Er hat noch einmal zugeschlagen, der 81 Jahre alte Dandy im weißen Anzug, der Reporter, der einst eine neue Art von Journalismus erfand und vor einem Vierteljahrhundert seinen ersten Roman publizierte, der einer Sensation gleichkam: In "Fegefeuer der Eitelkeiten" geißelte Tom Wolfe die Gier des Menschen nach den Superlativen des Lebens auf so böse und sarkastische Art, dass die Funken flogen.
In seinem neuen Roman "Back to blood" ist Miami der Austragungsort neuer zwischenmenschlicher Kämpfe, denn "in Miami, da hasst jeder jeden." Aber obwohl die sengende Sonne am ewig blauen Himmel, meist als "Heizstrahler" bezeichnet, für das Lebensgefühl eine große Rolle spielt, vermag Tom Wolfe hier kein Feuer zu entfachen. Da hilft auch sein Manierismus mit zahllosen Wortwiederholungen, Lautmalereien und inflationärem Gebrauch von Satzzeichen nicht. Es nervt, wenn auf einer Buchseite zwanzigmal ein "KLATSCH" die Wellen an einem Boot intonieren, wenn das Lachen einer Figur mit "HahhhHHHockhockhock hock hock hock!" gebrandmarkt wird - und zwar jedes Mal, wobei der Kerl sehr oft lacht.
Worum geht es Tom Wolfe auf den nahezu achthundert Seiten? Wieder zeigt er, wie jedes Individuum um einen gesicherten Platz in einer heterogenen Gesellschaft kämpft: jeder gegen jeden und nach seinen Möglichkeiten. An vorderster Front ist das hier der junge Nestor Camacho, ein Polizist kubanischer Herkunft, der einen artistischen Einsatz hinlegt, als er einen Kubaflüchtling vom Mast einer Jacht holt. Für den Polizisten ist dies eine erfolgreiche Aktion, die ihn in den Augen der weißen Bevölkerung zum Helden macht, seine eigene Familie jedoch wendet sich von ihm ab, da er in ihren Augen ein Verräter ist, der den Landsmann ins Verderben zurückgeschickt hat. Als sich auch noch Nestors hübsche Freundin von ihm trennt, weil sie sich durch eine Liaison mit ihrem Chef größere Aufstiegschancen ausrechnet, sieht sich Nestor im Schlamassel stecken. Da kommt der Journalist John Smith gerade recht, der den Polizisten ernst nimmt, dessen Hilfe er benötigt beim Aufdecken eines gigantischen Kunstfälscherskandals.
Weitere tragende Rollen haben inne: ein Psychiater, der sich auf Sexsucht spezialisiert hat und einen reichen Patienten zum eigenen Aufstieg zu benutzen versucht. Und ein russischer Oligarch, der fabelhaft aussieht und sich wie ein Gentleman zu benehmen versteht - auf den ersten Blick. Im Hintergrund treibt ein Maler sein Unwesen. Und am Rande tauchen auf: der kubanischstämmige Bürgermeister von Miami und sein schwarzer Polizeichef. Das Duell, das die beiden sich liefern, ist einer der Höhepunkte des Romans.
Ein weiterer ist die Eingangsszene, in der sich zwei Frauen einen herrlichen Zickenkrieg um einen Parkplatz liefern. Da treffen ein Auto für 135 000 und eins für 275 000 Dollar aufeinander. Keine Frage, wer am Ende siegreich hervorgegangen ist. Die eindringlichste und furioseste Szene ist der Start der Kunstmesse Art Basel Miami Beach: Wie Tom Wolfe das "Gegockel und Geldgerangel" und die zügellose Gier der Milliardäre beschreibt, das zeugt von großer Meisterschaft - und das tröstet dann doch über einige langatmige und geschwätzige Passagen hinweg.
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