Konzert

Tiefes Gefühl und hohe Soundwände am "Alter" in Mannheim

Von 
Martin Vögele
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Eine Entdeckung: Emma Krischkowsky alias emma. © Thomas Tröster

Es lassen sich einige Einsichten über das Wesen der Zeit, über Veränderlichkeit und (sozio)kulturelle Beständigkeit gewinnen, während man beim Mannheimer Freizeitzentrum Alter am Alten Messplatz auf den Konzertbeginn wartet. Erstens: Rundlauf beim Tischtennis, das hier auf gleich vier Platten gespielt wird, scheint nie aus der Mode gekommen zu sein. Das gilt, zweitens, erfreulicherweise auch für das Skateboardfahren in der Halfpipe. Drittens: Es gibt auf dem Platz allerlei Basketball-Talente, aber noch verblüffender ist das Geschick, mit dem man sich organisiert, während deutlich mehr Bälle als Körbe im Spiel sind. Und viertens: Der immerhin auch schon rund 20 Jahre alte Garagen-Hip-Hop des britischen Rappers Mike Skinner, alias The Streets, der hierzu extensiv aus den Lautsprechern schallt, ist ziemlich gut gealtert.

Feinsinnig konstruierter Indie-Pop

Es ist viel los, und das erzeugt naturgemäß auch ein gewisses Hintergrundrauschen, als der „Cin Cin – wild & lokal“-Konzertabend eine Stunde nach angekündigter Startzeit anfängt. Eröffnet wird das Newcomer-Format, das vom (unweit gelegenen) Capitol veranstaltet wird, von der Mannheimer Singer-Songwriterin Emma Krischkowsky, die hier mit ihrem „One-Woman-Band“-Projekt namens emma auftritt.

Und gerade bei ihrer Musik empfiehlt es sich, genau hinzuhören. Denn emma kreiert mit ihrem Gesang (auf Deutsch und Englisch), den sie auf der Gitarre, mit perlendem Fender-Rhodes-Keyboard-Sound und beigestellten Beat-Miniaturen begleitet, feinsinnig konstruierten Indie-Pop, der filigran und brüchig, in Momenten fast ätherisch, aber zugleich von einer erdhaften Gegenwärtigkeit ist. Man darf sich dabei an die wunderbare Aldous Harding erinnert fühlen, doch ebenso lässt uns die lakonische Art des musikalischen Ausdrucks an PJ Harvey und, eine assoziative Drehung weiter, an Lou Reed denken. Auf jeden Fall ist emma eine Entdeckung, die man im Auge und im Ohr behalten sollte.

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Mit ihrem Sound reist die zweite Formation des Abends, die Heidelberger Band Trümmerhafen, ziemlich genau zur Geburtsstunde des eingangs erwähnten Mike Skinner zurück: In die ausgehenden 70er Jahre, als der Post-Punk mit Bands wie Wire, den Psychedelic Furs und vor allem Joy Division das grelle Punk-Licht ausknipste und zur Klangfarbe Schwarz wechselte.

Die Trümmerhafen-Gitarren taumeln mithin in einnehmender Manier am Seelenabgrund entlang, der Gesang lässt allenthalben an Peter Heins ikonische Fehlfarben denken, und dann und wann zieht das Quartett eine veritable Shoegaze-Soundwand à la Ride in ihren Songgebäuden hoch. Mit im Programm ist das mit noisiger Verve gespielte Stück „Drin/Raus“, von dem Trümmerhafen im Rahmen des achten Coaching-Programms Bandsupport Mannheim auch ein Video aufgenommen haben – emma ist übrigens derzeit Teil der zehnten Bandsupport-Generation. Die jungen Musikschaffenden hinterlassen hier jedenfalls einen guten Höreindruck.

Freier Autor

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