Das Mannheimer Institut für Deutsche Sprache (IDS) veranstaltet erneut im März seine internationale Jahrestagung. Wie im Vorjahr findet der dreitägige Kongress ab Dienstag, 15. März, nicht im Rosengarten, sondern als Folge der Corona-Pandemie digital statt. Der Wissenschaftscharakter zeigt sich nun noch besonders. Das Tagungsthema „Korpora in der germanistischen Sprachwissenschaft – mündlich, schriftlich, multimedial“ richtet sich eher exklusiv an ein Fachpublikum.
Dass die Fragestellung gleichwohl von erheblicher Relevanz ist, bestätigt deutlich der folgende Umstand: Die datenbasierte Forschung ist auch in der Linguistik in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr in den Vordergrund gerückt. Wenn sie sich nun selbst als empirische Wissenschaft begreift, liegt das vor allem in diesem Sachverhalt begründet. Daten haben insgesamt eine immer größere Bedeutung gewonnen. Auch geschriebene und gesprochene Sprache sind Daten, die mit neuer Technik in großen Mengen elektronisch gespeichert und differenziert analysiert werden können. Die Tagung gibt einen Überblick zu aktuellen Entwicklungen der Erschließung und Nutzung von Daten für die Sprachwissenschaft.
Sammlungen geschriebener Sprache, von Texten, sind ebenso verfügbar wie solche von Ton- und Videoaufnahmen von Sprache. In allen Fällen werden sie als „Korpora“ bezeichnet und sind die Grundlage für datenbasierte Forschung in der germanistischen Linguistik und darüber hinaus. Die Tagung widmet sich nach einer Mitteilung des Instituts neuen Entwicklungen, wie Korpora für die Untersuchung verschiedenster linguistischer Fragestellungen genutzt werden können. Dazu zählen für die Lexikographie etwa die Frage, wann einzelne neue Wörter, sogenannte Neologismen, im Deutschen erstmals auftreten, wann ihr Gebrauch am häufigsten ist und wann sie gegebenenfalls wieder verschwinden.
Die Gesprächsforschung kann anhand von Korpora etwa untersuchen, in welchen Situationen man für Aufforderungen den Imperativ verwendet und wann einen Fragesatz. Die historische Sprachwissenschaft analysiert mit ihnen beispielsweise, wie sich der Gebrauch von Genitiv und Dativ verändert hat. Und die Forschung zum Spracherwerb vermag etwa leichter und begründeter zu untersuchen, ab welchen Altersstufen zunehmend komplexere grammatische Strukturen erlernt und angewendet werden.
Auf der Tagung werden in Präsentationen und Vorträgen Korpusangebote und Forschungssoftware vorgestellt. Wege der Korpusaufbereitung und Nutzungsmöglichkeiten werden erörtert und ethische sowie rechtliche Aspekte der Korpussammlung und -nutzung diskutiert. Leitfrage ist bei all dem die nach dem Nutzen von Korpora für die linguistische Erkenntnis. Neben schon klassischen Schrift- und Tonkorpora gibt es auch Videokorpora, welche beispielsweise die Untersuchung des Zusammenspiels von Sprache mit Gestik, Blick, Mimik und Objekten in sozialen Interaktionen ermöglichen, sowie Social-media-Korpora.
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