Ausstellung

Geheimnisvolle Welt der analogen Fotokunst im Port 25

Eine neue Ausstellung im Port 25 - Raum für Gegenwartskunst in Mannheim zeigt ab dem 28. März Fotografien von vier Künstlern und einer Künstlerin.

Von 
Helmut Orpel
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Markus Kaesler mit seiner Arbeit „Dystopia #91, #96“ aus dem Jahr 2021, die im Port 25 zu sehen ist. © Manfred Rinderspacher

Mannheim. Dass der Staub im Fotolabor ein Riesenproblem darstellt, wird angesichts der riesigen Formate von Daniel Stier im Port 25 – Raum für Gegenwartskunst in Mannheim deutlich. Bei diesen Vergrößerungen wäre hier rasch die Mücke zum sprichwörtlichen Elefanten geworden, wie Yvonne Vogel, zusammen mit Kim Behm Kuratorin der aktuellen Ausstellung „STAUBFREI – analoge Fotografie“, beim Presserundgang anschaulich machte.

Monumentale Fotografien waren in der Werbung der Wirtschaftswunderzeit ein probates Mittel, um die Warenästhetik dominant zu inszenieren. In exakt dieser Farbpalette bewegt sich Stier, der in Wiesbaden und London lebt, mit seinen Arbeiten. Die Produkte, die er anpreist, sind jedoch keine blitzenden Rennschlitten, Markenklamotten oder Rolex-Uhren. Es sind Putzmittel und Konservenbüchsen aus den britischen Pendants zu unseren Ein-Euro-Shops, die hier auf solch anspruchsvolle Art und Weise in Szene gesetzt werden.

Interesse an unterschiedlichen künstlerischen Medien

„Dass wir uns dem Thema ‚Analoge Fotografie‘ widmen“, erklärt Yvonne Vogel, „hängt mit unserer längerfristigen Ausstellungsplanung zusammen. Wir widmen uns neben den künstlerischen Fragen auch den unterschiedlichen künstlerischen Medien. Uns interessiert dabei, welche spannenden Positionen es bei zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern, die mit der analogen Fotografie arbeiten, gibt.“

STAUBFREI - analoge Fotografie

An der Ausstellung beteiligt sind die Künstlerin Inessa Siebert und die Künstler Steffen Diemer, Frank Göldner, Markus Kaesler und Daniel Stier

Die Ausstellung wird am Freitag, 28. März, um 19 Uhr von Carolin Ellwanger, Beauftragte für Bildende Kunst beim Kulturamt Mannheim, eröffnet.

Die Einführung wird in Gebärdensprache übersetzt.

Port 25 – Raum für Gegenwartskunst ist angesiedelt in der Hafenstraße 25-27 in Mannheim.

Öffnungszeiten sind mittwochs bis sonntags von 11 bis 18 Uhr.

Die Ausstellung dauert bis zum 20. Juli .

Der Eintritt ist frei .

Nähere Informationen gibt es unterwww.port25-mannheim.de

Neben Daniel Stier sind dies in der aktuellen Ausstellung Inessa Siebert, Steffen Diemer, Frank Göldner und Markus Kaesler. Unter ihnen ist Stier der Einzige mit solch intensiven Farbbildern. Die übrigen verzichten auf leuchtende Farben, die der Mannheimer Altmeister der Fotografie, Robert Häuser, einmal als „zu geschwätzig“ bezeichnete, eine Charakterisierung, die ja bezüglich der von Stier intendierten Warenästhetik ins Bild passt.

Steffen Diemer ist von Haus aus Fotoreporter und war unter anderem auch in Kriegsgebieten unterwegs, wo er für Zeitschriften fotografiert hat. Seine Fotokunst wirkt gegenüber den Reportagefotos kontemplativ und lässt eher an das Labor eines Alchimisten denken als an ein Fotostudio. Er arbeitet mit dem Nassplatten--Kollodium-Verfahren. Dieses Verfahren wurde bereits Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt und basiert auf Chemikalien, die der Langzeitbelichtung ausgesetzt werden. So entstehen tiefgründige Szenen, bei denen selbst banale Gegenstände so anziehend wirken wie die Stillleben der Barockmaler.

Besondere Aura des Materials bleibt erhalten

Überhaupt ist es die besondere Aura des Materials, die bei der analogen Fotografie erhalten bleibt. So bei Inessa Sieberts Fotografien ohne Kamera. Was sich paradox anhört, ist möglich, indem sie in der Dunkelkammer unterschiedliche Gegenstände vor fotoempfindlichem Trägermaterial arrangiert. Dieses Arrangement wird nun aus unterschiedlichen Richtungen mit verschiedenen Lichtquellen bestrahlt. Durch Mehrfachbelichtung entsteht nach und nach ein filigranes Abbild auf dem Fotopapier, das an die Vanitas Darstellungen aus der Kunstgeschichte erinnert.

Die Materialität der analogen Fotografie ist bei Frank Göldner das eigentliche Thema, denn er hat aus einer Sammlung an Fotografien aus der Zeit zwischen 2001 und 2016 jeweils eine Arbeit, die für das besondere Jahr steht, ausgesucht und per C-Print ausgedruckt. Durch das Abkratzen der Oberfläche und das Aufbewahren des dabei entstehenden Bildstaubs in kleinen Einweckgläsern will er vor Augen führen, wie relativ die Erinnerung ist, die man mittels der Fotografie aufbewahren möchte. Mit der Zeit verblasst sie und wird brüchig.

Historische Ereignisse können nacherlebt werden

Markus Kaesler nutzt die Fotografie für konzeptuelle Arbeiten, die historische Ereignisse nacherleben lassen. So hat er eine 100-teilige Arbeit geschaffen, die den Betrachter in die Situation eines Stasi-Häftlings in der Haftanstalt Hohenschönhausen versetzt. Die 100 Fensterbilder stehen für 100 Zellen in diesem Knast, in der die politischen Gefangenen im Durchschnitt 127 Tage verbrachten. Die Zahl 127 spielt bei der Belichtungszeit eine Rolle.

Kaesler arbeitet mit Lochkameras. Dies sind einfache Konstruktionen ohne Objektiv. Diese Apparate richtete er auf die jeweiligen Fenster in den Gefängniszellen der heutigen Gedenkstätte und belichtete so das Fotopapier 127 Tage lang. Eine zweite Arbeit Kaeslers veranschaulicht eines der Verbrechen des Naziregimes, die Euthanasie. Eine Collage aus 10.654 Blättern der Bäume von Grafeneck steht symbolisch für die Anzahl der Menschen, die dort umgebracht wurden. Das Abbild davon, die Fotografie, erscheint als Spiel von Licht und Schatten, Wind und Wolken, ein Hauch von Erinnerung, der gegen das Vergessen anweht.

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