Theatertage Heidelberg

Heidelberger Theatertage: Puppenspiel bringt Adelheid Duvanels Figuren ins Licht

Ein Gastspiel aus Zürich macht im Heidelberger Karlstorbahnhof auf berührende Weise mit Figuren der Autorin Adelheid Duvanel bekannt.

Von 
Susanne Kaulich
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Szene aus der Produktion nach Texten von Adelheid Duvanel. © Mina Monsef

Heidelberg. „Im Leben stecken wie in einem Pullover“. Das wünschen sich Frau Wiesele, Nora, Ernesto, Anton, Xaver und wie sie alle heißen, die die Basler Autorin Adelheid Duvanel (1936-1996) in ihren berührenden Spotlight-Geschichten für kurze Zeit ans Licht befördert. Wo sie trotz dicker Brillen meist nur verschwommen eine Welt betrachten, in der sie nicht heimisch werden können. In der sie vereinsamen.

Und wieder unbeachtet abtauchen in die Dunkelheit: Träumer, Spinner, Außenseiter - Verliererfiguren allesamt. In ihrer eigenwilligen Kurzprosa voll Traurigkeit und Absurditäten beobachtet Duvanel sie empathisch und liebevoll. Ein schillernder Kosmos. Den die „Dakar Produktion“ aus Zürich (letztes Jahr mit dem 1. Preis der Jury der Heidelberger Theatertage zum zweiten Mal nach 2015 ausgezeichnet) anlässlich des 11. Literaturherbsts Heidelberg und „Theatertagespezial“ im Karlstorbahnhof auf die Bühne zaubert. Eigenartig schwebend zwischen Magie, Aberwitz, Realismus und Tragik.

Tragikomische Welt voll Melancholie und hintergründigem Humor

Delia Dahinden und Anna Karger haben unter dem Titel „Vom Recht, lebensuntüchtig zu sein“ 23 Szenen nach Erzählungen Duvanels theatralisch verwoben. Sie mitunter in einzelne Sätze seziert. Aber auch dramatisiert. Im Ton lakonisch und poetisch zugleich. Mithilfe von sechs etwa ein Meter großen Puppen (Puppenbau: Delia Dahinden), mit übergroßen Händen und Mündern perspektivisch leicht verzerrt, zeigt Dakar Produktion dem handverlesenen Publikum eine tragikomische Welt voll Melancholie und hintergründigem Humor. Zu der Balts Nills Geräuschemusik eine düster-geheimnisvolle Atmosphäre schafft.

In einem Atemzug mit Robert Walser und Franz Kafka wurde die hochbegabte, immer wieder psychiatrisch behandelte Autorin zu ihren Lebzeiten genannt. Bis sie nach wohl freiwilligem Tod 1996 genauso schnell wie ihre skurrilen Figuren in der literarischen Versenkung verschwand. Seit Veröffentlichung ihrer gesammelten Erzählungen „Fern von hier“ (2021) sowie ihrer Briefe 1978-1996 („Nah bei dir“, 2024) ist sie endlich wiederentdeckt.

Weder schön noch glücklich, aber beseelt

Auch Dakar Produktion gebührt dafür großer Dank. Treffen die drei Künstler doch gerade mit ihren faszinierenden Klappmaulpuppen Duvanels surrealistischen Blick auf das Leben punktgenau. Die Puppen wirken weder schön noch glücklich, aber beseelt. Sie drücken so, wie sie von Dahinden und Karger virtuos geführt, bewegt, gesprochen und belebt werden, eine Vielfalt an Emotionen aus. Offenbaren ein genauso reiches Innenleben wie eben jene von Duvanel skizzierten Menschen, die unbemerkt am Rande bleiben. Kongenial verschmelzen die Puppen mit ihren Schauspielpartnerinnen. Faszinierend. Und doch bleibt beim Zusehen eben ein Rest an Irritation.

Wie lebensnah oder absurd sind Duvanels Figuren? Sind sie echt oder eben doch Hirngespinste einer kranken, lebensuntüchtigen Frau? Die dennoch erschreckend klar auf eine aus den Fugen geratene Welt blickt. Voller Menschen wie Andreas, der jeden Tag „mehrere Stunden braucht, um zu sein“. Wie Lislott, die nicht mehr mit ihrem Mann Xaver, dafür aber mit dem Computer Erich spricht. Oder wie Marita, „die eigentlich gar nicht mehr lebt“, und dann doch den Todesstoß erhält. Vom heimlich Geliebten, der sie nicht wahrnimmt. Ein Schicksal, wie das aller anderen auch.

Informationen : www.karlstorbahnhof.de.

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