Theaterfestival

Schillertage am Nationaltheater Mannheim: Schauspieler Philipp Hochmair rockt das Alte Kino Franklin

Schillerballaden aus Opas verstaubter Bücherecke herauszuholen, ist Philipp Hochmairs vornehmste Aufgabe. In Mannheim ist das dem TV-Star mit der Elektrohand Gottes bestens gelungen...

Von 
Ralf-Carl Langhals
Lesedauer: 
Lyrische Ekstase gab es inklusive beim „Schiller Balladen Rave“ mit Philipp Hochmair und seiner Band Die Elektrohand Gottes. © Stephan Brückler

Mit einem leichten metallischen Klopfen geht es los. Lauter und heftiger wird es und wandert unsichtbar durch den Zuschauerraum des Alten Kinos Franklin. „Schiller, wo bist du?“ und flehender „Schiller, komm zu uns!“ ruft einer, den wir im Kampfanzug nun entschlossen an uns vorbei zur Bühne stapfen sehen. Philipp Hochmair packt zu bei der schillerpflegerischen Absicht, uns und sich des Dichters Werk und Wesen ins Hier und Heute zu holen.

Beim Gang zur Bühne hat er dessen „Ring des Polykrates“ auf den Lippen, leiert aber ein wenig, auch ein pathetischer Büttenredenton macht stutzig. „O je, und das knappe zwei Stunden?“, fragt sich da mancher im leider halbleeren Saal und „Der wird es schwer haben, hier Stimmung aufkommen zu lassen.“

Doch - den „Göttern Griechenlands“ sei Dank - alles nur Spaß, der kundige Mime weiß, wie schlecht es sich anhören kann, den Jambus metrisch überzustrapazieren - und auch wie man einen Saal voller Poesiefreunden in johlendes Konzertpublikum verwandelt.

Die Ballade über den Wankelmut des Glückes gibt es deshalb auf der Bühne gleich noch mal - in Top-Qualität mit langsam eindringendem, federndem Sound seiner Band Die Elektrohand Gottes.

Überhaupt hat Hochmair ein Händchen für Gags, die er nicht zwangsläufig aufdeckt. Später wird er frech (und eindringlich) den „Erlkönig“ sprechen und ihn ohne Ansage Goethe entreißen und Schiller zuordnen. Dann ist sein Humor wieder ranschmeißerisch: Der Wiener gibt den schlechtes Denglisch nuschelnden Hans-Moser-Imitator, das zieht. Dieses Energiepaket hat viele Seiten, auch eine selbstironische.

Wenn später „Se Daiwa“, also „Der Taucher“ zum Vortrage kommt, verzichtet er auf den Pennäler-Klassiker „Gluck, gluck, weg war er“ und zieht sich stattdessen, bereit zum Sprung ins Wasser, das Oberteil aus, um lakonisch weiterzurezitieren: „Und alle die Männer umher und Frauen / Auf den herrlichen Jüngling verwundert schauen.“

Testosteron und Selbstironie

Bei diesem Mick Jagger für deutsche Klassik muss man sich weder um den Testosteron-Spiegel noch um Textsicherheit, noch um die Kondition Gedanken machen. Das Kunststück, den Saal aufzutauen, gelingt zunehmend. Großen Anteil daran hat der Sound, den Tobias Herzz Hallbauer (Gitarre, Sampler), Bastien Eiffler (Schlagwerk, E-Percussion) und Rajko Gohlke (Electronics, Drummachine) unter Schillers Verse legen. Es wird mitgeklatscht, gejohlt und zum Finale der „Bürgschaft“ auch ein chorisch-gemeinsames „der Dritte“ eingefordert. Will man etwas Essig in den goldenen Becher träufeln, darf man den anpeitschenden Rufen „Schiller, Schiller lebt, Schiller in Mannheim!“ Monotonie attestieren. Dem „längsten Gedicht der Welt“, „Das Lied von der Glocke“, das er über Jahre memorierte, ist hingegen trotz Länge keine Gleichförmigkeit zu unterstellen.

Es zischt, qualmt, nebelt, orgelt und piept, bis Glocke und Mensch gemeinsam von der Wiege bis zur Bahre kommen. Band und Rezitator erzählen eine Geschichte, bieten ein Live-Hörspiel, das auch das „Lied vom Leben“ heißen könnte und Schillers tiefe Humanität offenbart: „Friede sey ihr erst Geläute.“ Auf den zahlreichen Sprichwörtern, die das Werk hervorbrachte, braucht sich Hochmair nicht auszuruhen, er dynamisiert mit Spiel, Zeilen-Loops und Megafon - und gerät in echte Ekstase. Mit stehend dargebotenen Ovationen dankt das Mannheimer Publikum dem erschöpften Hohepriester. Schiller war hier.

Redaktion Seit 2006 ist er Kulturredakteur beim Mannheimer Morgen, zuständig für die Bereiche Schauspiel, Tanz und Performance.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen