Interview

Warum für Comedy-Star Ingmar Stadelmann ein Witz nie das Problem sein kann

Der Wahl-Berliner spielt am 28. Oktober in Mannheim sein Programm „Außer mir macht‘s ja keiner!“ im Capitol. Im Vorab-Interview spricht er über Xavier Naidoo, Cancel Culture und singt das Hohelied auf das Schatzkistl

Von 
Jörg-Peter Klotz
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© Hendrik Gergen

Herr Stadelmann, die Welt steht zunehmend Kopf. Wie macht man Comedy in Zeiten von Krieg, Krise, Pest und Cholera?

Ingmar Stadelmann: Im besten Fall mit Humor! Ich finde übrigens auch nicht, dass die Welt dermaßen Kopf steht. Was Kopf steht, ist Social Media - und das Gefühl, bei jeder Krise und jedem Konflikt in Echtzeit dabei sein zu müssen.

Welcher Themenmix erwartet die Zuschauer bei Ihrem Jubiläumsprogramm am 28. Oktober im Capitol? Die Nachrichtenlagen können sich ja jederzeit überschlagen.

Stadelmann: Ich bin da schon auch tagesaktuell, wenn es sich anbietet. Wenn Dieter Bohlen zum Beispiel die Energie-Krise erklärt, ist das ein wunderbarer Moment, an dem man erkennen kann, was falsch läuft. Und warum wir aufhören sollten, Leuten, die in einem bestimmten Bereich vermeintlich kompetent sind, diese Kompetenz automatisch auf alle anderen Themen zu übertragen. Ich nenne das den Precht-Effekt. Ansonsten gibt es live aber auch das, was es im Moment dringend braucht: Eskapismus mit befreiendem Lachen.

Ihr Vater war CDU-Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt. Prägt das Ihre Arbeit, die in den letzten Jahren immer politischer wurde?

Stadelmann: Ehrlich gesagt nein. Er hat ja mittlerweile auch wieder einen seriösen Job. Ich bin politischer geworden, weil die Zeiten politischer geworden sind, und ich mich als eine Art satirischen Chronisten sehe. Es geht halt wieder um Etwas auf deutschen Bühnen. Niemand braucht einen weiteren Wohlfühl-Comedian.

Reizt Sie eine Kandidatur für Martin Sonneborns PARTEI?

Stadelmann: Das wird tatsächlich relativ häufig an mich herangetragen. Aber ich verweise da gerne auf den oben genannten Precht-Effekt: Ein Kabarettist ist wahrscheinlich ein genau so guter Politiker, wie ein Philosoph ein guter Militärexperte ist. Ich bleibe lieber auf dem humoristischen Beobachterposten und mache, was ich kann.

Ich finde, dass viele Kabarettisten zumindest kurz in die Politik gehen sollten. Einfach, weil auch Sie komplexe Zusammenhänge extrem griffig auf den Punkt bringen können. So haben Sie zum Beispiel in ein paar Zeilen das Widerspruchsgebäude der gängigen Verschwörungsfantasien abgerissen: „Hab ich das richtig verstanden? Xavier Naidoo will jetzt den Staat, den es laut ihm nicht gibt, vor Gericht, das laut ihm keine Macht hat, verklagen, weil die wegen eines Virus’, dass laut ihm keine Bedrohung ist, das Grundgesetz, das laut ihm nie in Kraft trat, gefährden.“ Ist das Talent oder kann man das lernen?

Stadelmann: Beides natürlich. Dafür müssen sie ein besonderes Leben führen: keinen Wecker haben, mittags zum dritten Mal dieselbe Waschmaschine anmachen, weil sie jedes Mal vergessen, die Wäsche rauszunehmen. Um 3 Uhr nachts spontan an der Spree spazieren gehen und grundlegend die Zeit haben, sich mit dem Wahnsinn jeder Woche auseinanderzusetzen. Dann kriegt man das hin.

Gewinner des 1. Mannheimer Comedy Cups

  • Stand-up-Comedian, TV- und Radiomoderator Ingmar Horst Heinz Stadelmann wurde am 4. September 1980 in Salzwedel, Sachsen-Anhalt, geboren.
  • Der Sohn des CDU-Politikers Jürgen Stadelmann startete seine Solokarriere 2012 mit dem Programm „Was ist denn los mit den Menschen?“. 2013 gewann er u.a. den 1. Mannheimer Comedy Cup. 2014 folgte der Deutsche Comedy-Preis als bester Newcomer.
  • „Der Meister des bösen Wortes“ ist seit zehn Jahren als Komiker auf Tournee. Das Jubiläumsprogramm „Außer mir macht‘s ja keiner!“ spielt er am Freitag, 28. Oktober, 20 Uhr, im Mannheimer Capitol. Karten unter Telefon 0621/33 67 333 (27,20 oder 29,40 Euro plus Gebühren). 

Apropos Naidoo: Mannheims Sohn hat sich entschuldigt. Wie geht es Ihnen damit?

Stadelmann: Die Frage muss bei Xavier immer lauten: Wie geht es ihm damit? Und jetzt, wo man wieder auf Tour gehen kann, nach zwei Jahren Pandemie, kann man sich sicherheitshalber schon mal entschuldigen … wenn es den Ticketverkäufen hilft. In dem Sinne möchte ich mich natürlich auch entschuldigen.

Da wir beim Thema Cancel Culture sind: Es gibt Veranstalter, die schreiben in Verträge, dass keine Witze gegen Minderheiten gemacht werden dürfen. „Satire darf alles“ hat wohl ausgedient, oder?

Stadelmann: Ich erlebe das anders. Ich finde auch nicht, dass wir ein Problem haben im Sinne von „Dinge darf man nicht sagen“. Das Gegenteil ist ja der Fall. Es werden Dinge gesagt, die waren vor 20 Jahren noch unsagbar. Was im Eimer ist, ist die Dialogfähigkeit. Generell gilt: Wer Witze verbieten will, hat nicht verstanden, was das Problem ist. Der Witz ist nie der Feind. Der Witz ist immer Verbündeter. Er entlarvt. Demaskiert. Entblößt. Wer Witze verbietet, löst also keine Probleme. Er nimmt nur Sichtbarkeit für Probleme, weil das Problem eben nicht der Witz ist. Das Problem ist: das Problem.

Wissen Sie noch, wann Sie Torsten Sträter meilenweit hinter sich gelassen haben?

Stadelmann: Das dürfte der Mannheimer Comedy Cup 2013 gewesen sein … eine sehr, sehr schöne Veranstaltung! Wobei um die Wette lustig sein, ist halt wirklich keine gute Idee.

Sie haben damals im Capitol gewonnen, der heute extrem erfolgreiche Sträter wurde Letzter. Ich frage mich seitdem immer wieder mal, warum Sie mit Ihrer offensichtlichen Qualität nicht früher vom Comedy-Boom profitieren konnten. Was ist Ihre Antwort?

Stadelmann: Puh das sind so Themen mit denen sich, glaube ich, eher Manager beschäftigen. Mir ist schon klar, dass meine Inhalte vielleicht manchmal etwas sperriger waren und ich keine zweistündige Anbiederung ans Publikum veranstalte, weil ich das unangenehm und langweilig finde. Mein Ziel sind und waren nie irgendwelche Stadthallen. Natürlich möchte ich möglichst viele Menschen für das begeistern, was ich mache, und in der aktuellen Situationen gehör ich ja zu denen, die überhaupt touren können, weil genug Leute kommen. Dafür bin ich sehr dankbar. Aber sagen wir es so: Inhaltlich ist meine Kompromissbereitschaft eingeschränkt. Die, die jetzt kommen, wissen das auch und kommen deswegen. Sowas dauert dann halt einfach ein bisschen länger, bis es sein Publikum findet. Aber ich will das ja auch in 20 Jahren noch machen und trotzdem spannend sein.

War Mannheim danach weiter gut zu Ihnen? Sie waren ja oft zu Gast, zuletzt 2019 im Schatzkistl …

Stadelmann: Ja, sehr! Dafür muss ich eine Lanze für brechen. Wenn es nach Veranstaltern ginge, wäre ich schon vor Jahren im Capitol gelandet, aber ich hab irgendwann diesen kleinen, magischen Ort in Mannheim bei einer Vorpremiere entdeckt und hab das dann dort so oft wie möglich genutzt. Ein tolles kleines Theater! Jetzt machen wir aber endlich mal das imposante Capitol da bei Euch. Freu’ ich mich sehr drauf!

Es läuft jetzt ja generell immer besser bei Ihnen - verdankt sich das der geheilten „Mainstreamisierung“, die Sie sich selbst auf Twitter attestieren?

Stadelmann: Die hat mir ein Kollege mal attestiert, nachdem ich 2017 ein Stück über heroische Gelassenheit gemacht habe im Zusammenhang mit Terror-Anschlägen. Mein Eindruck ist einfach: Die Leute lechzen jetzt nach Inhalten! Den tausendsten Männer-Frauen-Gag brauchen sie nicht. Also schwebt meine Show zwischen pointiertem Eskapismus und satirischer Aufklärung. Befreit und ungehemmt lachen und vielleicht zwei bis drei schlaue Gedanken mitnehmen. Das macht Spaß, weil ich keine moralische Wertung mitschleppe, die Gags verhindert.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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