Stuttgart. Die Alten rocken es bei den diesjährigen Jazz Open Stuttgart. Am Mittwoch war es der 68-jährige Herbert Grönemeyer, am Tag darauf der 60-jährige Lenny Kravitz, die das Publikum in der jedes Mal ausverkauften Open Air-Bühne am Schlossplatz zu Begeisterungsstürmen hingerissen haben.
Am Sonntagabend nun war Sting zu Gast, der in wenigen Wochen seinen – man mag es kaum glauben – 73. Geburtstag feiern wird. Das ist nicht nur deshalb kaum zu glauben, da er mit seinem durchtrainierten Körper unterm schwarzen T-Shirt so gar nichts Seniorenhaftes an sich hat: Es ist vor allem die Präsenz seiner charakteristischen Stimme, die selbst im Falsett noch klangvoll und tragend klingt und auch sonst nichts von ihrem typischen Sound verloren hat.
Das hört man sofort beim ersten Stück, „Message in a Bottle“, ein Hit aus Stings Zeit bei der Band The Police. Und es geht Schlag auf Schlag weiter. Mit „If I ever lose my faith“, einem Song, dem man aufgrund seiner Komplexität eigentlich kein Hitpotential zugestehen würde, der aber dennoch einer wurde. Bei der Aufnahme 1993 war auch der Gitarrist Dominic Miller dabei, dem eine Hauptrolle an diesem Abend zukommt. Denn wie in frühen Police-Zeiten tritt Sting, der selbst Bass spielt, nur mit einem Trio auf. Gitarre, Bass und Schlagzeug, letzteres bedient von dem jungen Luxemburger Chris Maas. Mehr braucht es an diesem Abend nicht, was eher ungewöhnlich ist für heutige Popstars, die bei Großkonzerten gerne mit üppigen Besetzungen auftrumpfen, Bläsersection und Backgroundsänger inklusive.
Kunststücke an der Gitarre und Stroboskopgewitter
Dass es aber auch sparsam geht – und man dabei nichts vermisst – ist das Verdienst des genialen Dominic Miller. Der Argentinier, dessen musikalisches Vorbild Johann Sebastian Bach ist, kann mitreißende Gitarrensoli spielen, und das tut er auch mehrfach. Aber er ist dazu in der Lage, auf seiner abgewetzten Fender Stratocaster raffinierte harmonisch-melodische Texturen zu weben und damit Songs quasi neu zu arrangieren. Frappierend, mit welch scheinbarer Beiläufigkeit er diese gitarristischen Kunststücke einstreut.
Der Hitreigen geht reggaehaft weiter mit „Englishman in New York“, wo das Publikum lautstark den Refrain mitsingt, und endet – zunächst – mit der himmlischen Ballade „Fields of Gold“. Dann singt Sting einige weniger bekannte Songs. „Never coming home“ aus dem Album „Sacred love“ beginnt mit einem atmosphärischen Tapping-Intro Dominic Millers und reizt die Klangmöglichkeiten einer Triobesetzung weit aus, mit „When we dance“ dann geht es zurück in bekanntere Gefilde, ehe das furiose Finale das Publikum in einen Freudentaumel versetzt. Bei “I can’t stand losing you” erhellt ein Stroboskopgewitter die mittlerweile – es ist 22 Uhr – erdunkelte Szenerie, es folgen „So Lonely“, „King of Pain“ und „Every Breath you take“, wo tausende Handylampen aufleuchten.
Was fehlt bis dahin? Klar, der Megahit „Roxanne“, den Sting als erste Zugabe singt. Danach legt er den Bass weg und nimmt eine akustische Gitarre, setzt sich auf einen Hocker und intoniert das wundervolle „Fragile“, das von der Zerbrechlichkeit des Menschen handelt. Zum Niederknien.
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