Mannheim. So einen Ansturm und eine durch viel Auswärtspublikum stockende Anfahrt zur Mannheimer SAP Arena kennen Konzertgänger seit März 2020 kaum noch. Der kanadische Rockstar Bryan Adams gehört am Samstagabend zu den Glücklichen, die so etwas in diesen halb-postpandemischen Tagen wieder auslösen und den Sold-Out-Award der Halle entgegennehmen können.
Die fliegende Doris
Den leicht verspäteten Konzertbeginn kompensiert die fliegende Doris. Das ist keine Vorbotin der fünf Helene-Fischer-Konzerte im Juni 2023, sondern eine aufblasbare Nachbildung des Chevrolet Corvair, den man vom Cover des Grammy-nominierten Albums „So Happy It Hurts“ (2021) kennen kann, Auf dessen Motorhaube reckt Adams die Gitarre triumphierend in die Höhe - ein Fanal der Lebensfreude in der Corona-Tristesse. Die Rockerpose ist nicht hohl: Nach einem offensichtlich von AC/DC inspirierten „Let There Be Rock“-Video-Intro beginnt das Konzert mit dem neuen Song „Kick Ass“ erfreulich heftig. Das ist an diesem Abend weitgehend Programm, Adams’ zahlreiche Hit-Balladen spielen die Nebenrolle.
Der Sound ist schön trocken und hart, anfangs etwas grell. Mit mächtigem Backbeat nach vorn getrieben von Drummer Patrick Steward. Wie immer beim Teilzeitkunstfotografen Adams besteht die Bühnenshow meist aus eindrucksvollen Schwarz-Weiß-Bildern auf der LED-Wand. Ansonsten stehen da einfach fünf exzellente Musiker um Pianist Gary Breit auf der Bühne und spielen eine Menge der eingängigsten Nummern und Gitarrenriffs der Mainsteamrock-Geschichte. Mehr braucht es ja auch nicht. „Wir haben euch sehr viel Musik mitgebracht“, ruft der 63-Jährige bei der Begrüßung nach der vierten Nummer. Zu viel versprochen ist das nicht, nach zwei Stunden sind es 29 Songs.
Das Publikum ist gut drauf
Mit „Shine A Light“ (2019) folgt schnell eine zweite recht aktuelle Nummer, die sich ziemlich deutlich vor John Mellencamps Songwriting verbeugt. Aber als Erstes eindrucksvoll mitgesungen, sogar die komplette erste Strophe, wird der Schnulzenhit „Heaven“ - stimmungstechnisch der erste große Höhepunkt. Musikalisch weit übertroffen von der eskalierenden Gitarrenarbeit, die Adams’ kongenialer Gitarrist Keith Scott zu „It’s Only Love“ beisteuert. Tosender Applaus. Das textfeste Publikum ist extrem gut drauf und befeuert mit seiner Begeisterungswilligkeit die Musiker noch weiter. Das zeigt sich auch beim Rockabilly-Fetzer „You Belong To Me“ mit Solomon Walker am Schlagbass, bei dem der Kameramann die besten männlichen Tänzer auf der große LED-Wand präsentiert. Da hätten die „Let’s Dance“-Coaches allerdings noch viel zu tun
.Ähnlich viel gute Laune verbreiten das an Buddy Hollys Hits erinnernde ebenfalls neue „I’ve Been Looking For You“ und das hochenergetische, heftig mitgeklatschte „The Only Thing That Looks Good On Me Is You“, das beste Stück, das Adams seit Mitte der 90er veröffentlicht hat.
Adams zeigt vollen Körpereinsatz
Danach wird es ruhiger mit „Here I Am“, bei dem Scott zeigt, dass er auch sehr sensitive, fast lyrische Akzente setzen kann. Nach dem großartig aufgenommenen, solo geklampften Muntermacher „When You’re Gone“ folgt die ganz große Hitparade: die gefeierte, eigentlich etwas überspielte Ballade „(Everything I Do) I Do It For You“, das massiv bejubelte „Back To You“, Adams’ absoluter Franchise-Hit „Summer Of ‘69“ mit viel Körpereinsatz, und am Schluss des regulären Sets „Cuts Like A Knife“.
Fünf Songs auf Zuruf
Auf Zuruf aus dem Publikum werden dann fünf Lieder auf Zuruf zumindest angespielt: In Mannheim sind das keine „Greatest Hits, eher Raritäten wie das erstmals live aufgeführte „Inside Out“ (1998), „Not Guilty“ (1991), „Flying“ (2004),„Brand New Day“ (2015) und „Hey Honey - I’m Packin’ You In“ (1991). Dieses ungeprobte „Gehirnjogging“ bewältigt das Quintett eindrucksvoll - das sollte es bei Rock-Konzerten häufiger geben. Es kann halt nicht jeder.
Zur Zugabe fliegt Doris wieder - um die Wette mit dem Tourtitelsong „So happy It Hurts“. Nach der insgesamt fünfteiligen Zugabe u.a. mit „Run To You“ und der Schlussballade „All For Love“ haben die Fans einen Bryan „Kick Ass“ Adams gesehen, der in der Pandemie seine Leidenschaft für urtümlichen Rock ’n’ Roll wieder entdeckt hat und nun lustvoll live auslebt. Genau so gerne wieder.
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