Mannheim. Er hatte keine Kompositionen hinterlassen und doch gehört er auch 36 Jahre nach seinem Tod mit zu den stilprägenden Musikern im Jazz. Seine Stärke war stets die Interpretation vor allem von Balladen, die er in seiner lyrischen West-Coast-Stilistik sowohl auf der Trompete wie auch im Gesang vortrug. Bis heute gilt Chet Bakers Interpretation von Richard Rodgers „My Funny Valentine“ als eine der eindrücklichsten Versionen des Songs. Wer sich also heute mit der Musik Bakers auf die Bühne stellt, orientiert sich an einer wahren Ikone des Cool-Jazz.
Mit dem Mannheimer Trompeter und Flügelhornisten Thomas Siffling widmet sich nun im Mannheimer Jazzklub „Ella & Louis“ ein Künstler der Musik Bakers, der stilistisch und improvisatorisch durchaus die Erinnerung an Bakers Jazz wachrufen kann.
Die Stimmung ist intim, intensiv und stets leicht melancholisch
Zusammen mit seinen vier Kollegen, dem Tenorsaxofonisten Max Ionata aus Rom, dem Kölner Pianisten Martin Sasse, Drummer Patrick Manzecchi aus Konstanz und dem Düsseldorfer Bassisten Nico Brandenburg versetzt Siffling seine Zuhörer musikalisch in jene introvertierte Stimmung, wie sie auch Chet Baker in den Jazzklubs in den fünfziger Jahren erzeugt haben muss. Intim, intensiv und stets leicht melancholisch.
Obwohl sie in dieser Formation nicht regelmäßig zusammen spielen, präsentiert sich das Quintett als absolut homogene Band mit bestens auf einander eingestellter Rhythmusabteilung und zwei Bläsern, deren Improvisationen sich einfach nur genießen lassen.
Mit teils bekannt-launigen Ansagen leitet Siffling nicht nur über von Stück zu Stück, gelegentlich plaudert er auch mal über seine momentan angeschlagene Gesundheit oder fordert angesichts der leise gespielten Balladen etwas mehr Ruhe im Publikum ein. Und da hat er Recht. Wer kann sich schon Songs wie „I Fall in Love Too Easily“, „Round Midnight“ oder „My Funny Valentine“ wirklich hingeben, wenn die Nachbarin ziemlich laut tuschelt.
Sein Flügelhorn-Feeling ist unbestritten und bemerkenswert
Dass Siffling sich bei zwei der Balladen auch zum Singen animiert fühlt, sei hier ob seiner gesanglichen Qualitäten nur am Rande erwähnt. Doch sein Flügelhorn-Feeling ist unbestritten und bemerkenswert.
Auch Ionatas Tenorsax-Improvisationen lassen an Emotionalität wie besonders bei Cole Porters „You’d Be So Nice to Come Home To“ keine Wünsche offen. Pianist Sasse wie auch der als Gastsolist eingeladene Altsaxofonist Olaf Schönborn bereichern besonders diese Komposition ebenfalls mit ausgefeilt aufgebauten Improvisationen.
Bis zur Zugabe, dem ebenfalls in Chet-Baker-Stilistik vorgetragenen „Round Midnight“ von Thelonius Monk bilden Schlagzeuger Manzecchi und Bassist Brandenburg ein rhythmisches Fundament, das neben der notwendig zuverlässigen Begleitung des gesamten Konzertes auch ein paar solistische Highlights bietet. Für beide bietet der „Blues For Herb“ die Gelegenheit, sich ebenfalls solistisch in Szene zu setzen, wobei sich die zwei Rhythmiker durch improvisatorische Finesse empfehlen.
Das Chet-Baker-Programm vom Quintett um Thomas Siffling gehört sicher zu den Cool-Jazz-Leckerbissen der letzten Monate. Schade daher, dass es wohl vorerst das letzte Konzert in dieser Formation hierzulande war.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-kultur-thomas-siffling-quintett-erinnerung-an-chet-bakers-cool-jazz-_arid,2189946.html