Musik

So kämpft der afghanische Rapper Ali ATH in Mannheim um Musik auf Dari

Nach seiner Flucht lebt Ali ATH in Mannheim. Neben der Musik ist er leidenschaftlich auch Videoproduzent. Wie er Erlebtes in seiner Rap-Musik verarbeitet und anderen mit seinem Unternehmen helfen will

Von 
Stefanie Čabraja
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Seine Rapper-Karriere startete Ali ATH bereits in Afghanistan. Er flüchtete nach Deutschland und verarbeitet weiterhin Erlebtes in seiner Musik. In Zukunft möchte er auch mit deutschen Künstlerinnen und Künstlern zusammenarbeiten. © ALi ATH

Mannheim. Ali ATH ist ein Rapper aus Afghanistan. Seine Karriere begann er 2009. Er flüchtete aus seiner Heimat nach Deutschland und lebt seitdem in Mannheim. Der Rapper produzierte bereits rund 60 Stücke und arbeitete mit rund 20 verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern zusammen. Seine Lieder sind Sprechgesang auf Dari. Seine Ideen kann er in Deutschland nun leichter umsetzen.

Ali ATH rappt über Geschichten aus seinem Leben - auf Dari

In Afghanistan habe es oftmals an wichtigen Einrichtungen gefehlt. „Wir hatten begrenzt Elektrizität. Es gab auch keine Geschäfte für Musikzubehör, und das Internet war teuer und langsam“, erklärt er. Als er mit der Musik anfing, hing alles von diesen Faktoren ab. „Jetzt kann ich meine Ideen schneller umsetzen und neue Dinge über das Internet lernen“, ergänzt er.

Seine Lieder transportieren verschiedene Inhalte. „Ich habe keine einheitliche Botschaft, und es hängt ganz von meinen Erfahrungen in der Zeit ab, in der ich etwas veröffentliche“, betont er. Seine Lieder, Musikvideos und Filme stellen Ansichten in den Fokus, die für ihn einzigartig seien. Ali ATH lebt mit der Diagnose ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung).

Diese habe sich auf jeden Aspekt seines Lebens ausgewirkt, aber besonders auf die Musik. „Ich bin ein Geschichtenerzähler. Alles, worüber ich rappe, ist von meinem eigenen Leben inspiriert“, sagt er. Und diese Geschichten und auch allgemeine Gefühle mit neuen Perspektiven möchte er mit anderen teilen.

Herkunft zeigt sich mit traditionellen Klänge und Musik

Seine Herkunft spielt dabei eine große Rolle. Sie spiegelt sich in den „Geschichten, die ich schreibe, über afghanische Klänge und Musiksamples, die ich in meinen Liedern verwende, bis hin zu Sprichwörtern, die wir in der Schule gelernt haben“, erläutert er.

Um afghanischen Hip-Hop und damit auch seine Rap-Lieder von anderen abzuheben, ist es für den Künstler wichtig, einen eigenen Sound zu kreieren. Dabei verwendet er traditionelle afghanische Klänge. So habe er ein altes afghanisches Lied bereits als Sample verwendet und nach seinen eigenen Angaben auch erfolgreich.

Ich war schockiert und wusste nicht, wie ich mich fühlen sollte. Ich war glücklich. Aber gleichzeitig wurde mir klar, dass meine Musik so viel Macht hat und ich vorsichtig sein muss, worüber ich schreibe und singe
Ali ATH Rapper

Auftritte vor Publikum offenbaren besondere Momente für den Künstler, wie er verrät. Nach einer Show sei ein Fan zu ihm gekommen, der ihm erzählte, dass das Hören seiner Musik ihn davor bewahrt habe, Selbstmord zu begehen.

„Ich war schockiert und wusste nicht, wie ich mich fühlen sollte. Ich war glücklich. Aber gleichzeitig wurde mir klar, dass meine Musik so viel Macht hat und ich vorsichtig sein muss, worüber ich schreibe und singe“, erklärt er.

Rapper Ali ATH produziert seine Beats selbst 

Was Ali ATH von seinen Kolleginnen und Kollegen unterscheidet, sei die Art und Weise, wie er seine Inhalte verpacke. So verwende er keine heruntergeladenen Beats aus dem Internet. Er produziere sie selbst und mache jeden einzelnen Schritt von Anfang bis zur Veröffentlichung. „Für mich geht es immer um das Vermächtnis. Ich bin stolz auf jedes Stück Kunst, das ich geschaffen habe“, ergänzt er.

Dennoch habe er die Zusammenarbeit mit afghanischen Künstlerinnen und Künstlern als großartig empfunden. „Mit anderen zusammenzuarbeiten bedeutet, dass ich etwas von ihnen lernen kann, ohne selbst experimentieren zu müssen“, sagt der Rapper.

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Sein Ziel ist es, die deutsche Sprache zu lernen, mit der Kultur vertraut zu werden und Bekanntschaften zu machen. „Ich werde versuchen, etwas zu tun, das meine Gemeinschaft, die afghanischen Musiker, und mein Erbe beeinflussen kann“, sagt Ali ATH. In Deutschland möchte er auf jeden Fall auch mit anderen Künstlerinnen und Künstlern zusammenarbeiten, die auf Deutsch rappen.

„Deutscher Rap ist sehr aggressiv, und ich mag es, wie er klingt. Er ist sehr klar“, beschreibt er. Seine Lieder werde er jedoch nicht auf Deutsch schreiben. Dazu schätzt er seine Sprachkenntnisse als unzureichend ein. „Aber sag niemals nie“, ergänzt er. Ghostwriter kommen für Ali ATH nicht in Frage.

Aktuell sei er von der Tanzmusik, EDM und Techno Szene in Deutschland fasziniert. „Ich würde gerne ein EDM-Album produzieren, einfach weil ich das Genre mag und ich das Gefühl habe, dass ich etwas dazu beitragen kann, da ich aus einer anderen Kultur komme“, so Ali ATH.

Videoproduktion weckt neben der Musik den Unternehmersinn

Neben der Hip-Hop-Musik arbeitet er in seiner eigenen Videoproduktionsfirma „Black Films“ an einer Dokumentation über Rap in Afghanistan. „Es war in Kabul nicht einfach, ein Musikvideo zu drehen. Die Produzenten verlangten 3000 Dollar für ein Video. Ein durchschnittlicher Afghane verdiente rund 200 Dollar im Monat“, sagt er. Die gesamte Hip-Hop-Gemeinschaft habe eine Lösung gebraucht. Deshalb haben sie mit Handys und einfachen Kameras selbst gefilmt. Diese Erfahrungen seien die Grundlage für seine Firmengründung, erklärt Ali ATH.

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Langfristig sehe er sich neben Musik und Film als Unternehmer, der sich für die Gemeinschaft afghanischer Musiker einsetze. In Afghanistan haben Plattformen wie Radio, TV und Musikstreaming gefehlt. „Das war ein großes Problem und hat uns daran gehindert, mehr Hörer zu erreichen“, so der Künstler.

Nach Angaben von Ali ATH zählen bis heute zur Hip-Hop-Gemeinschaft weniger als 1000 Rapper, und 99 Prozent von ihnen haben nicht mehr als 1000 Hörer. „Es ist mir sehr wichtig, die Kunst unter den Afghanen nicht sterben zu lassen. Seit die Taliban die Macht übernommen haben, ist es dort unmöglich, Musik zu machen. Meine Gemeinschaft und ich sollten das nicht zulassen“, betont er.

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