Ludwigshafen. Welch ein Kraftakt! Der Kunstverein Ludwigshafen macht aus der Not – nämlich aufgrund sich hinziehender Sanierungsarbeiten ohne Domizil zu sein - ein ambitioniertes Ausstellungsprojekt, das bis Ende Oktober fünf Städte in Rheinland-Pfalz mit dem nomadischen Format „Genius Loci“ bespielt.
Der „Geist der Orte“ speist sich aus Essays, Philosophien und unbequemen Friedensschriften der Künstlerin Violet Paget, die unter dem männlichem Pseudonym Vernon Lee publizierte - weil Frauen in ihrer Zeit nicht wahrgenommen wurden. Als sie 1935 starb, war der Ludwigshafener Kunstverein sieben Jahre alt. Der Projekttitel „Genius Loci“, erläutert Direktorin Amelie Klein, verweise auf ein Schlüsselwerk von Lee, in dem diese „fragmentarisch das Wesen und die Atmosphäre eines Ortes in den Mittelpunkt rückte“. In Ludwigshafen, Speyer, Bad Kreuznach, Neustadt und Mainz sollen Narrative aus Vergangenheit wie Gegenwart Aspekte verschiedener kultureller Strömungen sichtbar machen.
Monilola Olayemi Ilupeju: Ein aufstrebender Kunststar am Himmel
Zum Auftakt ist am 1. Mai in der Ludwigshafener Rudolf-Scharpf-Galerie der mit 3000 Euro dotierte Zonta-Kunstpreis an die nigerianisch-amerikanisch multimediale Künstlerin und Autorin Monilola Olayemi Ilupeju verliehen worden. Die in Berlin lebende 29-Jährige verarbeitet eigene Erfahrungen rund um Gewalt und Heilung. Einige ihrer großformatigen Werke gehören zu der Ausstellung in den Hemshof-Räumlichkeiten.
Beispielsweise das sehr persönliche Gemälde ihres jung gestorbenen Bruders, das auf einer „aufgebrochenen“ Leinwand aus Leder fast skulpturartig anmutet. Nicht zum ersten Mal hat der Ludwigshafener Club der internationalen Frauen-Organisation Zonta einen Förderpreis in Zusammenwirken mit dem Kunstverein ausgelobt. Amelie Klein freut sich, dass seit der im letztjährigen Herbst getroffenen Jury-Entscheidung die Künstlerin mit den eindrucksvollen Ganzkörper-Selbstporträts „einen rasanten Aufstieg am Kunsthimmel“ genommen hat.
Die Ausstellung
- Das Projekt: Bis 31. Oktober präsentiert der Kunstverein Ludwigshafen eine Reihe von Ausstellungen, die sich, inspiriert von Lee, über fünf Städte in Rheinland-Pfalz erstrecken: Ludwigshafen, Speyer, Bad Kreuznach, Neustadt a. d. Weinstraße und Mainz. Jede Ausstellung greift ein spezifisches Thema aus Lees Werken auf, darunter The Ballet of the Nations: A Present-Day Morality, Beauty and Ugliness, Lessons of History, Laurus Nobilis: Chapters on Art and Life und Vital Lies: Studies of Some Varieties of Recent Obscurantism.
- Die Teilnehmenden: Jacopo Belloni, Ruth Beraha, Maeve Brennan, Zuzanna Czebatul, Kevin Jerome Everson, Hélène Fauquet, Enej Gala, Andrea Geyer, Gauri Gill, Itamar Gov, Gabriella Hirst, Gideon Horváth, Monilola Olayemi Ilupeju, Sophie Jung, Aziza Kadyri, Kalos&Klio, Marcos Kueh, Theresa Lawrenz, Germain Marguillard, Omar Mismar, Brittany Nelson, Elena Njoabuzia Onwochei-Garcia, Panos Profitis, Paola Siri Renard, Ilê Sartuzi, Alexis Stiteler, Emmanuel Tussore.
- Info: www.kunstverein-ludwigshafen.de
Die „Ich will“-Banner von Andrea Geyer, die in Freiburg und New York arbeitet, sind nicht nur in der Scharpf-Galerie zu sehen - sie ziehen auch im öffentlichen Raum (an der Kreuzung Bismarck- und Schulstraße) mit Botschaften über Museen als zentrale (Lebens-)Orte Blicke auf sich. 90 Kilogramm wiegt jene florale „Decke“, die aus textilem Material zu bestehen scheint, aber von Omar Mismar (Beirut) aus Mosaiksteinchen zusammengesetzt wurde. Geradezu fragil wirken hingegen die mit Haaren gefüllten Häuschen, die der zwischen London und Sao São Paulo lebende Ile Sartuzi aus Bienenwachs gefertigt hat. Besonders stolz ist Amelie Klein, dass es gelungen ist, die aus Usbekistan stammende Aziza Kadyri zu gewinnen, die mit noch nicht einmal 30 Jahren bei der Biennale in Venedig einen eigenen Pavillon bekam. In Ludwigshafen ist sie mit einer veränderten alten Stickerei vertreten, die schön und mahnend zugleich von Umweltsünden „erzählt“.
Bei dem Ausstellungsprojekt verteilt auf fünf Orte gibt es Arbeiten von insgesamt 27 Frauen und Männern zu entdecken -manche von ihnen noch gänzlich unbekannt, andere bereits international etabliert.
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