Am Montagabend landete die LH 713 aus Seoul-Incheon auf dem Frankfurter Flughafen. An Bord: Orchester und Chor der Oper am Nationaltheater Mannheim (NTM). Knapp 200 Menschen – 30 Techniker müssen sich noch ums Bühnenbild und andere Dinge vor Ort in der 2,5-Millionen-Metropole Daegu südöstlich von Seoul kümmern. Zu Ende geht damit ein Spektakel: Die Produktion „Der Ring des Nibelungen“ in der Regie von Yona Kim gastierte auf Einladung des Daegu Opera House zum 19. Daegu Internationalen Opernfestival – eine Bilanz der Reise.
Wie viele Menschen waren wie lange unterwegs?
Es waren laut NTM von 7. bis 25. Oktober 215 Personen unterwegs.
Wer hat die Reise, also Flug und Hotels bezahlt?
Das „Daegu Opera House“ hat die Opernsparte des Nationaltheater Mannheim mit „Der Ring des Nibelungen“ zum „19th Daegu International Opera Festival“ eingeladen und die Kosten übernommen. Nicht berücksichtigt bei dieser Betrachtung ist freilich, dass die Gehälter der 215 Reisenden aus dem NTM-Etat und also maßgeblich aus Mannheimer Steuern bezahlt werden.
Wie war die Publikumsresonanz in Daegu?
Es habe völlige Begeisterung geherrscht, so Pressechefin Doreen Röder – nicht nur im Publikum, sondern auch in der südkoreanischen Presse. Im Video auf der Webseite dieser Redaktion ist das so zu sehen.
Kommen die Koreaner auch irgendwann nach Mannheim?
Ja. Für 2026 ist geplant, die Oper „Sim Tjong“ von Isang Yun (uraufgeführt vor 50 Jahren zu den Olympischen Spielen 1972 in München) in der Produktion aus diesem Jahr nach Mannheim einzuladen und das auch zu bezahlen. Es sei „ein Werk von hoher Relevanz für Südkorea und für Deutschland“, so das NTM.
Wie war die Situation die Corona-Pandemie betreffend?
Die Situation mit Corona sei unbedenklich gewesen. Einige Betroffene konnten nachreisen. Neue Fälle vor Ort gab es wenige. Sie konnten gut isoliert werden.
Wie sieht es in Südkorea mit dem Thema Nachhaltigkeit aus?
Südkorea ist, was Nachhaltigkeit angeht, zumindest auf den ersten Blick nicht gerade vorbildlich, meint der NTM-Nachhaltigkeitsexperte Detlef Grooß. Man sehe Elektroautos, aber sonst scheine das Thema hier keine Rolle zu spielen. So etwas wie durchgehend geheizte Klobrillen, überall Nachtbeleuchtung in allen Farben und Essen in Plastikverpackungen zeigen Grooß’ Meinung nach wenig Sinn für Ressourcenschonung.
Wie sieht es mit der Klima- verträglichkeit der Reise aus
Er habe zwar „kein gutes Gewissen hinsichtlich der Südkoreareise“, sagt Detlef Grooß, aber: „Ich halte es, auch durch die Kompensation, für vertretbar.“ Internationaler Kulturaustausch sei wichtig. Die Frage sei eine der Verhältnismäßigkeit. So eine Reise erzeuge eben Emissionen – „und nicht wenige. Wir haben versucht, diese zu minimieren und durch die Kompensation dafür Verantwortung zu übernehmen“, so Grooß.
Was wurde konkret getan, um umweltfreundlich zu reisen
1. Fluggesellschaft: Das NTM flog mit Lufthansa, sie gilt als eine der umweltfreundlichsten Gesellschaften (laut Atmosfair CO2-Rechner deutlich weniger Emissionen gegenüber z. B. Korean Airlines). Grooß nennt das „ziemlich das Beste, was geht, wenn man denn fliegt“. 2. Lange Präsenzzeit: Abzuwägen sei immer, wie sich entstehende Emissionen im Verhältnis zum Kulturauftrag darstellen. Das NTM sei für zwei Wochen in Daegu und spiele den ganzen Ring. Das sei im Verhältnis deutlich besser als für zwei Konzerte zu fliegen, hier also verhältnismäßig gut. 3. Nur die nötige Zahl Flüge, sprich: kein unnötiges Personal mitnehmen. Das sieht Grooß als vollkommen erfüllt an. Auch die Fracht ist Grooß zufolge „auf das Mindestmaß reduziert“ worden. „Wir haben bei allem geprüft, ob man es vor Ort ausleihen kann, z.B. Schlagzeug. Auch habe man etwa auf den Frack verzichtet und im schwarzen Hemd gespielt, das habe „die großen und schweren Frackkisten“ eingespart.
Wie umweltfreundlich war die Unterkunft vor Ort?
Eine emissionsarme Unterkunft habe man leider nicht gehabt. Die Heizung habe zentral auf 27 Grad erhitzt, die Handtücher seien jeden Tag getauscht worden, und rund um die Uhr habe man die Klobrillen beheizt. Grooß: „Das scheint denen hier egal zu sein“, so Grooß.
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Wie nachhaltig wurden die 215 NTMler verpflegt?
Keine Information: Die Verpflegung wurde individuell gehandhabt.
Was tut das NTM, um die CO2-Emissionen zu kompensieren?
Da handle man laut NTM vorbildlich. Grooß wird nach der Tour das emittierte CO2 kompensieren. Das geschehe in einem Projekt, das die höchsten Standards habe (den VERRA Goldstandard). Es sei nicht nur auf Klimaeffektivität, sondern auch auf soziale Faktoren geprüft.
Was heißt das eigentlich: Emissionen kompensieren?
Kompensieren heißt ausgleichen. Generell spricht man von CO2-Kompensation, wenn die an einem Ort ausgestoßenen Emissionen woanders eingespart werden. Das kann die Finanzierung eines Projekts erneuerbarer Energie sein oder Aufforstung, die die Verbrennung fossiler Brennstoffe aber nur dann dauerhaft ausgleicht, wenn der vom Holz gebundene Kohlenstoff später nicht als CO2 zurück in die Atmosphäre gelangt, etwa durch Feuer oder Fäulnis. Grooß geht davon aus, dass das NTM in den zwei Wochen so viel emittiert hat wie im normalen Spielbetrieb bis Mitte Dezember.
Wie bilanziert Opernintendant Albrecht Puhlmann die Reise?
„Dieses Gastspiel der Oper des NTM (…) könnte Epoche machen. Die Resonanz war nicht nur beim Publikum euphorisch, es wurde vor allem in der nationalen Presse nicht nur die Qualität von Ensemble und Orchester gerühmt, sondern gleichzeitig die Bedeutung und Tragweite hervorgehoben, dass ein deutsches Ensemble-Theater hier dieses zentrale Werk der Operngeschichte zum ersten Mal komplett aufführt. (…) deutsche romantische Oper ist (hier) nie zu hören. Deswegen spricht man von einem epochalen Ereignis. Als solches wird es vom Publikum gefeiert, als solches wird es von den über 200 Künstlern und Mitarbeitern des Nationaltheaters mit großer Freude wahrgenommen (…) So wie uns von Seite unserer südkoreanischen Opernkollegen deutlich signalisiert wird, von unserer Art Opern aufzuführen gelernt zu haben, so erhoffen auch wir uns vom Gegenbesuch lehrreiche Erfahrungen.“
Wie bilanziert Gastdirigent Alexander Soddy die Reise?
Sie „krönt für mich die Arbeit der letzten sechs Jahre. Für jedes Orchester, für jedes Ensemble ist solch eine große gemeinsame Reise ein wahnsinnig wichtiger Moment. Zweieinhalb Wochen Gemeinsamkeit fördert das gegenseitige Verständnis, den Zusammenhalt, wovon alle angesichts der Herausforderungen der nächsten Jahre profitieren werden. Für Südkoreas Musiklandschaft ist dieses Gastspiel ein historischer Moment, für unser Mannheimer Nationaltheater die Anerkennung als eine der führenden Bühnen, als bedeutendes Wagner-Haus. Ich bin sehr stolz, dass ich den ,Ring des Nibelungen’ mit meinem ,alten’ Orchester in Südkorea mit solchem Erfolg dirigieren durfte.“
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