So wars in der SAP Arena

Starparade in Mannheim  - Night of the Proms in SAP Arena

Kool & The Gang, Amy Mac Donald, Nik Kershaw - große Namen in der SAP Arena. Das Team von Night of the Proms erinnert bewegend an den verstorbenen Bandleader John Miles

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Feierten mit „Get Down On It“ und „Celebration“ das Partyfinale beim Tourauftakt der Night Of The Proms in Mannheim: Kool & The Gang mit (von links) Rick Marcel, Gastsaxofonistin YolanDa Brown, Bandleader Curtis Williams, Sänger Shawn McQuiller und Bandgründer Robert „Kool“ Bell. © Bernhard Zinke

Mannheim. Die besondere Stimmung bei der Night Of The Proms (NOTP) verbreitet sich am Freitagabend schon vor Showbeginn in der Mannheimer SAP Arena: Als die eindrucksvolle Starparade der Konzertreihe auf der großen Leinwand mit kurzen Konzertvideos rekapituliert wird, singen die 6100 Besucherinnen und Besucher viele der vorüberziehenden Welthits schon mit. Fast andächtig.

Die Arena ist damit heutzutage nicht halb leer, sondern mehr als halb voll: Angesichts des immer noch unkalkulierbaren Publikumsverhaltens in Folge der Pandemie und der tief ausladenden Bühne ist das bei der Deutschland-Premiere des 2022er Programms eine beachtliche Resonanz. Zumal Mannheim, das generell nicht zu den stärksten Standbeinen der visuell und klanglich opulent produzierten Klassik-trifft-Pop-Reihe gehört, vereinzelt schon weniger NOTP-Fans verzeichnet hat.

Mehr als 100 Musikschaffende in SAP Arena

Aber als auf der Leinwand die Frage „Are you ready?“ auftaucht, klingt der tosende Jubel als Antwort wie in einem ausverkauften Haus. Die mehr als 100 Musikerinnen und Musiker von Orchester, Chor und Band belohnen diese geballte Zuneigung mit einem orchestral aufgeladenen Medley, das die instrumentale wie vokale Wucht dieses Showkonzepts schon mal auf den Punkt bringt. Moderator Markus Othmer vermutet bei der Begrüßung, dass sich der enorme Applaus in drei Jahren aufgestaut haben müsse. Kaum zu glauben, es sei „über 1000 Tage her, seit die Night Of The Proms in Mannheim gastiert hat“, betont er und ergänzt mit Blick auf die Corona-Auflagen: „Die einzige 3G-Regelung, die heute gilt: Alle Gäste sind gut gelaunte Gäste.“

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Night Of The Proms 2022 bringt die SAP Arena zum Tanzen

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Das ist in der Tat so. Johannes Brahms Ungarischer Tanz Nr. 5 wird temperamentvoll mitgeklatscht, wenn er Fahrt aufnimmt. Angetrieben von Pultlöwin Alexandra Arrieche, die das Antwerp Philharmonic Orchestra und den feinfühlig agierenden Chor Fine Fleur effektvoll dirigiert. Am eindrucksvollsten beim gesangsorientierten Offenbach-Stück „Barcarole“. Genauso begeistert nimmt das Publikum die Londoner Jazz-Saxofonistin YolanDa Brown und den New Yorker Songwriter Matt Simons („Catch & Release“) auf, die das Programm Richtung Pop steuern.

Nicht ganz unpolitisch

Das ist alles erstmal sehr fluffig und abwechslungsreich. Die Unbilden der Zeitläufte gehen aber auch am reinen Entertainment nicht vorbei: Bei Brahms erinnert der Journalist Othmer an die prekäre Lage der Demokratie in Ungarn. Auch beglückwünscht er die Fans zur Entscheidung, an diesem Abend nicht die Fußball-WM zu schauen: Bei den Proms gebe es ähnlich viele Nationalitäten, mehr Respekt vor Diversität und Bier in der Pause.

Beim Strauss-Gassenhauer „An der schönen blauen Donau“ erinnert Othmer an dessen Charakterisierung als „wortlose Friedens-Marseillaise“. Der originellerweise ziemlich basslastige und dezent illuminierte Einsatz von Beethovens 9., dem Europa- und Friedenslied schlechthin, erklärt sich von selbst. Geschunkelt werden darf natürlich trotzdem, getanzt auch. Die immer wieder eingesetzte YolanDa Brown setzt den „tricky Times“ Bob Marleys „Is This Love?“ entgegen. Dank ihres warmen, spielerisch leichten Tons ein Highlight.

Schottische Hitfabrik: Amy Macdonald. © Bernhard Zinke

Die Stimmung steigert sich noch, als Nik Kershaw (64) zum ersten Mal die Sehnsucht nach Nostalgie bedient - mit seinem bald 40 Jahre alten Top-Ten-Hit „The Riddle“. Für „I Won’t Let the Sun Go Down On Me“ und das für ihn lebensverändernde „Wouldn’t It Be Good“ lässt er sich erst nach der Pause feiern. Erstmal übernimmt Carol Decker von T´Pau, deren Powerballade „Valentine“ (1987) nicht ganz so zündet. Das gelingt dem von Browns brillantem Saxophon befeuerten „China In Your Hand“ dafür umso mehr, das vor genau 35 Jahren in England auf Platz eins der Charts stand - vor George Harrisons „Got My Mind Set On You“. „Für fünf Sekunden war ich größer als die Beatles“, scherzt die 65-Jährige.

Geradezu andächtig wird es nach einer Stunde, als das Proms-Team seinen 2021 verstorbenen Bandleader und Co-Mastermind John Miles würdigt. Dessen Stimme wird lebendig, als seine bemerkenswerte Interpretation von „My Way“ aus der Konserve vom Orchester begleitet wird - rhythmisch leider etwas unterkomplex. Danach nahm Miles’ Sohn John Jr. an dessen weißen Flügel Platz und spielte (auch als Gitarrensolist) zum Gesang des Background-Gesangstrios „Music“, - den Welthit seines Vaters, der eine Art Markenzeichen der NOTP ist. Und der auch jetzt die Arena beben lässt, sobald der der epochale Uptempo-Teil einsetzt.

Die zweite Hälfte startet mit der Ouvertüre zu Rossinis „Die diebische Elster“ und humoristisch mit zwei scheinbar uneinigen Schlagwerkern. Jetzt jagen sich die Höhepunkte: Die 35-Jährige Amy Macdonald mag das Küken im diesjährigen NOTP-Staraufgebot sein. Ihre erst 15 Jahre alten Hits wie der heftig mitgeklatschte Ohrwurm „Mr Rock & Roll“, das relativ neue „Down By The Water“ und vor allem der Millionenseller „This Is The Life“ sind jedenfalls auf Augenhöhe mit denen der Altmeister (die gesanglich alle auf der Höhe sind). Und ihr wunderbarer Akzent nimmt nicht nur Fans der sehr schottischen Comedy-Serie „Derry Girls“ ein.

Party-Finale mit Kool & The Gang

Decker („Heart And Soul“), der gefeierte Kershaw und Verdis „Gefangenchor§ leiten über zu den Abräumern des Abends: Kool & The Gang in Quartett-Besetzung um Namensgeber und Bassist Robert „Kool“ Bell. Das zweite noch lebende Gründungsmitglied, Keyboarder George Brown fehlt erkrankt. Der adäquat geschmeidige Sänger Shawn McQuiller ordnet sich wie schon sein Vorgänger aus den hitträchtigen Zeiten seit „Ladies Night“ (1979) J.T. Taylor dem Funk-Flow gekonnt unter. Die mitreißenden Disco-Funk-Ikonen räumen bei diesem auf ihre allergrößten Hits konzentrierten Auftritt ähnlich ab wie im August bei Musik in Park in Schwetzingen.

T’Paus Carol Decker (l.) und YolanDa Brown. © Bernhard Zinke

Kein Wunder, wenn man Evergreen-Balladen wie „Cherish“ auffahren kann und zwingende Dancefloor-Klassiker wie „Ladies Night“, das von Brown fast umwerfend hochgejazzte „Get Down On It“ oder das unverwüstliche „Celebration“ als Grande Finale mit allen Größen auf der Bühne . „Yahoo! - das ist eine Party!“. Damit ist alles dazu gesagt. Auch wenn der routinierte Auftritt nicht ganz so durchschlägt wie zuletzt der der Pointer Sisters 2018. Es zeigt sich aber wieder einmal, dass auch das Großaufgebot an Musikern dahinter ein Star der Proms ist: Bemerkenswert, wie songdienlich Orchester, Chor und Band speziell rhythmisch getriebene Songs mitinszenieren.

Das NOTP-Programm mag insgesamt schon namhafter besetzt gewesen sein. Trotzdem geht das Konzept wieder auf - auch wenn man sich speziell im Klassik-Bereich mal ein Stück wünschen würde, das kein totaler Gassenhauer ist. So werden Popnostalgikerinnen und -nostalgiker werden nicht so schnell zum Akademiekonzertgängertum konvertieren. Aber die Show will nun mal gut drei Stunden lang voll auf die zwölf gehen - das gelingt. Bleibt zu hoffen, dass es nicht wieder 1092 Tage bis zur nächsten NOTP dauert.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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