Kunst

Regionale Blicke auf die weite Welt im Mannheimer Port 25

Der Port 25 beginnt den Kunstsommer mit zwei Ausstellungen: Im Foyer wird die Reihe "Heimspiel" fortgesetzt, und im Obergeschoss machen die Installationen des Kunstpreisträgers Francisco Klinger Carvalho Eindruck.

Von 
Thomas Groß
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Preisträger Francisco Klinger Carvalho inmitten seiner multimedialen Installation „Amazonia – Symphonie der Erinnerung“ im Port 25, dem „Raum für Gegenwartskunst“ im Mannheimer Stadtteil Jungbusch. © Manfred Rinderspacher

Mit gleich zwei neuen Ausstellungen läutet der Port 25 den Sommer ein. Im Obergeschoss präsentiert der „Raum für Gegenwartskunst“ im Mannheimer Jungbusch Installationen von Francisco Klinger Carvalho, dem aktuellen und neunten Träger des Kunstpreises der Heinrich-Vetter-Stiftung, der mit 15 000 Euro dotiert ist und den die Stadt Mannheim unterstützt. Im Erdgeschoss wird ebenfalls ab heute Abend die kleine, feine vierteilige Reihe „Heimspiel“ fortgesetzt. Insgesamt 46 Kunstschaffende aus der Region umfasst sie; die gezeigten Arbeiten hat das Kulturamt der Stadt in den vergangenen Jahren angekauft, und sie werden erstmals öffentlich gezeigt.

Der 1966 in Brasilien geborene Francisco Klinger Carvalho arbeitet multimedial und bedient sich in seiner Bildhauer- und Installationskunst einer ganz eigenen, individuellen Bildsprache. Das wird schnell klar, wenn man den großen Ausstellungsraum betritt: Vorn steht eine fragile kleine Installation aus kaputten Stühlen, bunten Federn und am Boden liegenden Bechern; eine rohe, kalt wirkende Mauer erhebt sich weiter hinten, auf und vor ihr liegen gefährlich spitze Glasscherben. Immer wieder trifft man auf Gitterstrukturen, und als zentrales Werk ragt eine multimediale Installation aus verkohltem Holz hervor: Aus alten Möbelstücken wachsen hier dürre Äste; an ihren Enden sind Lautsprecher befestigt, aus denen litaneihaft indigene Gesänge tönen, unterbrochen nur von Vogellauten.

Zwei neue Ausstellungen

  • Der Kunstpreis der Heinrich-Vetter-Stiftung ist mit 15 000 Euro dotiert und wird an Künstler vergeben, die in der Metropolregion leben. Die Stadt unterstützt den Preis. Francisco Klinger Carvalho, geboren 1966 in Brasilien, ist der neunte Preisträger.
  • Die Ausstellung des Preisträgers im Port 25, Hafenstraße 25, Mannheim-Jungbusch, wird ebenso wie die Fortsetzung der regionalen Reihe „Heimspiel“ an diesem Freitag, 19 Uhr, eröffnet. Die Preisträgerschau läuft bis 14. August (Mi - So 11-18 Uhr). Am 13. August wird der Katalog zur Schau präsentiert.
  • Die Fortsetzung „Heimspiel 3“ im Foyer des Port 25 ist bis zum 31. Juli zu sehen. Sie zeigt Kunstankäufe des Städtischen Kulturamts aus den vergangenen sieben Jahren erstmals öffentlich. Die letzte Folge „Heimspiel 4“ ist dann ab 6. August zu sehen. 

Um die Arbeit herum zieht sich ein spitzzackiger Zaun, der den (Kunst-)Ort ebenso schützt und abschirmt, wie er zugleich uns Betrachter von ihm ausschließt. Verletzlichkeit, Zerstörung und in den Klängen auch der Anschein einer ursprünglichen Harmonie schwingen mit in dieser Installation, der Carvalho den sprechenden Titel „Amazonia – Symphonie der Erinnerung“ gegeben hat. Die politische Note seiner Kunst wird so erst recht ersichtlich.

Als Kind hat er den Wald im Amazonasgebiet als unberührt und intakt erlebt. Bei späteren Besuchen dort sei die Natur immer weiter zurückgedrängt gewesen, erzählt Carvalho bei einem Pressetermin. Der Wald, der so wichtig für das natürliche Gleichgewicht der gesamten Welt ist, erhält bei ihm einen nachdrücklich wirkenden, nicht unbedingt zuversichtlich stimmenden Ausdruck. Und nach wirkt dabei auch die Vergangenheit des Künstlers als politischer Aktivist.

Immer wieder Brasilien: Im Zentrum der Installation „Metapher eines verlorenen Landes“ steht die kupferfarbene Umrisslinie des südamerikanischen Staates, allerdings gedreht, fast schon auf dem Kopf stehend. Eine Metallstange davor wird lesbar als Symbol von Vermessung, Teilung und Ausbeutung, auf die auch eine beigefügte Bilderserie hindeutet. Die schon erwähnte rohe Ziegelsteinmauer lässt sich als strikte Grenze erfahren – als jene Grenze, die der reiche Norden zum globalen Süden hin zieht und die ebenso die Reichen in den Ländern Südamerikas ausschließend um ihre eigenen prächtigen Häuser ziehen. „Die dramatische Eleganz der Ungleichheit“, so hat Carvalho diese Installation betitelt, was zusätzlich die poetische Note unterstreicht, die seinen Arbeiten ungeachtet ihrer Nüchternheit zu eigen ist. Vielsagend ist auch Carvalhos Zugangsweise: Mit Fundstücken und überhaupt „armen“ Materialien arbeitet er; oft findet er sie im Sperrmüll. Und endgültig ist bei ihm nichts. Regelmäßig werden Ausstellungsstücke für neue Inszenierungen wieder und wieder umgearbeitet – so wie ja auch die Welt und unser Umgang mit ihr beständigen Veränderungen unterliegt.

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Francisco Klinger Carvalho stellt auch international aus, hat seinen Lebensmittelpunkt aber in Mannheim, wo er als Dozent an der Freien Kunstakademie lehrt. Die überregionale Resonanz, die seine Arbeit findet, verbindet ihn mit den zwölf Kunstschaffenden aus der Region, deren Arbeiten die nunmehr zweite Fortsetzung der „Heimspiel“-Reihe im Foyer präsentiert. Erneut dominieren hier kleinere Formate, wobei die Genres durchaus variieren: Fotografien stehen neben vielgestaltigen malerischen Bildwerken aus verschiedensten Materialien. Mit Seife und Tusche hat Myriam Holme ihren mannigfache Assoziationen weckenden „Zeitgewebten Mantel“ gefertigt. Filigrane, das Sehen buchstäblich herausfordernde Grafiken von Skafte Kuhn und Barbara Hindahl sind dabei, außerdem – leitmotivisch für die kleine Ausstellungsreihe – ein weiteres „Sehstück“ des verstorbenen Bernhard Sandfort.

Dessen klare, geometrische Anordnung findet eine Entsprechung im reizvollen, die Rahmenform variierenden „Framework Ma“ von Doris Erbacher. Gleich daneben dominiert Gegenständliches, dessen jeweiliges Motiv freilich schnell nebensächlich erscheint angesichts der Themenfelder, die es anspricht: Ruth Hutter fotografierte ihre Hand mit goldfarbenen Fingernägeln in einer Schmerzen assoziierenden verkrampften Haltung. Konstantin Weber wählt hingegen einen scheinbar ganz alltäglichen Gegenstand, eine Gardine, macht durch sie aber auch die Wahrnehmung als solche zum Thema. Vielgestaltig, anregend und sehenswert ist das Angebot im Port 25. Und das gilt für die eine wie die andere neue Ausstellung dort.

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

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