Mannheim. Ein privat und beruflich frustrierter Autor, der für das Teatro Nacional in Montevideo ein Stück über den Untergang der „Admiral Graf Spee“ schreiben soll und in ein Netz seltsamer Begebenheiten verstrickt wird („Nachts im Ozean“). Eine nicht allzu ferne Zukunft, in der Mittel- und Südeuropa kaum mehr bewohnbar sind und von apokalyptischen, städtefressenden Bränden heimgesucht werden („brand“).
Die Inszenierung einer heilen Welt im „Vorzeigelager“ Theresienstadt, als es während der Nazi-Diktatur von einem Delegierten des Internationalen Roten Kreuzes besucht wird („Himmelweg“): Buchstäblich „Stück für Stück“ kann das Publikum am gleichnamigen Wochenende für Neue Dramatik aktuelle Schauspieltexte entdecken.
"Stück für Stück" Festival in Mannheim: Szenische Lesungen als Form
In Kooperation mit dem Kulturamt der Stadt und dem europaweiten Netzwerk Eurodram stellt sie das Mannheimer Theaterhaus G7 bei insgesamt sechs szenischen Lesungen vor. Drei davon wurden von Eurodram ausgewählt, drei von der freien Mannheimer Bühne.
Wobei der Begriff „szenische Lesung“ zu kurz greift: Eigentlich seien es „Miniaturinszenierungen“ mitsamt Ausstattung, Kostümen und Bühnenbild, was das Publikum an diesem Wochenende zu sehen bekommt, erklären Inka Neubert und Pascal Wieandt, das Leitungsteam des G7-Hauses. „Wir haben uns in den letzten Jahren ein bisschen als ein Zentrum für Neue Dramatik etabliert“, sagt Wieandt über das Theater.
Vom 17. bis 19. November
- Das „Stück für Stück“-Wochenende für Neue Dramatik findet von 17. bis 19. November am Mannheimer Theaterhaus G7 statt.
- Es wird in Kooperation mit dem europaweit agierenden Theater-Netzwerk Eurodram und dem Kulturamt der Stadt Mannheim veranstaltet.
- Das Programm am Freitag, 17. November: „Nachts im Ozean“ (20 Uhr).
- Samstag, 18. November: „zu unseren füßen, das gold, aus dem boden verschwunden“ (15 Uhr), „Ich will die Menschen ausroden von der Erde“ (17 Uhr), „brand“ (20 Uhr).
- Sonntag, 19. November: „Himmelweg“ (15 Uhr), „Der Mann im Tauchanzug (18 Uhr).
- Karten kosten im solidarischen Preissystem jeweils zwischen 5 und 25 Euro.
- Alle Infos unter: www.theaterhausg7.de.
Zugleich verhält es sich so: „Unsere Ressourcen sind einfach sehr begrenzt, und wir können nur eine sehr begrenzte Anzahl von Stücken tatsächlich auf die Bühne bringen.“ Der Gedanke kam auf: „Es wäre schön, wenn das Publikum mit ein paar mehr von diesen Stücken, mit denen wir uns beschäftigen, in Kontakt kommen kann“, so Wieandt - und nicht nur mit denjenigen, die am Ende tatsächlich als abendfüllende Inszenierungen an dem Theater produziert werden können.
"Stück für Stück" in Mannheim will Nachwuchs fördern
Zugleich sei das zum zweiten Mal ausgerichtete Dramatik-Wochenende auch „ein Format, um Nachwuchs zu fördern“, führt Neubert aus. Jana Nerz etwa, Regieassistentin am Theaterhaus G7, richtet hierbei „Der Mann im Tauchanzug“ von Freek Mariën ein. Melanie Schmidt und Milica Cortanovacki, beide Regieassistentinnen am Mannheimer Nationaltheater (NTM), zeichnen für die Umsetzung von „zu unseren füßen, das gold, aus dem boden verschwunden“ von Svealena Kutschke beziehungsweise „Ich will die Menschen ausroden von der Erde“, ein Text von María Velasco, verantwortlich.
Letzteres hatte 2022 den den Internationalen Autor*innenpreis des Heidelberger Stückemarktes sowie den Max Award 2022 für das beste Theaterstück erhalten. Und es war auch schon bei der Erstausgabe von „Stück für Stück“ in vergangenen Jahr vertreten gewesen - damals als Theaterhaus-G7-Auswahl; dieses Mal ist es Teil der Eurodram-Selektion.
Daneben bringt Schauspielerin und Regisseurin Aurélie Youlia „Himmelweg“ von Juan Mayorg zur Aufführung, und schließlich richten Neubert und Wieandt selber jeweils ein Stück ein, „Nachts im Ozean“ von Michel Decar respektive „brand“ von Volker Schmidt. Vortragende sind unter anderem Absolventinnen, Absolventen und Studierende der Mannheimer Theaterakademie sowie dem Haus lange verbundene Schauspiel-Wegbegleiter wie Bernadette Evangeline Schlottbohm (die zuletzt in „Mutter Vater Land“ spielte) oder Matthias Hecht („Der Sturz der Kometen und der Kosmonauten“).
Festival "Stück für Stück" in Mannheim mit moderierten Hausgesprächen
Zu jedem Stück gibt es ein moderiertes Hausgespräch, bei dem das Publikum mit den Autorinnen, Autoren und dem künstlerischen Team der szenischen Umsetzung ins Gespräch kommen kann. Was den Besucherinnen und Besuchern die Möglichkeit gibt, Einfluss auf den Spielplan zu nehmen. Beispielhaft ist dabei erwähntes Stück „Mutter Vater Land“ von Ex-NTM-Hausautor Akin Emanuel Sipal zu nennen, das vergangenes „Stück für Stück“-Jahr vom Eurodram-Komitee ausgewählt worden war.
„Wir mochten das zwar“, sagt Wieandt, aber es sei nicht in der ersten Reihe der Produktionen gewesen, die man am Theaterhaus inszenieren wollte. Als Neubert und er aber sahen, „was das mit dem Publikum macht“ und wie sehr es „einen Nerv“ getroffen habe, entschieden sie, es unbedingt ins Programm zu nehmen.
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