Mannheim. Am Stück gehört, kann man sich des unverwüstlichen Optimismus dieser Musik kaum entziehen. Wenn auch nur etwa eine Viertelstunde lang, so wirkt Joseph Haydns Missa Brevis in F-Dur in ihrer triumphalen Diktion doch fast ein wenig überambitioniert. Für heutige Begriffe zumindest; aber in einen liturgischen Ablauf eingebettet, lässt Haydns sogenannte Jugendmesse jene inneren Prozesse, die der Gläubige vom Kyrie bis zum Dona nobis durchschreitet, durchaus sinnfällig werden. In der Mannheimer Heilig-Geist-Kirche hat der dort ansässige Chor gemeinsam mit dem Heidelberger Kantatenorchester Haydns Frühwerk aufgeführt.
Zelebriert von Pfarrer Dietmar Mathe und Diakon Frank Weisbrodt, konnte dieser Gottesdienst zum ersten Weihnachtsfeiertag als religiöses Statement gegen Gewalt und Hoffnungslosigkeit erlebt werden, die freilich auch den christlichen Glauben anfechten. Der frühere Dirigent am Mannheimer Nationaltheater und heutige Dozent an der Mainzer Musikhochschule, Wolfram Koloseus, hatte zu Beginn mit einer Improvisation über Johann Sebastians G-Dur-Präludium (BWV 541) an der Göckel-Orgel für einen schwungvollen Auftakt gesorgt. Das vollständige Präludium gab es zum Ausgang nebst der dazugehörigen Fuge zu hören - ein eindrückliches Beispiel für Bachs polyphone Orgelkunst, die Koloseus mit großem Gespür für die feierlich-heitere Faktur dieser Musik würdigte.
Bezirkskantor Klaus Krämer leitete den Chor der Heilig-Geist-Kirche, der inzwischen eine mehr als 120-jährige Tradition fortführt und der Kirche als Zentrum für Kirchenmusik alle Ehre macht. Keine monumentale Klangkulisse, sondern ein etwa 20-köpfiges Vokalensemble hatte sich auf der Orgelempore aufgestellt und ließ einen voluminösen, warmen und technisch sauberen Gesang hören, der Haydns Missa ein wenig aus dem doch eher säkularisierten Kontext einer Festtagsmusik löste und sie stattdessen in einen spirituellen Rahmen fügte, der dank des liturgischen Ablaufs auch den persönlichen Nachvollzug erlaubte. Streicher des Heidelberger Kantatenorchesters - Klaus Krämer hatte auf die von Haydn später eingerichtete zusätzliche Besetzung durch Blechbläser und Pauken verzichtet - verliehen dem Chorgesang einen seidig-hellen Klang, der schimmernden Glanz verbreitete.
Die Sopranistinnen Birgit Stöckler und Mariko Schröder vom Opernensemble des Nationaltheaters bestätigten den hohen künstlerischen Rang dieser Aufführung mit einem ausgeprägten sängerischen Einfühlungsvermögen, das den liturgischen Charakter unterstrich und ihm zugleich eine konzertante Note gab. Birgit Stöckler zeichnete sich auch im Lied „Marias Wiegenlied“, das Max Reger auf der Grundlage von „Joseph, lieber Joseph mein“ eingerichtet hat, als Solistin aus.
Die fünf Teile aus Haydns Messe - das Benedictus geht aus dem Sanctus hervor - bargen noch viel vom jugendlichen Feuer des Komponisten, ließen sich insgesamt aber vor allem in ihrer sakralen Bestimmung als Zeugnisse eines Glaubens wahrnehmen, der in seiner Unerschütterlichkeit wie ein Fanal aus einer längst vergangenen Zeit wirkte. Solche Kraftspenden wie jene in Heilig-Geist täten bitter Not - und das nicht nur zur Weihnachtszeit.
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