Mannheim. Kasi hat Geburtstag! Und das den ganzen Tag über enorm texttreue, vorwiegend weibliche Publikum singt dem Frankfurter Musiker am Nachmittag im Zelt natürlich ein Ständchen. Aber es muss „durchgepowert“ werden, denn jeder von den elf Acts auf dem Mannheimer Maimarktgelände beim „Das Ding“-Festival hat im Schnitt nur 45 Minuten Zeit zu liefern. Den Synthie-Pop-Rap von Kasi verkauft der dem SWR angesiedelte Jugendsender als „gechillte Unbefangenheit im deep wirkenden Soundentwurf“. Das Ziel-Publikum des Senders fokussiert sich auf 15- bis 25-Jährige, da muss, genau wie bei anderen Hörerschienen, die Sprache innerhalb des Marketingkonzeptes zum Publikum passen.
„1,2,3, Nachbar holt die Polizei“ hätte textlich auch zur guten alten Neuen Deutschen Welle gepasst, die an diesem langen Tag auch immer wieder zitiert wird. Bei Kasi reicht der Rückblick immerhin bis zu dem 2005er Song-Cover „Nur ein Wort“ von „Wir sind Helden“. Das Publikum pendelt permanent zwischen Zelt und Open-Air-Bühne hin und her, nahtlos, logistisch hervorragend abgestimmt, da bleibt kaum Zeit zum Jutetaschen bemalen - oder der Radio-Crew Interviews zu geben.
Durch Auto-Tune zur Micky-Maus-Stimme hochgepimptes Go-Go-Girl
Hier in Mannheim ist die „Welt für einige Stunden nicht so Scheiße“, wie es Paul Wetz in schwarzer Glitzerhose zu deutlich härteren Bässen im Song „Gaga Baby“ skandiert. Sounds, untermalt von gut gemachten Chorklängen. Sein Credo gilt fast für den ganzen Tag: „Und der Bass vertreibt den Kummer und den Hass.“
Baby B3ns alias Benita Banu ist DJane und zugleich ein durch Auto Tune zur Micky Maus Stimme hochgepimptes Go-Go Girl. Die legendäre Saxofonlinie in George Michaels „Careless Whisper“ wird ebenso wie Corey Harts „Sunglasses at night“ im von ihr am Mischpult clever zelebrierten Mix durch 120 Beats ausgeknockt, da darf selbst Madonna mit „Music“ nur Zitat sein. Die Hannoveranerin liefert ihre eigene, beeindruckende Ästhetik.
Es muss 18 Uhr werden, bis der Indie Sound Einzug auf dem Maimarktgelände hält. Mit der Besetzung Gitarre, Drums und Bass, kurzen Songs und diffiziler Rhythmik offenbaren Lena & Linus großartige Melodieschönheit. Textlich läuft man da auch auf „Autodächern, die so leise knacken“, es herrscht die sanfte Revolution. Auf der Bühne ein Bücherregal nebst Blumen. Bei Paula Carolina wirkt das Bühnen Setting wie aus einer TV „Formel 1“ Sendung: Ampeln: schwarz-weißes Streifenbild. Ob die Sängerin weiß, dass Nena mal eine Band namens „The Stripes“ hatte? Von weitem wirkt sie ein wenig wie Frau Kerner, die Band trägt Latzhosen, die Zitate sind komplett Neue Deutsche Welle, die Musik zum Teil druckvoll, die Texte handeln von femininer Selbstbestimmung, da trennt sich die Nostalgie vom Jahr 2024.
Mit dem Hamburger Musiker Felix Dautzenberg alias Berq kommen das Pathos, der Schmerz und das Cello. Auch wenn die Stimme in den Höhen etwas schwächelte, sind diese Songgebirge durchaus faszinierend. Sie entziehen sich der Refrainstruktur und streifen das Genre des Chansons, die Texte sind lyrisch äußerst interessant, die Jugend braucht ihre Schmerzensmänner, präsentiert mit leichter Geste.
Noch leichter ist da der Pop von Mayberg, der ganz in Weiß, im Bühnenmeer aus überdimensionalen Blüten seine Pophymnen fast mantraartig ins komplett begeisterte Publikum schmettert. Es wundert nicht, dass der agile Musiker auch mal ein Kinderlied aus einer TV Sendung zitiert.
Wenn man einen Topact ausmachen will, dann Rapperin Badmómzjay
Levin Liam, auch Schauspieler, rappt mit DJ Unterstützung. Den Grad zwischen Indie und Hip-Hop verbindet er durch eine eigentümliche Sprachrhythmik, die immer dann, wenn man den Flow erkennt, jäh endet. Die Songs sind kurz. Wenn man im völlig demokratischen Musikgeschehen, das Publikum war überall gleich begeistert, einen Top Act ausmachen will, dann war es die Rapperin Badmómzjay, die im Licht und Soundgewitter, begleitet von zwei Free Style Tänzerinnen ihre knallharte „Bitch-Attitude“ serviert. Die Salonfähigkeit der sprachlichen Derbheit manifestiert sich unter anderem darin, dass sie auf dem Cover der deutschen Vogue war. Im Duett mit dem Rapper Kontakt 32 gibt sie sich poppiger, ansonsten ist das ein eigenes Sprachuniversum, das in brachialer Wucht mit überzeugendem Showkonzept geliefert wird.
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Keine Frage, „Das Ding“ macht sein Ding, gebiert mit der Radio und Live Plattform Stars und Newcomer, wenngleich durchaus noch mehr Publikum auf dem Gelände Platz gefunden hätte.
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