Als Frontmann der österreichischen Erfolgsband Wanda steht Marco Michael Wanda, bürgerlicher Name: Michael Marco Fitzthum, ohnehin immer gewaltig unter Strom. Bei einem Konzert im Jahr 2017 traf ihn aber auch auf der Bühne im Mannheimer Maimarktclub am Mikrophon buchstäblich der Schlag. Der Auftritt wurde daraufhin abgebrochen. Vor seiner Rückkehr in die Quadratestadt für die Wanda-Show am 26. Februar im Rosengarten spricht der 32-Jährige über den Stromunfall, politische Texte, Deutsch- und Austro-Pop.
Habe die Ehre, Herr Wanda. Die deutschen Volksparteien kriseln, viele Konservative beneiden Österreich um seinen Bundeskanzer Sebastian Kurz. Würden Sie ihn denn hergeben?
Marco Michael Wanda: Ich muss sie enttäuschen: Ich kann ihn nicht hergeben, weil er mir nicht gehört.
Die Gesellschaften in Europa sind gespalten, Schüler demonstrieren auf der Straße für Klimaschutz, Österreichs Regierung stürzt über einen Skandal. Kommen Ihnen da mehr politischere Texte als bisher in den Sinn - oder sagt ihre klassische Rockmusiker-Haltung da mehr als alle Worte?
Wanda: Im Schreibprozess gehen die Worte auf die Suche nach etwas, das ich gar nicht begreifen kann. Wenn ich ein Lied schreibe, korrespondiere ich viel mehr mit dem Unterbewusstsein als mit zeitlich oder gesellschaftspolitisch begrenzten Idiomen. Ich glaube, dass ich dabei eher mit uralten seelischen Qualitäten kommuniziere als mit dem Menschen in dieser Zeit. Was aber nicht heißt, dass ich über die Musik kein Lebensgefühl artikulieren kann, das mit ihm zu tun hat. Aber das ist zufällig, nicht konstruiert.
Das seit 2015 verschärfte gesellschaftliche Klima könnte sich ja ganz unkonstruiert auch auf Ihr Unterbewusstsein auswirken. Ihr Sensorium hat sich nicht verändert?
Wanda: In diesem Zeitraum hat sich bei uns als Band so viel verändert, wir haben Höhen und Tiefen erlebt. Was da sonst alles passiert ist, das wissen wir alle. Das zu kommentieren sehe ich nicht als Aufgabe einer Gruppe wie Wanda - nicht musikalisch und auch nicht persönlich.
„Am schönsten wär ein schneller Tod“ heißt der Refrain des stärksten Songs vom aktuellen Wanda-Album „Ciao“. Eine Inspiration vom 22. März 2017 in Mannheim?
Wanda: Was ist da passiert?
Ihr Stromunfall.
Wanda: Ah ... der beweist halt, dass wir jedes Mal auf Leben und Tod spielen (lacht). Aber ich habe deswegen kein Lied geschrieben.
Als der Stromschlag passierte, sangen Sie das Lied „Meine beiden Schwestern“. Mit den Zeilen „Es ist wahrscheinlich etwas Wahres dran, wenn du sagst, dass man dabei sterben kann. Passend sind wir beide unserem Wesen nach Gespenster.“ Gespenstisch, oder?
Wanda: Ich fand daran vor allem gespenstisch, dass danach in den Medien breiter berichtet wurde als über ein neues Album von uns. Das war überall! Wenn man am Tod vorbeischrammt, wird man auf einmal ganz, ganz interessant. Wahrscheinlich hat Falco recht, dass sie einen erst richtig hochleben lassen, wenn man tot ist. Das war so, als würde ich meinen eigenen Nachruf lesen. Ein paar Medien haben sogar berichtet, dass ich gestorben bin. Aber wenn man aus dem Tourbus aussteigt und auf eine Bühne tritt, weiß man schon: Das ist immer mit Gefahr verbunden. Allein , weil die Bühnen in großen Hallen oft so hoch sind. Ich hab’ schon hunderte Male gedacht, ich brech’ mir das Genick. Diese Karriere hat schon etwas von Zirkus.
Heute sind in der Musikszene ja eher Yoga, Globuli und grüner Tee als Sex & Drugs & Rock ’n’ Roll angesagt. Sie gelten da als alte Schule, wie in der Zeit, als Rocksänger noch „an beiden Enden brannten“. Sind Sie seit dem Unfall etwas selbstachtsamer unterwegs?
Wanda: Oh nein. Wir waren immer lebenshungrig, immer erfolgshungrig. Da hat es das nicht gebraucht, um etwas zu dämpfen. Unser Projekt war auch nie die Suche nach der Selbstvernichtung, sondern ganz im Gegenteil die Suche nach einem bewussteren, sinnvollen Leben.
Parallel zum Aufstieg von Wanda hat sich in Deutschland eine fast inflationäre Menge von Befindlichkeitspopsängern etabliert - liefert Ihr Rock-Ansatz dazu einen bewussten Gegenentwurf?
Wanda: Wenn deutsche Popmusik nicht politisieren kann, dann hat sie wenig drauf. Eine verschlüsselte Beschäftigung mit dem Leben funktioniert da nicht ganz. Es scheint Teilen der deutschen Popmusik nicht möglich zu sein, in der Musik mehr zu erzählen als Meinungen. Entweder sind wir in den Texten unendlich oder groß - oder wie Rio Reisers Band Ton Steine Scherben. Dazwischen ist sehr wenig Platz für andere Zugänge.
Was sehen Sie als Ursache dafür?
Wanda: Deutschland ist ein großes Land mit einer Popgeschichte, die nie unterbrochen war. In Österreich haben wir das große Glück, dass wir hier in gewisser Weise alles neu aufbauen und eine völlig neue Art des Ausdrucks finden mussten. Weil hier alle Plattenfirmen geschlossen waren und niemand mehr zugehört hat. Die Radios haben nichts mehr gespielt. Dadurch gab es weniger Druck. Denn es ging anfangs nicht darum, im Radio zu laufen. Wer davon gesprochen hätte, wäre für verrückt erklärt worden. Dazu kommt: Es herrscht gerade ein sehr moralisierendes Klima in Deutschland. Das verträgt sich überhaupt nicht mit Popmusik.
Sie stehen hörbar in der Traditionslinie Beatles/Oasis. Spielt der frühe Austro-Pop á la Wolfgang Ambros, Ludwig Hirsch oder Georg Danzer als Einfluss auch eine Rolle für Sie?
Wanda: Ich musste mich damit beschäftigen. Allein die Wort-Ton-Beziehung in meiner Arbeit würde nicht funktionieren, wenn ich mir nicht grundlegend angeschaut hätte, wie der Ambros eigentlich seine Worte singt. Und was meint er damit? Ich habe die alle als große Sänger verstanden, die Art und Weise wie sie Worte betont haben, hat mich immer total fasziniert. Das gilt auch für Falco, der ein großartiger Vokalist war - auch irrsinnig schnell und wahnsinnig rhythmisch singen - oder sprechen - konnte. Das habe ich regelrecht studiert. Was man auch tun muss - sonst kann man ja nicht weitermachen. Es gibt keine Innovation ohne Auseinandersetzung mit der Tradition.
Wandas Haltung gegen Sexismus, Rassismus und sonstige Intoleranz ist eindeutig, Sie positionieren sich da sehr klar. Was aber in Zeiten politischer Hyperkorrektheit nicht immer gelten gelassen wird - haben Sie zum Beispiel schon mal was wegen den vielen "Baby"-Bezeichnungen für Frauen in Ihren Texten abbekommen
Wanda (lacht): Ich verkehre sehr wenig im Internet und bekomme das kaum mit. Ich war für so etwas schon immer blind. Klar gibt es Trolle, aber das hat mich nie berührt. Höchstens dass mir mal einer ein Bier über den Kopf geschüttet und mich als „Sexist“ beschimpft hat. Solche Kleinigkeiten gehören dazu, da weiß man, dass man berühmt ist. Was ja super ist.
Gibt es am 26. Februar viel neues Material zu hören? Das aktuelle Album „Ciao“ strotzt ja nur so vor Ohrwürmern. Oder müssen Sie schon pflichtschuldig "die alten Hits“ abliefern, um die Fans bei Laune zu halten?
Wanda: Grundsätzlich fühlt sich für uns auch das Debütalbum von 2014 immer noch sehr frisch an, weil wir ja in sehr kurzer Zeit viele Platten gemacht haben. Es wird also ein Mix werden, von jeder Platte etwas. Auch Sachen, die wir selten oder noch nie live gespielt haben.
Sie haben sich in einem Interview mal mehr Verrisse gewünscht. Ich könnte Ihnen einen ziemlich vernichtenden Zweispalter über den „Softlan“-Rock auf Ihrem dritten Album „Niente“ schicken.
Wanda (lacht): Ja, bitte! Das wäre toll. Aber mit der Beurteilungsebene habe ich mich nie groß beschäftigt. Das stärkste Feedback gibt es eh beim Konzert.
Festivallieblinge aus Wien
- Michael Marco Fitzthum, Künstlername Marco Michael Wanda, wurde am 25. März 1987 in Wien geboren.
- 2012 gründete der Sänger mit Gitarrist Manuel Christoph Poppe, Bassist Reinhold „Ray“ Weber undDrummer Lukas Hasitschka die Band Wanda. Der Bandname spielt an auf die „Wilde Wanda“ Kuchwalek (1947-2014), die lange als „Wiens einziger weiblicher Zuhälter“ galt.
- Wanda erreichten mit Ihrem Debütalbum „Amore“ (2014) Kultstatus auch in Deutschland. Die Nachfolger „Bussi“ (2015) und „Niente“ (2017) kamen auf Platz fünf der Charts,. „Ciao! schaffte es 2019 auf Rang 4.
- Die Wiener Rockband spielt am Mittwoch, 26. Februar, 20 Uhr, im Mannheimer Rosengarten. Karten unter www.eventim.de (43,60 Euro plus Gebühren).
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