Tanz

Tanzabend „Folia“: Barock trifft Hip-Hop im Pfalzbau

Furioser Tanzabend im Pfalzbau Ludwigshafen mit einer genreübergreifenden Mischung aus Hip-Hop-Choreografien und altertümlichen Barockklängen

Von 
Julia Kleemann
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Die Tänzer wirbeln bei der Show Folia in bester Hip-Hop-Manier zu barocken Zupf- und Streicherklängen über die Bühne des Pfalzbaus. © Julie Cherki

Ludwigshafen. Tänzer in Alltagshosen und Hemden schälen sich aus einer großen Kugel, einer Art Keimzelle, während ein mächtiger Bass-Beat Mourad Merzoukis Tanzabend „Folia“ eröffnet. Die Richtung des Abends scheint gesetzt, gilt Merzouki doch als einer der herausragendsten Choreografen der Hip-Hop-Szene. Doch dann mischen sich Mandolinenklänge unter den Beat, verändern sich die Bewegungen der Tänzer und die Keimzelle offenbart mit einer Drehung ihren wahren Inhalt: Ein Mandolinenspieler im barocken Kostüm ist hier gleichsam der Nucleolus der Musik, die ab nun den Ton angibt.

Organischer Fluss der Stilelemente

Hinter einem durchscheinenden Gazevorhang wird - sanft beleuchtet von kleinen Kronleuchtern - das Barockensemble „Concert de l’Hostel Dieu“ sichtbar. Tarantella, Sarabande und barocke Arien wechseln nun in virtuosem Reigen und machen den Abend schon allein musikalisch zu einem Ereignis. Davor in klarem weißem Licht das 16-köpfige Tänzerensemble, das aus dem Vollen der Tanzgeschichte schöpft. Spitzentanz trifft auf Jazz-Hands, Headspins konkurrieren mit Pirouetten, Arabesquen wechseln mit den akrobatischen Movements aus dem Break-Dance - und das alles in einem organischen Fluss, der die Grenzen zwischen den Stilen und Genres einfach hinwegspült. Bühnenkonzept und Lichtdesign liefern dazu mit einem schwebenden Erdball, leuchtenden Kugeln, einem mobilen Sprungpolster und jeder Menge Schnee beeindruckende Bilder, die aber auch immer wieder zum Ausgangpunkt für neue tänzerische Höchstleistungen sind, wie einem Solo auf dem vom Ensemble getragenen Luftpolster.

Was in dieser „Folia“ zählt, ist dabei einzig die Lust am Tanz und der Musik. Ist doch die Folia nicht nur eine barocke Tanzform, sondern laut Brockhaus noch heute der portugiesische Begriff für eine „lär-mende Lustbarkeit“.

Tänzer und Musiker im Austausch

Und diese Lust strahlen nicht nur die Tänzer aus, die beinahe die komplette Zeit über vollzählig auf der Bühne sind, sondern auch die hervorragend besetzte Instrumentalgruppe mit Cembalo, Laute/Mandoline, Violine, Cello und Bass. Teils auf historischen Instrumenten spielend brechen sie das Paradigma historische Aufführungspraxis ungeniert. Denn Ensemblegründer Frank-Emanuel Comte geht den Grenzgang auch musikalisch mit: elektronische Klänge grundieren eine barocke Variation, ein Jazz-Solo mischt sich unter eine italienische Volksweise. Vor allem aber gelingt es Mourzaki und Comte Tanz und Musik untrennbar miteinander zu verflechten: Immer wieder verlassen die Musiker ihre Positionen und treten vor den Gazevorhang zu den Tänzern. Sopranistin Heather Newhouse agiert als schnellsprechende Vokalartistin und Koloratur-Diva auf der Bühne und schreckt gar auch singend nicht vor Hebefiguren zurück. Ein wenig schade nur, dass unklar bleibt, wovon ihre mitreißend und einfühlsam dargebotenen Lieder und Arien handeln.

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