Mannheim. Als er vor fünf Jahren starb, hatte Bernhard Sandfort zwar keine Leichen, aber jede Menge Bilder im Keller. Da der Meister 84 geworden und lebenslang fleißig gewesen war, hatte er sich glücklich geschätzt über das große Haus aus der Gründerzeit, in dem er ein halbes Jahrhundert seine Produzentengalerie – den Augenladen – betrieben und einen beachtlichen Keller gefüllt hatte. Wenn er Bilder ausgestellt und zurückerhalten hatte, wurden sie von ihm penibel verpackt und hinuntergebracht, und das will immer noch etwas heißen: Auf dem Höhepunkt seines Schaffens entstanden die großen, 16-teiligen Metastatischen Bildsysteme, deren Gesamtformat an die Wandhöhe im Augenladen angepasst war: 3,08 x 3,08 m. Die Kunsthalle, das Wilhelm-Hack-Museum und andere Häuser haben Beispiele dieser aus quadratischen Teilelementen bestehenden Systeme, die unerschöpflich variabel gehängt werden konnten und können.
Kleine Auswahl dessen, was noch im Keller schlummert
Sandforts schriftlicher Nachlass, Teil seines künstlerischen Konzepts, befindet sich im Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) Karlsruhe, das ihm 2012 eine umfangreiche Schau einrichtete und drei der Metastatischen Systeme besitzt. Aber wie viele hat er eigentlich gemalt, und wie viele sind noch im Keller? Das weiß niemand, und bisher war es auch unklar, was damit geschehen konnte - Museen haben kaum Ressourcen für Riesenankäufe, und viele Sammler sind von solchen Formaten überfordert. Nun will es das Glück, dass die Galerie Sebastian Fath Contemporary den Nachlass übernehmen und den Keller ausräumen will. Ein Beispiel dessen, was noch ans Licht kommt, ist jetzt zu sehen.
Die Galerie betreut bereits andere Nachlässe, es fing an mit Nan Hoover (1931-2008), der in New York geborenen Video- und Performancekünstlerin, und es hörte offenbar nicht auf mit Maler und Grafiker Hermann Abrell (1937-2017). Nun also Bernhard Sandfort, und er könnte nirgendwohin besser passen als zu Fath mit seinen Verbindungen in die konstruktivistischen, gegenstandslosen Szenen. Zurzeit bietet die Galerie einen aus 26 Exponaten bestehenden Blick über Sandforts Schaffen von den frühen Linienbildern der Sechzigerjahre bis hin zu programmatischen Serien und Paarbildern der Achtziger- und Neunzigerjahre - und bis hin zu zwei großen Bildsystemen.
Das Auge herausfordernde Formen gestaltete Sandfort
Es sind den Raum dominierende, das Auge herausfordernde Balken und Linien, die Sandfort dort unter systematischer Mitwirkung des Zufalls anordnete. Stets liegt ein stabilisierendes Gefüge hinter den dynamischen, diagonal herumirrenden Linien, und das herauszusehen aus dem scheinbaren Chaos, ist eine Erkenntnisleistung für den Betrachter. Erkenntnis forderte Sandfort von Beginn an. Die ineinander verhakten Paarbilder, die Serie über „Die Verschiedenheit der Gleichen“, aber bereits die Linienbilder der Sechzigerjahre stellen Ansprüche an den Betrachter, etwa das Nachverfolgen, wie eine gelbe Horizontallinie auf weißem Grund aus dem Nichts auftaucht und auf derselben Ebene sanft wieder verschwindet. Sandfort sehen, es ist immer noch wie am ersten Tag.
Zur Ausstellung
Bis 26. Juli. Werderstraße 38, Mannheim. Do/Fr 14-19 Uhr, Sa 12-16 Uhr.
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