Nationaltheater

Abschied von Barbara Troeger: Drei Jahrzehnte mit 34 000 schönsten Erlebnissen

Barbara Troeger, Leiterin des Künstlerischen Betriebsbüros am Nationaltheater Mannheim, geht zufrieden in den Ruhestand. Angefangen hat ihr Weg beim NTM mit der Arbeit an der Theaterkasse.

Von 
Peter W. Ragge
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Wechsel an einer wichtigen Schaltstelle des Nationaltheaters: Barbara Troeger und Benedikt Nawrath im Foyer. © NTM/maximilian borchardt

Sie findet es „großartig“ und sei „rundum glücklich“, sagt Barbara Troeger - einerseits. Aber dann erwähnt sie doch, dass ihr manchmal bei letzten Gesprächen mit Kollegen die Tränen kommen. „Es ist schon ausgesprochen zwiespältig“, bekennt sie. Immerhin hat sie 34 Jahre am Nationaltheater verbracht. In dieser Woche, mit dem Ende der Spielzeit, geht die 63-Jährige, die als Leiterin des Künstlerischen Betriebsbüros eine ganz zentrale Schaltstelle war, in den Ruhestand.

„Das gönne ich mir“, begründet sie, warum sie etwas früher den Ruhestand antritt und damit auch die herausfordernde Zeit der Generalsanierung und der Ersatzspielstätten nicht mehr - besser: nicht erneut - mitmachen will, hat sie doch schon die erste Sanierung 1992/94 erlebt.

Zum Theater ist sie 1988 „mehr durch Zufall“ gekommen. Troeger hatte an der Universität Mannheim Geschichte und Latein studiert, in Alter Geschichte promoviert und als Aufsicht im damaligen Reiß-Museum gearbeitet und archäologische Exkursionen begleitet. Aussicht auf eine feste Stelle gab es aber nicht. „In den 1980er Jahren brauchte niemand Geisteswissenschaftler“, erinnert sie sich. Ein Theaterabend mit einer Studienkollegin änderte aber alles. „Vorher hatte ich nie viel mit Theater am Hut gehabt - aber da tat sich mir eine Welt auf“, so Troeger. Das Theater sei zu jener Zeit auch an der Universität nicht so präsent gewesen wie heute.

Bei dem Theaterabend bekam sie mit, dass eine Stelle an der Kasse frei ist. „Das Stipendium neigte sich zu Ende, ich musste gucken, dass ich Arbeit bekomme“, denkt Troeger zurück. Drei Jahre, ab 1988, arbeitet sie an der Kasse, bis die erste große Sanierungs- und Schließungsphase ansteht. Da wird Klaus Wendt auf Troeger aufmerksam und fragt sie, ob sie nicht mal etwas anderes machen wolle als nur Tickets zu verkaufen, denn er suche Unterstützung.

Daraufhin wird sie Mitarbeiterin von Wendt und damit einer Persönlichkeit, die über Jahrzehnte hinweg das Haus am Goetheplatz prägte - ab 1975 als Chefdisponent und 1993 bis zum Ruhestand 1999 als Direktor des künstlerischen Betriebs. „Alles, was ich kann, habe ich von Klaus Wendt gelernt“, sagt sie dankbar über den 2012 verstorbenen Träger des Bloomaulordens.

Fester Platz in der Loge

Der damalige Generalintendant Ulrich Schwab überträgt ihr 1996 die Leitung des Künstlerischen Betriebsbüros. Hier schlägt das Herz des Betriebs, hier wird der ganze Alltag organisiert, hier entstehen die täglichen Spiel- und Probenpläne, werden Krankmeldungen entgegengenommen und dann auswärtige Sänger als Ersatz verpflichtet. Auch die Belegung der Theaterwohnungen gehört zu den Aufgaben. Eine „ganz tolle Zeit“ habe sie in der Ära Schwab erlebt: „Viel Aufbruchstimmung, viel Leben, was haben wir gefeiert!“, schwärmt sie: „Eine verrückte Zeit!“ Ab und zu habe sie da auch mal kleinere Rollen übernommen - anfangs spontan, später geplant. Und Troeger sitzt ganz oft im Publikum, immer auf dem gleichen Platz in der ersten Loge vorne links, direkt gegenüber der Intendantenloge.

Der Wunschnachfolger

Doch den einen, den schönsten Moment in diesen 34 Jahren - den kann sie nicht nennen. „Die Jahre waren voll mit 34 000 schönsten Erlebnissen“, sagt sie strahlend, „es war immer irgendetwas - und ich habe sehr viele gute Freunde am Theater gefunden“.

Viele von ihnen sind in ganz Deutschland oder dem Ausland verstreut, weil häufige Wechsel am Theater eigentlich Alltag sind. Barbara Troeger indes ist in den 34 Jahren immer geblieben, sie war die Konstante. „Irgendetwas hat mich hier immer festgehalten - das Haus hat eine besondere Sogwirkung“, sagt sie, auch wenn zunehmende Verwaltungsarbeit und Vorschriftenfülle sie zuletzt geärgert habe: „Man braucht für alles sieben Unterschriften oder muss im Computer zehn Stationen anklicken, früher haben wir eben einfach gemacht!“

Und doch ist sie weit davon entfernt, frühere Zeiten zu glorifizieren und die Gegenwart zu kritisieren. So sei vieles früher auch strenger gewesen, die Akzeptanz bei der Intendanz, wenn plötzlich Krankmeldungen von beliebten Solisten kamen, viel geringer. Und die schwierige Corona-Pandemie habe das Haus „fantastisch“ bewältigt, mit wenigen Infektionen im Haus und einem wesentlich geringeren Publikumsrückgang als in anderen Städten.

Doch das ist jetzt nicht mehr Troegers Problem, sondern das von Benedikt Nawrath. „Mein absoluter Wunschnachfolger“, wie sie betont: „Ich freue mich, dass ich mein Lebenswerk in sichere Hände geben darf“, ist sie überzeugt und will, weg vom heißen Oberrheingraben, nach Bremerhaven ziehen.

Der Tenor war 2010 bis 2014 am Nationaltheater und dann am Staatstheater Wiesbaden engagiert, ehe er ab 2017 als freischaffender Sänger arbeitete. Zudem hat er umfangreiche zusätzliche Kompetenzen: Berufsbegleitend absolvierte Nawrath ein Kunst- und Kulturmanagement-Studium an der Universität Zürich, arbeitete im Rechnungswesen einer Immobilien-Investment-Gesellschaft und war 2018 bis 2020 im Orchestermanagement des Kurpfälzischen Kammerorchesters. Nach der Masterarbeit über die Umwegrentabilität großer Kultureinrichtungen kam er als Mitarbeiter von Troeger ans Nationaltheater. Jetzt ist er „total happy, dass ich diese wunderbare Aufgabe zwischen Bühne und Verwaltung machen darf“. Das mache ihm, auch wenn die Verantwortung „riesengroß“ sei, ebenso großen Spaß, freut er sich.

Redaktion Chefreporter

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