Das neue Buch - Lily Brett schreibt einen Roman über "Lola Bensky", zu der es auch in ihrem eigenen Leben einige Parallelen gibt

Warum Jimi und Jim mit 27 starben

Von 
Jeanette Stickler
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Sie ist 19 Jahre alt, arbeitet für ein australisches Rock-Magazin und reist den Stars hinterher, die die Musik der 60er Jahre beherrschen, um mit ihnen über Gott und die Welt zu reden: Lola Bensky ist die Protagonistin des neuen Romans von Lily Brett. Mit ihrer Schöpferin teilt sie sich nicht nur die Initialen des Namens, sondern auch den biografischen Hintergrund. Die in New York lebende Schriftstellerin wurde 1946 in einem Lager für Displaced Persons in Deutschland geboren, nachdem ihre Eltern getrennt voneinander Auschwitz überlebt hatten.

Aufgewachsen ist Lily Brett in Melbourne, wohin die Familie zwei Jahre später emigrierte. Und wie ihre stark autobiografische Figur Lola, die auch in ihrem früheren Buch "Alles halb so schlimm" eine Rolle spielt, startete Lily Brett ihre Schreibkarriere als Journalistin eines Musikmagazins. Der Roman verschränkt die Zeit des Aufbruchs und der Neuorientierung der 60er Jahre, die ihren Ausdruck auch in der Rockmusik findet, mit der Jetztzeit, springt aber auch zurück in die Zeit von Kindheit und Jugend. Dabei sinniert das Alter Ego Lily Bretts über die Unterschiede zwischen Australien und Amerika, lernt die Größen der Musikszene kennen und macht sich Gedanken vor allem über eines: über die nächste Diät, die die überflüssigen Kilos zum Verschwinden bringen soll. Und immer wieder über das Schicksal der Holocaust-Überlebenden und deren Familien.

"Die Kinder waren die Überlebenden der Eltern. Nicht wenige von ihnen waren die Opfer von Vernachlässigung bei gleichzeitiger übermäßiger Wachsamkeit. Sie hatten Eltern, denen es sofort auffiel, wenn sie ein Pfund zunahmen oder sich die Haare falsch frisierten aber nicht, wenn sie traurig, verwirrt, einsam oder ängstlich waren."

Schwierige Vergangenheit

In ihren bisweilen skurrilen, aber immer unterhaltsamen Interviews mit Jimi Hendrix und Janis Joplin, mit Mick Jagger und Jim Morrison, mit Sonny und Cher und vielen anderen Musikern plaudert Lola scheinbar naiv über die Kommunikationsschwierigkeiten in ihrer eigenen Familie oder über die wie abwesend wirkende Mutter Renia, die sich ihrer Tochter nur dann direkt zuwenden kann, wenn sie sie zum Abnehmen auffordert. Aber auch über die Bemühungen des Vaters Edek, seine Rolle gut auszufüllen, über Vernichtungslager der Nazis, über Opfer und Täter. Und dabei ist sie, im Gegensatz zu ihren Gesprächspartnern allen Drogen abhold, eine gute Zuhörerin und Beobachterin, wodurch wunderbare Porträts von all den Berühmtheiten der Musikszene entstehen, deren Namen nicht vergessen sind.

Seine Wirkung erzielt der Roman aus seiner munter klingenden, geradezu schlichten und völlig unsentimentalen Sprache. Der Humor und selbstironische Witz, der Lola Bensky auch sich selbst gegenüber zur Verfügung steht, und die Kunst, die Banalitäten des Alltags mit dem Grauen von Vernichtungslagern und der Trauer der Überlebenden zu konfrontieren, sorgen bei aller Dramatik für einen heiteren Grundton. Aber auch für den irritierenden Gedanken, dass viele Musiker wie Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison oder Brian Jones durch eigenes Verschulden, durch Missbrauch von Drogen und Alkohol, im Alter von 27 Jahren gestorben sind. Es ist ungefähr das Alter, in dem Lily Bretts und Lola Benskys Eltern in Auschwitz befreit wurden.

Freie Autorin

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