München / Ludwigshafen. Hat man ihn am Telefon, erwartet man zunächst das mürrisch-widerwillige „Ich höre!“, das er oft als Fernsehkommissar im „Tatort“ brummt, wenn irgendjemand einen Anruf wagt. Doch Axel Milberg „ist“ nicht Klaus Borowski, das betont er immer wieder. Und es stimmt: Beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen, wo er mit dem Preis für Schauspielkunst geehrt wird, taucht er in drei Produktionen auf, die unterschiedlicher kaum sein könnten.
Herr Milberg, vor dem Interview habe ich überlegt, wann Sie mir erstmals auffällig geworden sind. Und das ist ewig lange her: Es war wohl etwa 1990, als ich Sie in „Tassilo - ein Fall für sich“ sah. Eine Krimi-Comedy fürs Fernsehen, in der der große Bruno Ganz den Detektiv gab. Können Sie sich noch erinnern?
Axel Milberg: Ja, im Winter 1988/89 haben wir gedreht, am Bodensee. Ich wohnte im Hotel „Bayrischer Hof“ in Lindau. Martin Walser hatte eine Reihe von Hörspielen geschrieben über zwei Kleinganoven. Ich war damals an den Münchner Kammerspielen engagiert, insgesamt war ich 17 Jahre im Ensemble. Einmal hatten wir an einem Abend Botho Strauß‘ „Kalldewey, Farce“ gespielt, als man mir in der Pause mitteilte, dass Bruno Ganz in dieser Vorstellung sei und mit mir sprechen wolle. Er war damals unser Gott, der Prinz von der Berliner Schaubühne. Und auch schon international bekannt. Er sagte mir dann, er wolle, dass ich in der „Tassilo“-Verfilmung mitwirke.
Axel Milberg und das Festival
- Unter den vielen Rollen, die er vor der Kamera verkörperte, ist die des Kieler „Tatort“-Kommissars hervorzuheben. Der in Ludwigshafen aufgeführte Film „Borowski und der Wiedergänger“ mag zwar nicht der beste sein, aber er zeigt den Kommissar erstmals als „Mörder“ (einer aufdringlichen Presse-Drohne). Auch am 24. August, wenn Milberg seinen Schauspielpreis entgegennimmt.
- Er ist beim Festival zudem in „Die Familie Bundschuh“ und „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ zu sehen (sämtliche Termine unter www.fflu.de).
Sie haben dann den Assistenten Tassilos gegeben.
Milberg: Kleine Gaunereien haben wir begangen, ja - und boten den Geschädigten dann an, den Fall als Privatdetektive aufzuklären.
Weil am Bodensee so wenig los ist, muss man seine Fälle eben selbst erfinden…
Milberg: Martin Walser meinte, er als Schriftsteller arbeite ja auch so: Er erfinde einen Kriminalfall, um ihn später selbst zu lösen.
Damals, als Sie an den Münchner Kammerspielen engagiert waren, haben Sie sich noch als Theaterschauspieler gesehen?
Milberg: Absolut. Man hatte ja für anderes gar keine Zeit und ging von der Premierenfeier gleich zur Leseprobe am nächsten Morgen für die neue Inszenierung. Ist auch heute noch der Alltag für Theaterschauspieler, dass sie parallel in einem halben Dutzend Stücke mitspielen.
Aber in München - Dieter Dorn war damals Intendant - war es wohl eine goldene Epoche?
Milberg: Unbedingt. Im Ensemble gab es alle Altersgruppen. Da konnte man als Anfänger eine Menge lernen, denken Sie an Thomas Holtzmann, Peter Lühr oder Rolf Boysen.
Damals gab es noch die großen Namen. Übrigens auch in der „Tassilo“-Verfilmung…
Milberg: Ja, ich harrte beim Drehen oft viele Stunden zwischen Bruno Ganz und Marianne Hoppe aus. Hoppe war auch häufig an den Münchner Kammerspielen Gast und suchte das Gespräch, die Nähe zu den jungen Schauspielern. Sie wirkte charismatisch und herb, konnte aber sehr respektvoll und auch bescheiden sein.
In „Tassilo“ waren Sie nur der Freund und Helfer eines Detektivs, doch später stiegen Sie zum Chefermittler auf, zum „Tatort“-Kommissar Borowski. 39 Folgen wurden schon gezeigt, im Ganzen soll es 44 geben. Nächstes Frühjahr drehen Sie die letzte, wollen dann vom „Tatort“ Abschied nehmen, auch, weil sich der Markt verändert habe, wie Sie sagen. Können Sie das noch einmal erklären?
Milberg: Jemand geht mit 65 Jahren in Pension - das hat ja überhaupt nichts Tragisches und Schlimmes. Mache nach 21 Jahren Platz für Nachfolger. Übrigens denke ich, dass ich meinen besten Film noch nicht gedreht habe.
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Borowski ist ja auch ein bisschen aus der Zeit gefallen. Nicht bloß, weil er nicht so gern sein Handy in die Hand nimmt. Wieviel Axel Milberg steckt in Klaus Borowski?
Milberg: Das Konzept war, diese erfundene Figur möglichst weit weg von mir zu halten. Dieses Soziophobe, Distanzierte, das Borowski hat, war eine Redaktionsentscheidung. Anfangs war es ja noch stärker, dazu der Cord-Anzug, das alte Auto. Man versprach sich eine norddeutsch-schrullige Persönlichkeit. Auch als Kontrast zur Welt, in der Borowski zu ermitteln hat und der er seine Ruhe und Genauigkeit entgegensetzt.
Doch die Figur Borowski zählt längst zu den profiliertesten im Krimi-Genre. Geht es Ihnen jetzt wie Götz George, der befürchtete, auf seinem Grabstein werde einmal „Horst Schimanski“ stehen?
Milberg: Jedes Jahr habe ich eine Menge anderes gemacht, Filme, Hörbücher, Live-Lesungen, Sprecher in Dokumentationen. Im Moment sind ja auch Amazon, Paramount Plus oder Disney Partner für viele, auch für mich. Außerdem gab es zu Schimanskis Zeiten doch erst drei Kanäle, die Einschaltquoten waren entsprechend riesig. Heute wissen junge Zuschauer oft gar nicht mehr, was „ARD“ bedeutet.
Auf dem Festival des deutschen Films wird nun „Borowski und der Wiedergänger“ aufgeführt, ein Film mit ziemlich divergenten Zutaten: Satire, Thriller-Elemente und noch manche mehr. Die Schauspieler - Sie ausgenommen - suchen manchmal ihre Rollen.
Milberg: Das liegt nicht zuletzt am Drehbuch, das die Welt einer Unternehmerfamilie mit ihren Randfiguren eben so zeigt, etwas verzogen oder theatralisch. Im Zentrum die junge Frau aus diesem Clan. Ich selbst tauche erst in Minute 18 auf.
Das stimmt, ich habe mitgestoppt. Ein später Zeitpunkt!
Milberg: War auch schwierig in diesem Format - man versuchte im Schneideraum, meinen Auftritt vorzuziehen. Aber es muss ja erst was passieren, bevor die Polizei gerufen wird.
Wir sollten unbedingt noch über Ihre Kinofilme sprechen. Schöne Rollen hatten Sie da ebenfalls, am Anfang stand „Nach Fünf im Urwald“ (1995).
Milberg: Das wurde irgendwie als mein Durchbruch wahrgenommen, ja, man selber hat davon eher keine Ahnung. „Irren ist männlich“ folgte, „Der Campus“ und „Rossini“. Und dabei lernte ich Sherry Hormann, Sönke Wortmann und Helmut Dietl kennen. Das war Kino, jede Premiere ein Erlebnis in der Dunkelheit eines großen Saals. Am Set wird an einem Kinobild viel länger gebaut. Extrem erlebt habe ich das bei einem kleinen Auftritt bei Tom Tykwer, bei „The International“, vor dem Fenster sah ich 80 Wohnmobile. Ich dachte erst, eine Caravan-Messe mitten in Berlin? Die Wagen gehörten aber alle zu uns, über 200 Menschen hielten sich am Set auf. Dennoch war es völlig still, es wurde nur geflüstert. Wie in einem Operationssaal.
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