Christian Holtzhauer möchte kämpfen. Für eine vielfältige Gesellschaft. Gegen rechte Strömungen. Für die Freiheit der Kunst. Vor allem aber für die Freiheit ihrer Schaffenden möchte er einstehen. „Die Politik tut gut daran“, appelliert der Schauspielintendant des Nationaltheater Mannheim, „die Freiräume der Kunst unangetastet zu lassen.“ Denn nur, wenn Künstler weiterhin frei agieren können, werde die Kunst ihrem Auftrag gerecht, „unsere Gesellschaft immer wieder kritisch infrage zu stellen“.
Zusammen mit weiteren Mannheimer Kunstschaffenden hat Holtzhauer die „Mannheimer Erklärung der Vielen“ unterzeichnet. In der Erklärung, die heute offiziell veröffentlicht wird, verpflichten sich die Künstler unter anderem, „einen offenen, aufklärenden, kritischen Dialog über rechte Strategien“ zu führen. Die Unterzeichner erklären zudem, an ihren Häusern völkisch-nationalistischer Propaganda kein Podium zu bieten sowie „illegitime Versuche der Rechtsnationalen“ abzuwehren, Kunst und Kultur „für ihre Zwecke zu instrumentalisieren“.
Ursprünge in Berlin
Mannheims Kunstschaffende haben nach eigenen Angaben landesweit die erste städtische „Erklärung der Vielen“ aufgesetzt. Bundesweit hat das Bündnis dagegen bereits zahlreiche Unterstützer, unter anderem werden heute auch eine „Frankfurter Erklärung der Vielen“ und 14 weitere Ableger präsentiert. Auch Vertreter von Bundesländern, unter unter anderem auch von Baden-Württemberg, haben in der Vergangenheit bereits Erklärungen unterschrieben. Die Ursprünge gehen auf einen Zusammenschluss Berliner Künstler im vergangenen Sommer zurück. Eine goldene Rettungsdecke fungiert als Erkennungszeichen – und soll bei Veranstaltungen auch an jenen Häusern zu sehen sein, die sich zu der Erklärung bekannt haben.
Am 19. Mai findet ein bundesweiter Aktionstag zum Thema statt, an dem sich auch die Mannheimer Kunstszene beteiligen will. „Die Planungen laufen bereits“, erklärt Annette Dorothea Weber vom Community Art Center Mannheim. Neben Gerhard Fontagnier, Vorsitzender des Kulturparketts Rhein-Neckar, ist Weber eine der beiden Hauptinitiatorinnen der Mannheimer Erklärung. „Wir möchten uns als Mannheimer Kultureinrichtungen vernetzen, um gemeinsam Angriffen gegen die Freiheit der Kunst entgegenzutreten“, erklären die beiden. „Wir haben Befürchtungen, dass diese Angriffe nach den Kommunal- und Europawahlen am 26. Mai dieses Jahres zunehmen könnten.“
Die Unterzeichner werden nicht müde zu betonen, dass das Papier nicht alleine Künstler und Kulturnahe erreichen solle. So beziehe sich der Begriff der „Vielen“ explizit „auf eine Gesellschaft der Unterschiede und nicht nur auf den Deutschen, der unsere Sprache perfekt beherrscht“, erklärt Jan-Philipp Possmann, Geschäftsführer und Künstlerischer Leiter von Zeitraumexit.
Die zunehmende Abwertung von Andersdenkenden sowie Versuche, die Freiheit der Kunst politisch einzuschränken, hätten in den vergangenen Monaten und Jahren stetig zugenommen, begründet Weber den Zusammenschluss der Mannheimer Kunstszene. „In Landesparlamenten und im Bundestag sitzen inzwischen mehrere Abgeordnete, die ich bewusst als rechtsextrem bezeichnen möchte.“
Daria Holme vom Eintanzhaus betont jedoch, dass die Mannheimer Erklärung vor allem einen präventiven Charakter habe. „In Baden-Württemberg haben wir bislang glücklicherweise nur wenige konkrete Störungen von Theateraufführungen oder Anträge auf Streichungen von Kunstfördermitteln durch Rechts erlebt“, erklärt sie, aber: „In anderen Bundesländern gab es solche Vorfälle bereits in massiven Ausmaßen.“ Auf welche ganz konkreten Vorfälle sich Holme dabei bezieht, ließ sie allerdings offen.
Die Mannheimer Erklärung der Vielen, sie stehe noch am Anfang, räumt Weber ein: „Wir werden jetzt richtig loslegen und viele Mannheimer Institutionen dazugewinnen.“
Die Initiative des Vereins
- Zum Initiativkreis der Mannheimer Erklärung der Vielen gehören neben dem Community Art Center, dem Nationaltheater, dem Kulturparkett Rhein-Neckar, dem Eintanzhaus und Zeitraumexit auch die Alte Feuerwache, die Initiative Bunte Vielfalt statt völkische Einfalt, das Theaterhaushaus G 7 sowie der Verein KulturQuer QuerKultur Rhein-Neckar.
- Nach Angaben der Initiatoren haben sich bis gestern deutschlandweit knapp 1400 Personen der Erklärung angeschlossen und unterzeichnet. 51 davon kommen aus Mannheim.
- Der Verein „Die Vielen“ hat sich im Juni 2017 gegründet. Er ist seitdem im Vereinsregister Berlin eingetragen. seko
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