Konzertkritik

Warum Michael Bublé in Mannheim den Mittelfinger zeigt

Der 47-Jährige Sänger und seine glänzende Big Band begeistern geschätzte 7000 Fans in der SAP Arena auf einer raumgreifenden Bühne  - auch wenn der Italokanadier dort 2014 und 2019 in noch besserer Form war

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Schon zum fünften Mal in der SAP Arena: Der bestens aufgelegte Michael Bublé konnte wieder im Beifall baden. © Rudolf J. Uhrig

Mannheim. James-Bond-Feeling kommt auf, als die Band hinter dem Vorhang lautstark den Countdown zum Konzertbeginn von Michael Bublé in der Mannheimer SAP Arena beendet: Ein wuchtiges Filmintro mit Pyro-Kaskaden begleitet den Auftritt des italokanadischen Sängers, der über den Köpfen seiner 29 Musikerinnen und Musiker „Feeling Good“ anstimmt. Wie gut sich dieser durchschlagend interpretierte, verhinderte Bond-Song mit seinen rasiermesserscharfen Bläsersätzen anfühlt, zeigen der frenetische Jubel und spitze Entzückensschreie. Großes Entertainment-Kino von Beginn an.

Noch begeisterter wird Bublés eigener Song „Haven’t Met You Yet“ aufgenommen. Natürlich sind die Stühle im Innenraum jetzt schon überflüssig: Alles steht, tanzt, swingt, strahlt. Dazu leuchtet die ungewöhnlich konstruierte Bühne in fröhlichem Orange. Sie ist schmaler als gewohnt, eher quadratisch mit begehbarem Außenrand und stufig angeordnetem Innenleben. So können die Big-Band-Sektionen klassisch angeordnet werden.

Liebe zu Kultur und Currywurst

Der Hauptdarsteller nutzt den illuminierten Steg und kann auf der B-Bühne in der Hallenmitte regelrecht im Beifall seiner Fans baden. Er albert mit ihnen herum - bis sie statt „Ole, Ole, Ole „Bublé, Bublé, Bublé“ singen. „Ich bin Zuhause!“, ruft der 47-Jährige begeistert. „Jedes Mal, wenn ich in Interviews gefragt werde, wo ich am liebsten auftrete, sage ich: Deutschland. Es ist wahr, googelt es.“ Er liebe die Leute, die Kultur, Currywurst und den Humor hier. Und nach Jahren mit dem „doofen Covid“ habe er genau das hier gebraucht, ruft der Sänger mit Blick in die gebannt lauschende Menge.

Das Programm von Michael Bublés „Higher“-Tour in Mannheim

Hauptteil

1. Feeling Good (2005 veröffentlicht von Michael Bublé, bekannteste Version: Nina Simone),

2. Haven’t Met You Yet (2009, Eigenkomposition),

3. L-O-V-E (2007, Nat King Cole),

4. Such A Night (2018, Clyde McPhatter & The Drifters),

5. Sway (2003, Dean Martin),

6. When You’re Smiling (The Whole World Smiles With You) (2018, Louis Armstrong),

7. Home (2005),

8. Everything (2007),

9. Higher (2022),

10. To Love Somebody (2013, Bee Gees),

11. Hold On (2009),

12. Smile (2022, Charlie Chaplin),

13. I’ll Never Not Love You (2022),

14. Fever (2003, Elvis Presley),

15. One Night / All Shook Up / Can’t Help Falling In Love (Elvis-Presley-Medley),

16. You’re The First, The Last, My Everything (2022, Barry White),

17. It’s A Beautiful Day (2013),

18. Cry Me A River (2009, Julie London).

Zugabe

19. Bandvorstellung mit Soli zum „Smile“-Thema,

20. How Sweet It Is (To Be Loved by You) (2005, Marvin Gaye),

21. Save The Last Dance For Me (2005, The Drifters),

22. Always On My Mind (2007, Gwen McCrae). 

 

Zwischen Swing-Tradition und Pop-Faktor

Danach wird beschwingt geschwelgt, geschnipst und gesungen zu Nat King Coles „L-O-V-E“ mit einem herausragenden Trompetensolo von Jean Gaze. Latinisierte Versionen von „Such A Night“ und „Sway“ erhöhen den Leichtigkeitsfaktor noch, während bei „When You’re Smiling (The Whole World Smiles With You)“ die Streicher erstmals eine tragende Rolle spielen. Wie immer sind die Arrangements des Musikalischen Direktors Nicholas Jacobson-Larson exzellent, oft spielen sie gekonnt mit der Tradition (Louis Armstrong, Duke Ellington, Count Basie) und Bublés Pop-Faktor.

Nicht nur bei seinem größten eigenen Hit „Home“ sorgt Bublés samtweicher Bariton für große Gefühle. Es darf aber auch gelacht werden, etwa zu charmanten Geschichten über Ex-Freundinnen, wenn er zum ewigen Abräumer „Everything“ überleitet. Danach kommt der beeindruckend wuchtige Titelsong des frisch mit dem Grammy ausgezeichneten Albums „Higher“ (2022) - hochklassig und rhythmisch komplex. Hier fremdeln die Fans etwas.

Nicht nur der "Christmas Boy"

Bublé wirkt zwar etwas stämmiger und nicht ganz so fit wie bei seinem letzten Mannheimer Auftritt 2019. Trotzdem tanzt er oft wie aufgedreht, tigert ständig zwischen den Bühnen hin und her, sucht den Kontakt zu einzelnen Fans. Dabei erinnert er an die Sommertour in England, wo junge Mädchen reihenweise umgekippt seien - wohl hormonell bedingt, wie Bublé nicht ohne Stolz berichtet. „Ich bin nicht nur der Christmas-Boy“, betont er in Anspielung an sein megaerfolgreiches Weihnachtsalbum - und zeigt den Mittelfinger. „Weihnachtsman“ bringe heute keine Geschenke, sondern er wolle zum Babymachen inspirieren - „Bublabies“. Die Bee-Gees-Ballade „Love Somebody“ ist dafür zwar passend gewählt, läuft aber als einziger Song nicht ganz rund. Und will - wie später Hits von Barry White oder Marvin Gaye - live nicht perfekt zu Bublés meist eher entspanntem Gesangsstil passen.

Den Eindruck löscht er mit .Charlie Chaplins „Smile“. Das Titellied aus „Moderne Zeiten“ wird zum intimen Moment zu dritt - für Bublé, Pianist Ray Dunlap und Publikum (plus gebrochenem Mikroständer). Gesanglich ist das neben dem bombastischen „Cry Me A River“ seine stärkste Leistung. Riesiger Applaus.

"Königsmesse" für Elvis Presley

Die zweite Hälfte wird zur Königsmesse, mit vielen Songs, die der „King of Rock ’n’ Roll“ groß gemacht hat. Wie immer grandios gerät der Evergreen „Fever“, den Elvis Presleys Witwe Bublé persönlich für ein posthumes Duett angedient hat. „One Night“ ist eine Nummer zu groß, dass der Kanadier sich dafür eine Gitarre umhängt, um Luftgitarre darauf zu spielen - Geschmackssache. „All Shook Up“ passt besser, die Balladen „Can’t Help Falling In Love“ und „Always On My Mind als letzte Zugabe sind Heimspiele.

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Vorher dankt der Star seinen Fans, „den wirklichen Stars der Show“. Und den Fans dafür, „dass ihr die teuren Karten gekauft, teuren Sprit verfahren und uns eure kostbare Zeit geschenkt habt“. Das hat nach den fast zwei Stunden kurzweiliger Unterhaltung keiner bereut. Auch wenn Michael Bublé bei seiner fünften Show in der SAP Arena nicht an die exzellente Form von 2014 und 2019 herankommt. Dafür versprüht er nach der Genesung seines krebskranken Sohnes wieder mehr von seiner früheren jungenhaften Leichtigkeit. Die Zeiten sind ja auch hart genug.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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