kurzen Interviews Erhellendes zur Entstehung der Geschichten. Peter Mudra, früherer Präsident der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft und in der Leserabstimmung auf Platz fünf gewählt, schilderte seinen Eindruck, dass die Gleichstellung von Frauen im Berufsleben gerade Rückschritte mache – auch in vermeintlich so fortschrittlichen Einrichtungen wie der (fiktiven) Universität, die er in „Der Frauenbeauftragte“ beschreibt.
Auch Annika Reinhardt, mit 21 Jahren die jüngste Vorleserin der Runde, thematisierte in „Stilles Chaos“ die Rolle von Frauen in der Gesellschaft und erklärte, wie sie die Lesenden durch die bewusste Verwendung der Du-Form ins dystopische Geschehen hineinziehe. In ihrer Bachelorarbeit erforscht die Psychologiestudentin das Sicherheitsgefühl von Frauen im öffentlichen Raum und, na klar: „Dinge, die einen beschäftigen, nimmt man in seine Geschichten hinein.“
Siegergeschichte mit autobiografischen Zügen
Der bedrückende Siegertext „Besser ohne ihn“ über den Sohn eines toxischen Vaters hallte noch nach, als Andreas Haller bekannte, dieser trage auch autobiografische Züge – ein Grund, warum er ihn unter seinem Pseudonym und Geburtsnamen Andreas Salewski eingereicht habe. Dass die Schauspielerin Bettina Franke sich spontan bereit erklärt habe, ihn zu lesen, sei eine „Riesenehre für mich: Ich habe sie schon als junger Kerl im Nationaltheater bewundert“. Franke nahm den Preis für den Drittplatzierten Klaus Servene entgegen, der aus gesundheitlichen Gründen nicht aus Hamburg anreisen konnte, und überbrachte dessen Grußbotschaft: den Dank an die Organisatoren und Glückwünsche an alle anderen Preisträger.
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