Filmkritik

Warum "Black Panther: Wakanda Forever" der diverseste Marvel-Film ist

Nach dem Tod von Hauptdarsteller Chadwick Bosemanund einigen Wendungen in der Handlung übernimmt eine junge Frau die Rolle des schwarzen Superhelden. Und nach Afrika rücken auch Mittel- und Südamerika in den Fokus des popkulturellen Empowerments. Das interessiert auch im Mannheimer Cinemaxx, beim vierterfolgreichsten MIttwochssfilmstart des Jahres

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Starke „Women in Black“: Wakanda-Generalin Okye (Danai Gurira, l.) und Prinzessin Shuri (Letitia Wright). Unten ihr Gegner Namor (Tenoch Huerta). © The Walt Disney Company

Kinobesuche in Mannheim sind meist so multikulturell wie die Stadt selbst. Bei den ersten Abendvorstellungen von „Back Panther: Wakanda Forever“ am Mittwoch im Cinemaxx schien das Interesse der People-of Color-Community überdurchschnittlich zu sein. Größere Gruppen hatten sich zum Kinobesuch zusammengefunden, um zu sehen, wie es mit dem „schwarzen Superhelden“ und seiner afrikanischen Supermacht weitergeht.

Chadwick Boseman alias T'Challa nur eine Erinnerung

Die offensichtlichste Frage beantwortet Regisseur und Drehbuchautor Ryan Coogler souverän: Der an Darmkrebs verstorbene Chadwick Boseman (1976-2020), der als Titelheld des ersten „Black Panther“-Films 2018 zum Weltstar wurde, muss in der Fortsetzung kein trostloses Dasein als digitaler Untoter fristen. T’Challa, König von Wakanda, taucht nur als Erinnerung auf. Auch der mystische Zugang zu seinen Kräften scheint versperrt. Es gebe jetzt keinen Helden mehr, den man rufen kann, heißt es. „Weil das jetzt so nicht mehr funktioniert“, sagt T’Challas Schwester, das Technik-Genie Shuri (Letitia Wright).

Königin maßregelt USA und Frankreich in Genf

Von daher sieht man überall: Frauen an der Macht. Shuris Mutter Ramonda (Angela Bassett) ist Königin Wakandas. Bei den Vereinten Nationen in Genf liest sie den USA und Frankreich die Leviten. Denn die Weltmächte wollen auch Zugriff auf den für überlegene Technologie nötigen Rohstoff Vibranium, dessen Besitz Wakanda scheinbar unangreifbar macht. Majestätisch lässt die afrikanische Königin die einstigen Kolonialstaaten wissen, warum sie ungeeignet sind, mit dieser Verantwortung umzugehen: Nicht weil Vibranium gefährlich wäre, sondern „weil sie gefährlich sind.“

Ein schöner Wechsel der Weltperspektive. Auch bei der Besetzung: Weiß gelesene Superstars wie Julia Louis-Dreyfus oder Martin Freemann spielen nur Randfiguren - als FBI-Spitzenleute.

Faszinierender Gegenspieler

Dann zeigt sich, dass es außer Wakanda noch eine zweite Macht gibt, die über Vibranium verfügt: Namors Unterwasserreich Talucan. Das wesentlich undiplomatischer auf Zugriffsversuche durch die USA reagiert. Dessen tödliche Attacke auf ein CIA-Schiff bringt Wakanda in Verdacht, ein Weltkonflikt zieht herauf. Gegen die Superkräfte Namors hilft dann doch nur ein neuer Black Panther, natürlich eine Pantherin. Unschwer zu erraten, dass Shuri die Verantwortung übernimmt.

Coogler rückt die etwas überbordende Folklore des ersten Teils und die wie üblich brillant umgesetzte Superhelden-Action eher an den Rand der dichtgewobenen Geschichte. Die setzt stärker auf identitätspolitische Signale und Entwicklung der Charaktere. Und das subtil genug, um nicht belehrend zu wirken. Was vermutlich mehr bewirkt, als manche ambitionierte Doku.

Zumal auch der Antagonist für Empowerment stehen kann: Es war eine Frage der Zeit, bis einer von Marvels faszinierendsten Charakteren endlich das Licht der Filmwelt erblickt: Namor, der Sub-Mariner. Er ist für viele im Saal offensichtlich eine Neuentdeckung. Dabei ist er eine der ersten Figuren des heutigen Entertainment-Multis unter dem Dach von Disney. Namor taucht tatsächlich schon 1939 in „Marvel Comics #1“ auf, damals hieß der Verlag noch Timely Comics. Neben dem jungen Captain America und der Original Human Torch kämpfte er im Zweiten Weltkrieg gegen Nazis und Japaner.

Der im Grunde noble, aber jähzornige Herrscher des Unterwasserreichs Atlantis gilt als erster Antiheld der Comicgeschichte. Hierzulande wurde er als Gegner der Fantastischen Vier kurz populär, später als Mitglied der Avengers, der Defenders und der X-Men. Apropos X-Men: Er wird als erster Mutant der Comicgeschichte bezeichnet.

Aus Atlantern werden Unterwasser-Mayas

Auch in Namors Fall kann man selbst als Marvel-Fan, der diese Figur schon seit 50 Jahren „kennt“, nur staunen, wie radikal die Marvel-Kinomacher sie in einen völlig anderen Kontext transponieren. Und das so stimmig, dass man nichts daran aussetzen kann.

Dabei ist es ein extrem weiter Weg vom Atlantis der Comics zum Reich des Sub-Mariners im Film: Talucan wurde von Mayas gegründet, die sich mit einem Trank in Unterwasserwesen verwandelten, um vor den spanischen Eroberern und den von ihnen eingeschleppten Pocken zu fliehen. Der nahezu unsterbliche „geflügelte Schlangengott“ Namor machte die Metamorphose schon im Bauch seiner Mutter durch. Konsequenterweise spielt ihn der Mexikaner Tenoch Huerta mit Alexander-Temperament.

Im Marvel Cinematic Universe wurde schon erstaunlich früh darauf geachtet, Minderheiten prominent sichtbar zu machen und Frauen als starke und kluge Vorbilder zu zeigen. Aber so divers war nicht mal der erste „Black Panther“-Film. Der wurde weltweit zu einem Fanal für People of Color, vor allem mit afrikanischen Wurzeln. Nicht etwa, weil T’Challa der erste „schwarze“ Kinosuperheld gewesen wäre - da gab es schon „Hancock“ mit Will Smith oder „Luke Cage“ als Marvel-Serie.

Wichtiger ist die Idee, dass es mit dem verborgenen Fantasiereich Wakanda in Afrika eine überlegene Supermacht gibt, die sich in vornehmer Zurückhaltung unsichtbar macht, um keine Begehrlichkeiten und kriegerische Ambitionen der „Kolonisatoren“ zu wecken. Dieser Effekt wird nun mit den Unterwasser-Mayas verdoppelt: Sie sind dank Namors Macht und Vibranium ebenfalls allen Überwasser-Nationen überlegen. So gehen Empowerment-Signale auch nach Mittel-und Lateinamerika. Das reicht bis hin zum Soundtrack, der nicht wie beim Vorgänger von einem US-Superstar wie Kendrick Lamar dominiert wird _ auch wenn der Lead-Song zum Film von Rihanna stammt.

 

Starker Start in Mannheim

Da geht es dem Disney-Konzern definitiv auch um Märkte, aber das verwässert die positive Wirkung nicht. Und es funktioniert auch an deutschen Kinokassen: Mannheim dürfte kein Einzelfall sein, wenn das Cinemaxx diesen Mittwochsstart als einen der erfolgreichsten des Jahres ausweist - nach „Top Gun: Maverick“ und Marvels neuen Filmen mit Doctor Strange und Thor.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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