Mannheim. Die US-amerikanisch-schweizerische Musikerin und Performerin Erika Stucky kreiert mit ihrem neuen „Ice Orkestra“-Programm einmal mehr unverwechselbare Klangkunst in der Alten Feuerwache Mannheim - und beweist dabei ihre außergewöhnliche Klasse als Jazzsängerin.
Am Ende jedes Jahres, bald also nachdem der Winter angebrochen und die Nacht am längsten ist, leuchtet Erika Stucky die Alte Feuerwache in Mannheim mit ihrer unnachahmlichen Klangkunst aus.
Das ist nicht nur für den Konzertgänger ein Vergnügen, sondern beruht offenbar auf Gegenseitigkeit: „Ich hab’ so Freude an dieser Christmas-Neujahrs-Tour, die ich jetzt seit 15 Jahren mache - unglaublich“, bilanziert die Sängerin und Performerin. Das bedeutet jedoch auch: Mal um Mal muss sie sich „ein neues Programm aus den Fingern saugen“.
Erika Stucky in Mannheim: Eine völlig unkalkulierbare Show
Was dabei passieren wird, ist für das Publikum im Vorfeld völlig unkalkulierbar. Zuletzt reiste Stucky mit ihren „Roadshow“-Programm über die Straßen der Welt, zuvor flog sie auf Lautsilben-Schwingen (in „Stucky Yodels“) zwischen der Schweiz und dem Westen der USA umher. Sie beschäftigte sich in „Stucky Sings The Blues“ mit Zwölftonmusik und im (herausragenden) „Tuba Kong“ mit Monsterfilmen, um ein andermal lukullisches „Soulfood!“ zu kredenzen.
Bei alledem hat sich die Sängerin und Akkordeonistin immer erlesene Musiker an die Seite geholt. Diesmal, bei „Erika Stucky’s Ice Orkestra“, sind es Julien Annoni und Serge Vuille vom Genfer Musikkollektiv We Spoke, die sie an Vibraphon und Marimba nebst anderem Instrumentarium (darunter eine Pirouetten-drehend Töne schleudernde Geige) in die Gletscherwelt der Oberwalliser Alpen begleiten. Was in dieser Eismeer-Suite, dieser „alpine sinfonie“, wie Stucky beschreibt, geschieht, reicht - zumindest was die erste Hälfte angeht - tiefer in die Performance-Art hinein als in die Gefilde konventioneller auskomponierter Musik.
Ein wundersamer Webteppich
Wie ein wundersamer Webteppich aus Walliser Sagenwelt-Erzählung, bluesig-alpinen Gesangsgirlanden, Jodel-Fragmenten, Akkordeon-Splittern, Geräuschkunst und vokalen Lautmalereien mutet an, was Stucky und ihre Mitstreiter hier erschaffen. Wir hören Gletscher-Raunen, das einem wie das Rauschen der Zeit in den Ohren widerhallt, während die beiden Stabsspieler dazu irisierende Töne wie von schmelzenden Eiszapfen herab in den Raum tropfen lasse.
Panorama-Projektionen von Wald- und Berglandschaften ziehen über die Leinwand, und der Schattenriss, den Stucky in ihrer Schafspelz-artigen Jacke darauf wirft, gemahnt uns an eine Satyr-Silhouette oder an eine Gestalt aus dem Rauhnächte-Gefolge der mythischen Frau Perchta. Und dann plötzlich leuchtet ein betörend gesungenes Lied von durchscheinender, zartschöner Beschaffenheit auf, bald gefolgt von einem rhythmisch pointierten Jodel-Tanz.
Klasse auch als Jazzsängerin
Und auch wenn Stucky sich bekanntem Liedgut widmet, entsteht daraus etwas gänzlich Neues, Anderes - so bei „Tea For Two“, das wie auf eine Spieluhr gesetzt wirkt und bei dem sie ihre stupende Klasse als Jazzsängerin beweist. Genauso bei der grandios aus dem Sattel ins Ätherisch-psychedelische gehobenen Song-Meditation „A Horse With No Name“ (wobei das Publikum einen exzellenten Chor abgibt) oder in der Zugabe mit Henry Purcells „Here Let My Life“. Was will man dazu noch sagen, außer vielleicht: hoffentlich bis nächstes Jahr!
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