Serie - Der frühere Leiter der Mannheimer Stadtgalerie ist heute Kulturamtsleiter in Esslingen – und bringt einiges in Bewegung

Was macht … Benedikt Stegmayer ?

Von 
Annika Wind
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Ein ansehnliches Haus krönt eine bewegte Karriere: Benedikt Stegmayer lebt und arbeitet in einem der schönsten Fachwerkbauten Esslingens. © Kulturamt Esslingen

Ein paar erste, kurze Klänge. Pause. Dann geht es los. 29 Glocken erfüllen minutenlang die Esslinger Innenstadt, so laut, dass es bis hinauf zur Burg schallt. Sie spielen Mozart, Schumann oder Beethoven, Schubert oder Händel. Automatisch, vom Lochband, wie man so sagt – aber auch von Hand, live. „Von Alltags Schwere die Herzen kehre / zu Fried und Freude durch dein Geläute“, heißt es auf der größten von ihnen, die unter dem reichsstädtischen Adler am Rathaus hängt. Wer hier am Platz wohnt, kann dem Glockenspiel kaum entgehen. Was aber ist mit denen, die nicht am, sondern im Verwaltungssitz unterwegs sind? Benedikt Stegmayer weiß es genau: Er lebt dort, wo er arbeitet. In der ehemaligen Hausmeisterwohnung im Rathaus. Neben den Glocken.

Näher kann man solch einem Instrument kaum kommen. Und wohl auch keiner Kommune. In Mannheim war er als Leiter der Mannheimer Stadtgalerie in ein Hinterhaus im Jungbusch gezogen. Jetzt, als Kulturamtsleiter, in einen der schönsten Fachwerkbauten im Südwesten. Wenige Schritte von seinem Büro entfernt, von dem aus er seit Ende 2015 so einiges in Bewegung gebracht hat – auch die Glocken nebenan. „2017 haben wir Deutschlands erstes Glockenspielfestival realisiert“, sagt der 36-Jährige und muss selbst lachen, weil es wie in seinem Fall so ungewöhnlich wie naheliegend war, dem überdimensionalen Instrument ein eigenes Fest zu kreieren. Mit internationalen Glockenspielern und einer ganzen Stadt als Publikum.

„Strategische, zielorientierte Kulturarbeit“ heißt im Beamtendeutsch das, was Stegmayer betreibt, seit die Stadt Mannheim ihre Stadtgalerie abschaffte und mit der Einrichtung des Port 25 auch eine neue Leitungsstelle ausschrieb. Der talentierte Ausstellungsmacher wechselte daraufhin an eine „strategische Stelle mit viel Gestaltungsspielraum“, wie er sagt.

Drastische Kürzungen zum Antritt

Doch der Start begann mit einem Schock: „Als erste Amtshandlung stand die Frage im Raum, wie der Kulturetat um 600 000 Euro gekürzt werden könnte – und vor allem bei wem“, berichtet Stegmayer. Der neue Kulturamtsleiter machte aus der Not eine Tugend und betrieb mit einer Stärken-/Schwächen-Analyse Ursachenforschung: Welche Aufgaben hat das Kulturamt genau? Und an welchen Stellen braucht es Akteure von außen? Ergebnis seiner „Kulturkonzeption“ war eine lange Liste an Zielen und Maßnahmen für die gesamte Stadt, aber auch für einzelne Einrichtungen. Gekürzt wurde der Etat schließlich um 200 000 Euro.

Und trotzdem wurde einiges auf den Weg gebracht – in einem beeindruckenden Tempo: In nur drei Jahren hat Stegmayer Betreiber für das „Central“, einem der ältesten Kinosäle Deutschlands, gefunden. Sie haben darin ein neues freies Theater etabliert. In der bildenden Kunst war die Stadt zwar durch die renommierte Villa Merkel kein blinder Fleck. Aber es fehlte an Künstlernachwuchs. Das hat sich nun geändert: Im benachbarten Bahnwärterhaus neben der Villa haben nun Meisterschüler der Stuttgarter Kunstakademie ihre Ateliers. Zudem hat Stegmayer eine Gruppe aus Künstlern gefunden, die die leerstehende Galerie 13 als Projektraum wiederbelebt.

Was beschäftigt ihn gerade? „In der Stadt wird über eine neue Stadtbücherei diskutiert“, sagt Stegmayer – offen sei, ob im bisherigen mittelalterlichen Pfleghof, der saniert und erweitert werden müsste, oder in einem Neubau. „Zudem wünschen wir uns, dass die Villa Merkel eine Dependance im Internet bekommt – als digitales Museum für Netzkunst.“ Neu ist Deutschlands erstes Stipendium zur Denkmalforschung.

Das Geld kommt dafür von der „Zukunftsstiftung Heinz Weiler“, aber wieder war es Stegmayer, der auch das Landesamt für Denkmalschutz und das Stadtarchiv dazu holte und alle an einen Tisch brachte. Die erste Stipendiatin wohnt nun in der alten Hochwacht – die er auch aus einem anderen Zusammenhang gut kennt: als Kurator. Ein einziges Mal hat er in seiner Amtszeit noch einmal eine Ausstellung organisiert. Er engagierte den Medienkünstler Igor Štromajer, der Texte von Albert Dulk in die Stadt morste. Mit Lichtzeichen. Ein Kunstwerk zu Ehren des Esslinger Dramatikers (1819-1884) und im Auftrag des Esslinger Kulturamtsleiters – mit Signalwirkung.

Sein Weg zu wachsender Verantwortung

  • Benedikt Stegmayer kam 1981 in Rosenheim zur Welt und wuchs in einer Künstlerfamilie auf. Er studierte Philosophie in Tübingen und Cambridge sowie Kunstgeschichte in Paris und Berlin, spielt Schlagzeug und Klavier, gründete schon während seiner Studienzeit einen kleinen Verlag und war von 2011 bis 2015 Ansprechpartner für Bildende Kunst der Stadt Mannheim.
  • Zu seinen Aufgaben in Mannheim gehörte auch der Ausstellungsbetrieb der Stadtgalerie in S4, die er durch eine kluge Mischung aus regionalen und internationalen Künstlern über die Stadtgrenzen hinaus bekannt machte.
  • In Esslingen ist er für alle städtischen Kultureinrichtungen und etwa 160 Mitarbeiter verantwortlich. Seit seinem Umzug nach Esslingen hat sich auch privat etwas geändert: Im Rathausturm lebt Stegmayer mit seiner Familie – 2017 kam sein Sohn Nathan zur Welt.

Freie Autorin

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