Die Zeiten, in denen Götz Alsmann für die weltweit beste Jazzproduktion mit einem Echo ausgezeichnet wurde, sind – zum Glück – lange vorbei. Wobei: Alsmann ist hierzulande einer der besten Kenner des klassischen Jazz. Solche Kompetenz ist allerdings heutzutage kaum gefragt.
Der zum dritten Mal vergebene Deutsche Jazzpreis räumt Innovation und Diversität höchste Priorität ein, er gibt sich hip und betont politisch. Es scheint fast so, als wolle man einen – typisch deutschen? – Kontrapunkt zu Auszeichnungen in den USA setzen, bei denen traditionsverbundene Stars wie Kenny Barron, Bill Charlap oder Allison Miller im Mittelpunkt stehen; die waren beim Deutschen Jazzpreis erst gar nicht nominiert.
Auf Augenhöhe mit US-Stars
Wie dem auch sei, die Preisvergabe im Metropoltheater Bremen geriet zu einer durchaus würdigen Gala des Jazz – sieht man von den unmotivierten Freudenkieksern des Moderatorenteams Hadnet Tesfai und Max Mutzke ab. Deutsche Musiker wie Felix Henkelhausen und Peter Meyer an Bass respektive Gitarre spielten dabei auf Augenhöhe mit den US-Stars Terri Lyne Carrington (Schlagzeug) und Lakecia Benjamin (Saxofon).
Dies sowie Preisgelder in Höhe von 400 000 Euro, die in 31 Kategorien vergeben wurden, stellen die endlich vollzogene Anerkennung einer Kunstform dar, die in Deutschland lange ein Schattendasein führte. Ganz auf der Höhe der Zeit sind die in der internationalen Kategorie prämierten Lakecia Benjamin (Holzblasinstrumente), Makaya McCraven (Schlagzeug), James Brandon Lewis (Band des Jahres), Jason Moran (Piano), Moor Mother (Artist Of The Year), Jeff Parker (Saiteninstrumente), Kurt Rosenwinkel (Gitarre), Cecile McLorin Salvant (Gesangsalbum des Jahres) und das Trio Wadada Leo Smith/Andrew Cyrille/Quasim Naqvi (Instrumentalalbum).
Mit Jazz hat Preisträgerin wenig zu tun
Bei den nationalen Prämierungen dagegen schienen manche Preisvergaben fragwürdig. Die Berliner Künstlerin Sanni Est, als „Artist Of The Year“ in Deutschland gewürdigt, hätte bei jeder Electro- oder Performance-Konkurrenz eine Auszeichnung verdient. Aber mit Jazz hat die Transfrau reichlich wenig zu tun. „Sie kündigt die Akzeptanz etablierter Narrative auf“, hieß es in der Jury-Begründung.
So kann man es auch umschreiben. Etwas irritierend mutet auch der Sonderpreis an, der an das Berliner Kollektiv Quer Cheer vergeben wurde: Mit Pianistin Julia Kadel und Sänger Erik Leuthäuser gehören ihm zwei unbestrittene Größen der deutschen Szene an, es gibt aber bislang kein Tondokument. Gewürdigt wurde der Netzwerkgedanke, nicht die Musik. Das kann man gut finden, oder auch nicht. Beiden Kategorien wurde bei der Preisvergabe der mit Abstand meiste Redebedarf eingeräumt.
Zu den weiteren Prämierten aus Deutschland zählen unter anderem die Insomnia Brass Band (Band des Jahres), Potsa Lotsa XL (Groß-Ensemble), Altmeister Günter Baby Sommer (Schlagzeug), Volker Holly Schlott (Holzblasinstrumente) und die Bassistin Lisa Wulff. Bewegend war der Auftritt von Joachim Kühn, der gemeinsam mit seinem 2022 verstorbenen Bruder Rolf Kühn für das Lebenswerk geehrt wurde. „Der Jazz ist die freieste Musik“, betonte er. Laudator Till Brönner freute sich: „Ich habe noch nie so viel Dauerapplaus gehört, wenn es um Jazz ging. Ich hoffe“, wünschte er sich, „das macht Schule.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Mannheim als Idealfall für den Jazz