Mannheim. Ein Konzert mit Beth Hart ist eine Wundertüte. Das Publikum weiß nie wirklich, wie der Abend verläuft. Was die Zuschauer jedoch sicher wissen: Beth Hart gibt alles. Authentisch und mit 200 Prozent. Sie legt in knapp zweieinhalb sehr intensiven Stunden den Menschen ihre Seele zu Füßen. Das berührt. Sogar in einer Riesenhalle wie der SAP Arena. Wenn ihr am Ende bei „Thankful“, dem musikalischen Dank für die Schönheiten dieser Welt, die Stimme wegbricht, als sie sich auch für ihr Mannheimer Publikum bedankt, dann treibt das auch den Zuschauern im weiten Rund die Tränen in die Augen.
Beth Hart verwandelt die SAP Arena in einen Rock- und Blues-Club.
Die Rock- und Blues-Sängerin aus Los Angeles erspielte sich ihre Fans in der Region mit Auftritten 2017 im Mannheimer Capitol, dann im Juni 2023 im Mozartsaal des Mannheimer Rosengartens. Jetzt also auf der aktuellen Europa-Tournee das ganz große Gedeck: die SAP Arena. Funktioniert das? Beth Harts Konzerte sind schließlich voller intimer Momente, die sich in einer so großen Halle schnell versenden können. Zumal diesmal nur gut 3000 Menschen Platz genommen haben. Doch das riesige Setting tut dem erstaunlicherweise keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil: Hart verwandelt die Arena in einen Rock- und Blues-Club.
Das beginnt schon damit, dass die Künstlerin sich - wie immer - zu Beginn vom hinteren Teil der Halle durch das Publikum arbeitet. Sie sucht den persönlichen Kontakt mit den Menschen, nimmt durchaus lasziv auch gerne mal auf einem Schoß Platz. Sie lässt sich den ganzen ersten Song Zeit, bis sie endlich auf der Bühne bei ihrer kongenialen Band angekommen ist. Beim Weg durch die Reihen wird sie eng begleitet von ihrem Ehemann und Tourmanager Scott Guetzkow. Der gibt ihr nicht nur hier in Mannheim, sondern seit mehr als 20 Jahren Halt und Sicherheit, er ist vermutlich auch die Lebensversicherung dieser Frau, die alle Tiefen des Lebens ausgelotet hat. Diese Erfahrungen verarbeitet sie bis heute künstlerisch und lässt sicherlich auch deshalb niemanden kalt. Diese Musik gewordene Achterbahnfahrt der Gefühle ist einmal mehr atemberaubend.
Banner gibt erst spät den Blick auf Videowand frei
Gleichwohl hat die Tontechnik schwer zu schaffen, wenn Beth Hart in der Halle unterwegs ist. Da pfeift und dröhnt das Mikro, wenn es in den Bereich der Lautsprecheranlage kommt. Es bleibt außerdem ein Rätsel, warum das Banner mit dem großen Schriftzug der Künstlerin im Bühnenhintergrund erst nach gut einer halben Stunde fällt. Erst dann ist der Blick auf drei große Video-Leinwände frei, die Harts Mimik - zuweilen etwas ruckelig - übertragen. Es wäre besser gewesen, das Tuch früher fallen zu lassen.
„Es ist eine so große Halle hier, aber es fühlt sich so intim an“, sagt Beth Hart zwischendurch. Für diese Stimmung sorgt auch das Publikum, das in den vielen stillen Momenten des Konzerts innehält, geradezu andächtig lauscht, um dann in frenetischen Applaus auszubrechen.
Insgesamt erlebt Mannheim diesmal eine Beth Hart, die so glücklich, zufrieden und aufgeräumt ist wie noch nie bei ihren Konzerten in der Quadratestadt. Sie fühle sich so gut wie seit Jahren nicht, verrät sie - eigentlich ein Anachronismus in diesen wilden Zeiten. Sie sei froh, endlich wieder diese „crazy bitch“ sein zu können.
Beth Hart mit Vibrato in der Stimme: „Liebe es oder hör auf zu singen!“
Im fast zweieinhalbstündigen Programm gibt es viel Musik vom neuen Album „You Still Got Me“. Im eher stillen Titelsong des Albums lässt sie mitfühlen, wie ihr Mann sie mit einem Satz aus tiefster Depression herauszureißen vermag. Der Rock-Song „Savior With A Razor“, Starter auf dem Album, ist im Konzert die wuchtige Schlussnummer des regulären Sets. Mit „Big Bad Johnny Cash“ zelebriert sie ihre Leidenschaft für den großen Country-Star. Und ein Highlight: „Machine Gun Vibrato“. Die rätselhafte Geschichte dahinter: Beth Hart wollte sich jahrelang ihr unfassbares flirrendes Vibrato in der Stimme abtrainieren. Ein Gesangslehrer habe ihr zuletzt gesagt: „Liebe es oder hör auf zu singen!“ Glücklicherweise liebt sie es jetzt und hat dieses Lied geschrieben. Eine Abfolge von tiefen Grummeltönen und explosionsartig hervorbrechenden Koloraturen. Dieses Vibrato ist eine Waffe, die direkt die Emotionen ihres Publikums trifft.
Getragen wird der Abend natürlich auch von der großartigen Live-Band mit Jon Nichols an der Gitarre, Tom Lilly am Bass und Bill Ransom am Schlagzeug. Ihre Klasse stellen die drei besonders beim Akustik-Teil des Konzerts unter Beweis. Da bearbeitet Drummer Bill Ransom minutenlang die Bongos, später das Cajon mit Händen. Nicht nur Beth Hart, sondern die ganze Halle feiert dieses Solo zurecht. Es ist ein Abend mit vielen Gänsehaut-Momenten. Die große SAP Arena ist manchmal erstaunlicherweise gar nicht so groß.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-kultur-so-macht-beth-hart-die-grosse-mannheimer-sap-arena-klein-_arid,2262121.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/firmen_firma,-_firmaid,13.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html