Eigentlich fristet Beethovens „Tripelkonzert“ im Vergleich zu seinen übrigen Solo-Konzerten eher ein Schattendasein. Aber wenn man es gemeinsam mit dem Kammerorchester Basel unter Giovanni Antonini beim Pro-Arte-Konzert im Mannheimer Rosengarten derart hinreißend interpretiert wie Sol Gabetta (Violoncello), Isabelle Faust (Violine) und Kristian Bezuidenhout (Klavier), so unglaublich musikantisch, voller Spielfreude in jedem Detail, dann verrät das oft geschmähte Stiefkind seine meisterlichen Qualitäten.
Ausgewogene Individualität
Takt für Takt vermitteln die Solisten und das glänzend agierende Orchester, was es heißt, Phrasierungskünste, Liniengestaltung, Artikulation und Emotionalität gemeinsam in den Griff zu bekommen, ohne die eigene instrumentale Individualität zu verleugnen.
Alle drei, Gabetta, Faust und Bezuidenhout, haben ihre eigene Diktion, ihren eigenen Wortschatz, und doch entsteht eine wunderbare Übereinstimmung, die keine wohltönende Ausgewogenheit anstrebt, sondern hin und wieder sogar den musikalischen Disput nicht scheut.
Man hat offenkundig Spaß miteinander, fühlt sich bisweilen von Gabettas rhythmisch orientierter Körpersprache immer wieder hineingezogen in ungeheuer vitale Prozesse, die innig, schlicht oder expressiv das jeweilige kompositorische Geschehen bestimmen.
Kaum war der letzte Ton verklungen, feierten sich die Künstler, vom begeisterten Publikum lautstark unterstützt, mit vielen Umarmungen. Der einfühlsam gespielte zweite Satz aus Beethovens „Gassenhauer-Trio“ als Zugabe war der angemessene Dank für die Ovationen.
Ließ das Kammerorchester Basel unter Giovanni Antonini bereits im „Tripelkonzert“ erkennen, was es bedeutet, Musik als existenzielle Dringlichkeit zu exponieren, so erwies sich anschließend Beethovens achte Sinfonie in vielerlei Hinsicht als kreative Ergänzung. Knapp und präzise, oft wunderbar leicht, doch mit Bodenhaftung wird das Klangspektrum durchmessen.
Eine kreative Ergänzung
Antonini ist ein Meister jenes behutsamen Insistierens, mit dem man in der Musik oft Nachdrückliches zu bewirken vermag. Nur so entfaltet diese Kunst ihre dramatischen Brüche, entsteht ihre genau inszenierte Tektonik – selbst dann, wenn es gilt, lyrische Linien zu erforschen.
Manchmal schwingen Beethovens kompositorische Gesten bei Antonini ins Grenzenlose aus. Aber nur kurze Zeit. Dann werden sie, geschärft, gelegentlich getrieben von einer fast hektischen Aktivität, den dynamischen Druckzonen ausgesetzt.
Begonnen hatte das Konzert mit der Ouvertüre zur Schauspielmusik „Olympie“ nach einem Text von Voltaire. Joseph Martin Kraus, 1756 in Miltenberg geboren, 1792 in Stockholm gestorben, als „Odenwälder Mozart“ in die Musikgeschichte eingegangen, hat es geschrieben. Ein tragisch gestimmtes Kleinod, das an diesem Abend, vielleicht etwas überraschend, wie ein kompositorisches Vermächtnis erscheint für all das, was musikalisch nach Kraus kommen wird.
Mit einer Zugabe, Rossinis Ouvertüre zu „La cambiale di matrimonio“, verabschiedeten sich die Gäste aus Basel. Grandios wie das Orchester auch hier Farben und Schattierungen ins Spiel bringt, dazu eine vibrierende Lust an Nuancen und der zarten Gewalt kontrastreicher Übergänge. Einfach fabelhaft!
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